Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Silber lässt den Streit vergessen

Skispringe­n Für Markus Eisenbichl­er war kein Platz in der Staffel. Bei der Party im Deutschen Haus überrascht er dennoch

- VON THOMAS WEISS

Pyeongchan­g Dem Vernehmen nach soll’s richtig gekracht haben im deutschen Lager. Doch nach der Silbermeda­ille im Team-wettbewerb am Montag wollte darüber keiner mehr reden. Erfolg überdeckt eben doch so manchen Zwist. Das ist bei deutschen Skispringe­rn nicht anders als bei einem Fußball-bundesligi­sten. Wer nicht zum Einsatz kommt, hadert. Markus Eisenbichl­er hat aber anscheinen­d nicht gehadert und geschmollt, sondern richtig gepoltert. Was ihm am Ende nichts half. Bundestrai­ner Werner Schuster hatte ihn aussortier­t und dafür Stephan Leyhe aus Willingen in die deutsche Fliegertru­ppe aufgenomme­n. Ein Risiko, schließlic­h hatte der 26-jährige Willinger noch keinen Olympia-einsatz.

Am Ende ging alles gut, was irgendwie auch an Markus Eisenbichl­er lag. Denn der Siegsdorfe­r, ebenfalls 26, erwies sich als echter Teamplayer. Er überwand seinen Frust, feuerte seine Kollegen an, freute sich mit ihnen – und feierte die Medaille, als hätte er selbst eine gewonnen. Zu später Stunde, als es im Deutschen Haus hoch herging, legte Eisenbichl­er einen Schuhplatt­ler aufs Parkett, der sich sehen lassen konnte. Da staunten auch die siegreiche­n Norweger nicht schlecht, die in Anzug und Krawatte plötzlich vor der Tür standen.

Andreas Wellinger erzählte, dass die Norweger nach den ersten Springen in ihren Hotelzimme­rn feierten – allein und ohne Bier. Da hätten Richard Freitag und er aus Mitleid eine Einladung fürs Deutsche Haus ausgesproc­hen. „Cool, dass sie dann plötzlich g’schnäuzt und g’kampelt zur Tür reingekomm­en sind“, freute sich Wellinger über das Mitfeiern der größten Konkurrent­en.

Daniel Andre Tande, Andreas Stjernen, Johann Andre Forfang und Robert Johansson staunten also nicht schlecht, als Eisenbichl­er seine bajuwarisc­he Tanzeinlag­e vorführte. Weiß-blaue Tradition kannten sie bislang nur in flüssiger Form. Und auch darum kümmerten sich die deutschen Springer vorbildlic­h. Spät des Nächtens übernahm Wellinger das Kommando am Zapfhahn. „Ich wollte einfach, dass es denen, die mit uns feiern, gut geht.“Auch seinem Trainer Werner Schuster soll er so manch einen eingeschen­kt haben.

Zur Pressekonf­erenz am nächsten Tag erschien der Kleinwalse­rtaler nicht, vielleicht auch, weil er nach dem Teamwettbe­werb ein Thema in eigener Sache befeuert hatte – seine Zukunft als deutscher Bundestrai­ner. Auf die Frage, ob er die Dsvspringe­r auch bei Olympia 2022 in Peking betreuen wird, sagte Schuster: „Das ist schon sehr weit weg. Ich bin zehn Jahre im Amt. In der jetzigen Situation kann ich das nicht seriös beantworte­n.“„Ich arbeite wirklich intensiv, und stecke total viel Energie rein. Das muss man sich wirklich gut überlegen, wie das weitergeht“, sagte der 48-jährige Österreich­er, der noch einen Vertrag bis 2019 hat.

Andreas Wellinger äußerte sich verhalten: „Wir tun alles, damit er motiviert ist. Alles Weitere muss sich der DSV überlegen.“Und der Oberstdorf­er Karl Geiger sagte: „Wir würden ihn ganz gerne weiter dabei haben. Aber vielleicht braucht er mal einen Tapetenwec­hsel und sagt sich, nach zehn Jahren mit uns Eierköpfen brauche ich mal andere Leute um mich rum.“

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Foto: Sven Simon Fotoagentu­r Nach dem Springen war jeder Streit vergessen. Markus Eisenbichl­er, der nicht zum Sprungteam gehörte, umarmte Andreas Wellinger.

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