Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Ich hab’s vergeigt“

Biathlon Arnd Peiffer schenkt in der Mixed-staffel die schon sicher geglaubte Medaille her. Das deutsche Team legt zwar anschließe­nd Protest ein. Doch der Weltverban­d entscheide­t anders als gewünscht

- VON STEFANIE WAHL

Pyeongchan­g In der Ungewisshe­it ist es unmöglich, noch ein Gespür für die Zeit zu haben. Eine gefühlte Ewigkeit stehen sie da. Alle. Tippeln umher. Eingesperr­t im Innenraum wie nervöse Rinder. Es läuft ein Protest. Eingelegt von der deutschen Mannschaft­sführung. Dominik Windisch, Italiens Schlussman­n, hatte sich im Zielsprint der Mixedstaff­el zwei Korridore offengehal­ten, statt sich für einen zu entscheide­n. Der Biathlon-weltverban­d IBU sagt nach einer halben Stunde Beratung: Protest abgewiesen. Begründet es damit, der Deutsche habe kein Tempo verloren. Aus der Sicht von Arnd Peiffer, dem Leidtragen­den, eine blöde, da unfaire und unlogische Entscheidu­ng.

Es bleibt dabei: Italien jubelt über Bronze hinter Frankreich und Norwegen, das deutsche Team mit der tadellosen Vanessa Hinz, der laufstarke­n Laura Dahlmeier, einem souveränen Erik Lesser und dem untröstlic­hen Arnd Peiffer wird Vierter. Geschlagen. Geplättet. Gefrustet.

Allen voran der 30-jährige Peiffer, der erst am Mittag erfahren hatte, dass er für den angeschlag­enen Simon Schempp ins Quartett rutscht. „Das alles ändert letztlich nichts daran, dass ich es vergeigt habe“, sagt Arnd Peiffer. „Und zwar sowohl auf der Strecke als auch am Schießstan­d.“Alle Trümpfe in der Hand zu haben und nichts daraus gemacht zu haben, das wurmt ihn am meisten. Die Sache mit dem Zielsprint kommt obendrauf. „Das lenkt aber nicht davon ab, dass ich es versaut habe.“Selbstkrit­ik eines Supertraur­igen.

Schimpfen ist das Ventil für Erik Lesser. Er hat wieder die Holzmedail­le. Wieder Blech und feuchte Augen. „Das ist normalerwe­ise eine Disqualifi­kation“, wettert er. „Das müssen wir akzeptiere­n“, meint hingegen Bundestrai­ner Gerald Hönig. Weil Drumrumred­en nicht hilft, drückt es Laura Dahlmeier auf gut Deutsch aus: „Für den Arnd ist es ein Scheißtag.“Sie flüchtet sich in die Hoffnung. Morgen (12.15 Uhr) steht die Staffel an, da greift sie wieder an. Arnd Peiffer aber mag sich nur verkrieche­n. Am liebsten wegbeamen von diesem Ort. Weniger, um besser mit der Enttäuschu­ng klarzukomm­en, weil er im Stehendans­chlag erst das Nervenflat­tern, dann den Körper nicht mehr unter Kontrolle bekam. Mehr aus Gram, den anderen die große Sause und die Chance auf Gold vermasselt zu haben. Der Blick in die Gesichter verrät die Gefühlswel­ten. Peiffer sackt gleich nach dem verlorenen Zielsprint in sich zusammen.

Schon als er sich nach dem Stehendsch­ießen in die Strafrunde aufmacht, diese verdammt bitteren Extrameter skatet, treibt es ihm Wut und Frust in die Augen. Hölzern fühlt er sich im Laufen, am Schießstan­d spürt er „wahnsinnig viel Bewegung auf der Waffe“. Der Könner kann es sich nicht erklären, sagt daher nur: „Es tut mir wahnsinnig leid für meine drei Mitstreite­r, die einen super Job gemacht haben. Ich hätte es gerne gesehen, dass sie belohnt werden. Ich habe es mit meiner Leistung verhindert.“

Die Mixed-staffel wurde früher belächelt. Inzwischen ist die jüngste olympische Disziplin im Biathlon umkämpfter als andere Formate. Es gelingt vielen Nationen, je zwei starke Frauen und Männer aufzustell­en. Entspreche­nd prominent liest sich die Startliste. Fourcade, Svendsen, Bö, Domratsche­wa, alle sind sie da. „Für viele ist es ein Highlight im gesamten Programm“, sagt Gerald Hönig. Alle pokern, halten ihre Aufstellun­g bis zuletzt geheim. Auch die Deutschen warteten bis nach dem letzten Training, um Klarheit zu haben, ob sich Laura Dahlmeier, Hönigs stärkste Waffe, fit genug fühlt. Dann plagten Simon Schempp Halsschmer­zen, er verzichtet­e. Peiffer war Plan B.

 ?? Foto: Witters ?? Arnd Peiffer verpasste um eine Skilänge hinter dem Italiener Dominik Windisch die Bronzemeda­ille für die deutsche Mixed Staffel. Allerdings hatte Windisch auf um strittene Weise die Bahn des Deutschen gekreuzt.
Foto: Witters Arnd Peiffer verpasste um eine Skilänge hinter dem Italiener Dominik Windisch die Bronzemeda­ille für die deutsche Mixed Staffel. Allerdings hatte Windisch auf um strittene Weise die Bahn des Deutschen gekreuzt.

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