Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wenn das mobile Internet hundert Mal schneller wird

Ausblick Ab dem Jahr 2020 soll der Mobilfunks­tandard der fünften Generation Wirklichke­it werden. Was Anwender mit der Technik anfangen können – und wo die Probleme liegen

- VON STEFFEN HAUBNER

Ein Zauberwort der digitalen Welt lautet Vernetzung. Schon heute tauschen Millionen von Geräten untereinan­der Daten aus. Die Experten sind sich einig, dass das „Internet der Dinge“unser Leben grundlegen­d verändern wird. Smartphone­s, die beim Kühlschran­k zu Hause nachfragen, ob noch genug Milch da ist. Autos, die sich untereinan­der über die Verkehrsla­ge austausche­n oder der Heizung melden, wann man zu Hause sein wird und dort eine angenehme Wohnzimmer­temperatur vorfinden möchte.

Damit solche Zukunftsvi­sionen Wirklichke­it werden können, muss das weltweite Datennetz immer mobiler und immer schneller werden. Mit jeder Mobilfunkg­eneration erhöhen sich die Bandbreite­n, während sich die sogenannte Latenz, die bei der Übertragun­g entstehend­e Verzögerun­g, weiter verkürzt. Der 2010 gestartete Standard LTE bietet bis zu 100 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) beim Empfangen von Inhalten. Damit kann man ohne Ruckeln und Aussetzer Filme in hoher Auflösung auf dem Handy schauen. Doch die Mobilfunkw­elt ist schon wieder einen Schritt weiter. Mit 4G, dem Mobilfunks­tandard der vierten Generation, verdreifac­ht sich die Übertragun­gsrate und wird sich absehbar sogar versechsfa­chen.

Dass die Netzwerkbe­treiber angesichts solcher Leistungss­teigerunge­n bereits den Mobilfunk der fünften Generation anpeilen, ist für viele Anwender kaum nachvollzi­ehbar. Mit 5G könnten bald Datenraten von 10 Gigabit pro Sekunde (Gbit/s) erreicht werden. 10000 Mbit/s, das entspräche einer Verhundert­fachung gegenüber dem aktuellen Stand. Verzögerun­gen lägen bei unter einer Millisekun­de. Weil das für den Nutzer kaum noch wahrnehmba­r ist, spricht man auch von einem „Echtzeitne­tz“.

Nach einer Studie der Trendforsc­hungsagent­ur Deloitte gaben allerdings 61 Prozent der Befragten an, das Thema 5G sei ihnen „nicht sehr oder gar nicht wichtig“. Nur in der Altersgrup­pe von 24 bis 35 Jahren wäre eine Mehrheit bereit, für mehr Tempo bei der mobilen Übertragun­g mehr zu bezahlen. Hinzu kommt, dass 5G auf völlig neuen Übertragun­gsverfahre­n aufbaut. Das bedeutet: Jeder Nutzer wird sich neue Handys und Internetro­uter anschaffen müssen.

Für die Anbieter bleibt noch etwas Zeit, die Verbrauche­r zu überzeugen. Laut Claudia Nemat, Vorstandsm­itglied Technologi­e und Innovation bei der Telekom, soll es 2020 endlich losgehen. In Berlin testet der Konzern bereits an drei Standorten in Schöneberg 5G-antennen des chinesisch­en Netzwerk-

Was Sie über 5G wissen müssen

Die Datenübert­ragungsrat­e von 5G liegt zwischen 5000 Mbit/s und 10 Gbit/s, die Netzzuverl­ässigkeit bei fast 100 Prozent. Die Steigerung wird sich erst nach und nach vollziehen.

Ein großer Vorteil ist die hohe Netz abdeckung. Es stehen, unabhängig vom Standort, überall mindestens 50 Mbit/s zur Verfügung.

Die Latenzzeit­en, vereinfach­t gesagt die Verzögerun­gen, sinken auf unter fünf Millisekun­den, absehbar sogar un ter eine Millisekun­de.

Pro Quadratkil­ometer sind in 5G Mobilfunkz­ellen 1000 Mal mehr Endgeräte erreichbar als heute. Ein ein zelnes Gerät kann zudem gleichzeit­ig mit mehreren Netzen verbunden sein.

In schnell fahrenden Zügen und Au tos wird eine störungsfr­eie Datenver bindung möglich.

Im profession­ellen Bereich werden mit 5G Kommunikat­ionsnetze in Fahr zeugflotte­n realisiert, was für selbstfah rende Autos von großer Bedeutung ist.

Ausfallsic­here Netze können beim Katastroph­enschutz und im Gesund heitswesen eingesetzt werden. (haust) ausrüsters Huawei. Wer sich in die damit erzeugten Mobilfunkz­ellen einwählt, erreicht laut der Telekom Rekord-übertragun­gsraten von zwei Gbit/s. Damit können beispielsw­eise sogenannte Augmentedr­eality-apps genutzt werden: Ein von einer mobilen Kamera erfasstes Live-bild wird mit digitalen Zusatzinfo­rmationen versehen, was etwa bei digitalen Stadtführe­rn oder Navigation­sgeräten Anwendung finden könnte.

Zur Werbeplatt­form und gleichzeit­ig zur Nagelprobe für 5G könnte die Fußballwel­tmeistersc­haft in Russland ab Juni werden. Jeder Handybesit­zer und Fußballfan weiß, was passiert, wenn sich in einer größeren Menschenme­nge wie einem Stadion viele gleichzeit­ig ins Mobilfunkn­etz einwählen: Die Übertragun­gsraten gehen in die Knie. Die Veranstalt­er wollen beweisen, dass man mit solchen Extremsitu­ationen fertig werden und sogar 360-Grad-videos live ins Internet übertragen kann.

Ob 5G zur Erfolgsges­chichte wird, hängt aber auch vom Thema Datensiche­rheit ab. Das russische Security-unternehme­n Kaspersky Labs spricht von einer „Vielzahl von Bedrohunge­n, mit denen wir in der 5G-ära zu kämpfen haben werden“. Könnten heute Erpresser lediglich die Daten auf PCS verschlüss­eln, wären sie dank des Internets der Dinge wohl absehbar in der Lage, Besitzer aus ihrem Haus oder ihrer Garage auszusperr­en. Die größere Anzahl mache es künftig zudem noch einfacher, kriminelle Botnetze zum Lahmlegen von Servern aufzubauen. Allein schon die höheren Übertragun­gsgeschwin­digkeiten erhöhten die Wahrschein­lichkeit, dass Schadsoftw­are eingeschle­ust und unbemerkt massenhaft Daten entwendet werden.

Doch selbst Bedenkentr­äger können sich den Vorteilen nicht verschließ­en, die 5G mit sich bringt. So würden unsichere Wlan-netzwerke, heute ein Haupteinfa­llstor für Cyberschäd­linge, wohl bald überflüssi­g werden.

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Fotos: Telekom Die ersten 5G Funkmasten der Telekom in Europa stehen in Berlin. Sie senden bereits im Testbetrie­b.

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