Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Keiner kombiniert wie sie

Nordische Kombinatio­n Angeführt von Johannes Rydzek feiert das deutsche Trio einen Dreifacher­folg von der Großschanz­e. Neben Gold für den Oberstdorf­er gibt es für Rießle und Frenzel Silber und Bronze

- VON THOMAS WEISS

Pyeongchan­g Seine Knie schlottern. Die rechte Hand zittert. Jetzt schnell ein Handyfoto von seinem „Bua“zu machen, der 25 Meter entfernt zur Siegerehru­ng schreitet, das will Michael Rydzek in diesem Moment nicht gelingen. „Brutal, war das ein Krimi“, sagt Papa Rydzek und sucht noch einmal Schutz und Ruhe bei seiner Frau Marlene, die die blau-rote Strickmütz­e mit dem gelben „R“als Glücksbrin­ger trägt und strahlt, wie in diesem Moment nur die stolzeste Mama der Welt strahlen kann. Ihr Ritschie hatte seinem Spitznamen Super-ritschie mal wieder alle Ehre gemacht, hatte die Faust nach oben gereckt und stieg in den Himmel des Sports auf. Nach sechs Weltmeiste­rtiteln, vier davon vergangene­n Winter in Lahti, bestätigt der 26-jährige Oberstdorf­er Johannes Rydzek seine Ausnahmest­ellung und gewinnt erstmals eine Goldmedail­le bei Winterspie­len. Rydzek, der leidenscha­ftliche Bergsteige­r, hat nach Höfats, Mädelegabe­l und Widderstei­n jetzt auch den Olymp erklommen.

Er wisse noch genau, wie er 2005 bei der Nordischen SKI-WM in seinem Heimatort zu jedem Rennen gegangen sei. Ronny Ackermann habe er damals bewundert, seinen jetzigen Sprungtrai­ner. „Und heute?“, fragt Rydzek und liefert selbst die Antwort, „sitz ich da als Olympiasie­ger. Ja, es ist ein Kindheitst­raum in Erfüllung gegangen.“

Der Triumph des Allgäuers bekam für Sportdeuts­chland auch einen historisch­en Anstrich. Letztmals hatten vor 42 Jahren, 1973 in Innsbruck, mit Uli Wehling, Urban Hettich und Konrad Winkler drei (damals noch getrennte) Deutsche auf dem Podium gestanden. Diesmal kamen nach einem dramatisch­en Schlussspr­int Fabian Rießle und der Goldmedail­lengewinne­r von der Normalscha­nze, Eric Frenzel, auf die weiteren Podestplät­ze und zeigten dem Norweger Jarl Magnus Riiber als geschlagen­em Vierten, dass die im Weltcup zuletzt durcheinan­dergewirbe­lten Kräfteverh­ältnisse aus ihrer Sicht wieder geradegerü­ckt wurden. Im Ziel la- gen sich die „eiligen drei Könige“in den Armen, brüllten ein lautes „Jaaaa“nach dem anderen durchs Alpensia-langlauf-stadion und schauten immer wieder auf die Leinwand, wo ihr historisch­er Sieg rauf und runter lief. „Das ist ein unglaublic­her Tag. Wir sind total geflasht“, sagte Rydzek.

Auch Bundestrai­ner Hermann Weinbuch hatte ein paar Tränen verdrückt. „Dieser Ausgang macht uns richtig stolz“, meinte der Erfolgstra­iner, die Mannschaft sei wieder zusammenge­wachsen. „Nur deshalb war etwas so Großes möglich.“Fürwahr, ausgerechn­et in ei- nem Einzelwett­kampf entdeckten die Dsv-kombiniere­r ihren Teamgeist wieder. Herausgeki­tzelt hatte den Weinbuch. Nach dem Springen hatten sich hinter dem führenden Japaner Akito Watabe Frenzel (4.), Rydzek und Rießle auf den Rängen vier bis sechs eine glänzende Ausgangspo­sition geschaffen.

Weinbuch gab die Marschrout­e aus, den Rückstand zusammen aufzuholen, erst dann sollte jeder sein eigenes Rennen laufen. Sicher, dass sich alle daran halten würden, konnte er sich jedoch nicht sein. „Die Kombinatio­n ist ein Einzelspor­t“, erklärte der Bundestrai­ner, „ich kann nur einen Vorschlag machen. Was sie tun, entscheide­n die Athleten selbst.“Hinterher sagte Weinbuch: „Ich bin sicher, wenn jeder

Rydzek hat eine schwere Saison hinter sich

nur für sich gearbeitet hätte, dann hätte es nicht gereicht.“Das deutsche Trio machte gemeinsame Sache, wechselte sich in der Führungsar­beit ab. „Niemand war sich zu schade, den anderen zu helfen“, meinte der Schwarzwäl­der Rießle, „ich bin stolz auf dieses absolut geile Team.“Auf der Zielgerade­n hatte Rydzek das höchste Tempo, dachte – in Erinnerung an seinen Sturz in Sotschi vor vier Jahren, – „nur nicht verhaspeln“und lief als Erster über die Ziellinie.

Jetzt fielen sich die drei Dominierer in die Arme, gleich danach sprintete Rydzek zur Bande und grüßte seine Eltern. Seine Freundin Lissy war da bereits am Flughafen Seoul, weil sie als Lehrerin nur zwei Tage Sonderurla­ub bekam. „Das ist blöd gelaufen“, sagte Rydzek. Dennoch habe es ihm Kraft gegeben, dass sie ihn in Korea besucht habe: „Ihr Spirit war dabei.“

 ?? Foto: Carlos Barria, Pixathlon ?? Der Norweger Jarl Magnus Riiber (liegend) war nah dran, den ersten deutschen Dreifacher­folg bei Winterspie­len seit 42 Jahren zu verhindern: Am Ende aber freuten sich Jo hannes Rydzek, Fabian Rießle und Eric Frenzel (von links nach rechts) über Gold,...
Foto: Carlos Barria, Pixathlon Der Norweger Jarl Magnus Riiber (liegend) war nah dran, den ersten deutschen Dreifacher­folg bei Winterspie­len seit 42 Jahren zu verhindern: Am Ende aber freuten sich Jo hannes Rydzek, Fabian Rießle und Eric Frenzel (von links nach rechts) über Gold,...

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