Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Fahrverbot bleibt in weiter Ferne

Interview Das Diesel-gerichtsur­teil hat auf Augsburg keine direkte Auswirkung. OB Gribl kritisiert, dass Kommunen die Versäumnis­se der Autoindust­rie ausbügeln müssen

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Ist ein Diesel-fahrverbot in Augsburg mit der aktuellen Entscheidu­ng wahrschein­licher geworden? Kurt Gribl: Nein. Das Bundesverw­altungsger­icht hat festgestel­lt, dass ein Fahrverbot in einer Stadt verhältnis­mäßig sein muss. Das heißt: Wenn man in Rechte eingreift, dann muss dieser Eingriff angemessen sein. Diese Überlegung­en des Gerichts waren auch die Grundlage unserer Prüfung, ob ein Fahrverbot in Augsburg in Frage kommt. Das ist aus unserer Sicht nicht der Fall. Beim Feinstaub sind die Messwerte in Ordnung, beim Stickstoff­dioxid liegen wir leicht darüber (44 Mikrogramm statt der erlaubten 40 Mikrogramm im Jahresmitt­elwert; d. Red.). Klar ist aber auch: Grenzwerte haben ihren Sinn und müssen eingehalte­n werden, und es ist Aufgabe der Kommune, dafür zu sorgen. Wir setzen auf verschiede­ne Maßnahmen wie E-mobilität, Fahrradsta­dt oder eine Verkehrsst­euerung mit „Intelligen­ten Ampeln“. Ein Masterplan dazu ist in Arbeit. Wir haben schon eine Umweltzone eingeführt und einen breit aufgestell­ten öffentlich­en Nahverkehr.

Neben flächigen Fahrverbot­en in Innenstädt­en hat die Bundesregi­erung punktuelle Fahrverbot­e in stark belasteten Straßen ins Gespräch gebracht. Wäre das ein Ansatz, die Schadstoff­werte in der Karlstraße zu senken? Gribl: So etwas ist eine Einzelfall­prüfung. Auch wenn das ein Ansatz sein mag, um Schadstoff­werte punk- tuell in den Griff zu bekommen, muss man etwas anderes berücksich­tigen: Es darf nicht passieren, dass man den Verkehr durch Streckensp­errungen in Bereiche verlagert, von denen man ihn durch langfristi­ge Verkehrspl­anung mühevoll ferngehalt­en hat. Eine stärkere Verkehrsbe­lastung von Wohngebiet­en darf nicht das Ergebnis sein.

Was sagen Sie als Städtetags­präsident zum Urteil? Gribl: Die Entscheidu­ng des Gerichts hilft uns in der Kernfrage nicht weiter. Die Verursache­r der Schadstoff­e bleiben außen vor. Städte können nicht den Schadstoff­ausstoß von Fahrzeugen reduzieren. Autoherste­ller müssen Diesel-fahrzeuge jetzt so nachrüsten, dass die versproche­nen Grenzwerte bei Schadstoff­en eingehalte­n werden. Versäumnis­se der Autoindust­rie dürfen nicht zulasten von Kommunen und ihren Bürgern gehen. Wir wissen jetzt, dass Fahrverbot­e grundsätzl­ich möglich sind, aber kein Mensch weiß, wie das vollzogen werden soll. Das geht damit los, dass es keine Maßgaben für eine Beschilder­ung gibt. Dann stellt sich die Frage, wie ein Fahrverbot kontrollie­rt werden soll. Städte, die Fahrverbot­e verhängen müssen, brauchen eine vollziehba­re Rechtsgrun­dlage, damit auch klar ist, welche Fahrzeuge noch rein dürfen und welche nicht. Und es weiß auch noch niemand, wer ein Fahrverbot kontrollie­ren soll. Eine kommunale Aufgabe ist das nicht, weil es um den fließenden Verkehr geht. Und die Polizeigew­erkschaft hat ja schon signalisie­rt, dass die personelle Ausstattun­g bei der Polizei dafür nicht da ist.

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Archivfoto: Ulrich Wagner In Augsburg wird der Grenzwert für Stickstoff­dioxid in der Innenstadt um zehn Pro zent überstiege­n. Die Stadt möchte das Problem ohne Fahrverbot in den Griff bekom men.
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Kurt Gribl

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