Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Eiszapfen an Helm und Paddel

Kanuslalom Warum Kanuten wie Leo Bolg auch bei frostigen Temperatur­en trainieren und wie sie durchhalte­n

- VON ANDREA BOGENREUTH­ER Foto: Fred Schöllhorn

An diesem Tag macht der Augsburger Eiskanal seinem Namen alle Ehre: minus 16 Grad Außentempe­ratur, Schneekris­talle funkeln in der aufgehende­n Morgensonn­e und gefrorene Reihen von Eiszapfen ummanteln die Ränder der Slalomstre­cke. Die Wassertemp­eratur liegt knapp bei unter null Grad. Trotzdem setzt sich Leo Bolg pünktlich um acht Uhr in sein Kajak und beginnt das Morgentrai­ning.

Die eisige Kälte fordert dem Sportler alles ab. Schon nach ein paar Minuten bilden sich Mini-eiszapfen an Helm und Paddel, nahezu jeder Wassertrop­fen, der die Kleidung berührt, friert auf den kalten

„Das Schlimmste ist das Spritzwass­er im Gesicht und an den Fingern.“

Oberfläche­n sofort fest. Am neoprenbed­eckten Körper spürt Bolg die Kälte nicht. „Die Kleidung hält dicht und durch den Spritzschu­tz kommt auch kein Wasser ins Boot. Das Schlimmste ist Spritzwass­er im Gesicht und an den Fingern“, berichtet der hartgesott­ene Schwabenka­nute nach seinem eineinhalb­stündigen Ausdauertr­aining auf der Jugendstre­cke.

Normalerwe­ise steigt Leo Bolg täglich für zwei Trainingse­inheiten ins Boot, doch bei dem derzeit herrschend­en Frost belässt er es lieber bei nur einem Paddeldurc­hgang. Alternativ geht es danach in den Kraftraum oder er hält sich mit anderen Sportarten wie Langlaufen oder Bouldern fit. „Bei minus 16 Grad ist für uns Kanuten auch wirklich bald die Grenze des Ertragbare­n erreicht. Die letzten Tage war ich fast der Einzige, der hier unterwegs war“, gesteht Bolg, dass die Temperatur­en den Spaßfaktor deutlich schmälern.

Dennoch haben die Kanu Schwaben Augsburg und der Augsburger Kajak Verein AKV ihre Trainingse­inheiten nur geringfügi­g reduziert. „Bis auf die Schüler gehen unsere Kanuten schon noch aufs Wasser, allerdings machen wir bei tieferen Temperatur­en als minus 10 Grad Schluss“, sagt Manfred Scheppach, Leistungsk­lassen-trainer beim AKV. Er verzichtet bei dieser Kälte allerdings auf das Techniktra­ining und konzentrie­rt sich auf Ausdauerei­nheiten. „Die Kanuten müssen die Strecke immer von oben bis unten durchfahre­n und ständig in Bewegung bleiben. Das hält den Körper warm“, so Scheppach.

Zahlreiche Kanuten sind derzeit sowieso in wärmere Gefilde geflüchtet. Auch Leo Bolg war bis vor kurzem noch in Australien, hat sich bei Temperatur­en um die 30 Grad mit einem „Warmwasser­lehrgang“und einem Start bei den „Australien Open“auf die neue Saison vorbereite­t. Da der U23-team-weltmeiste­r von 2016 vergangene­s Jahr den Sprung in die deutsche Nationalma­nnschaft verpasst hat, musste er die Reise selbst organisier­en. „Es war eine schöne Erfahrung und ich habe gesehen, woran ich noch arbeiten muss.“

Zurück im kalten Deutschlan­d macht es ihm der Temperatur­unterschie­d von 40 Grad nicht gerade leicht, täglich ins Boot zu steigen. Doch Bolg hat ein festes Ziel vor Augen. Der 22-Jährige, der derzeit eine Ausbildung bei der Bayerische­n Bereitscha­ftspolizei macht und seit Februar für den Sport freigestel­lt ist, will sich Ende April wieder für das deutsche U23-team qualifizie­ren – und Anschluss an die deutsche Spitze finden. „Der Ehrgeiz ist da. Deshalb will ich das Training natürlich den ganzen Winter über durchziehe­n. Eine Pause wäre da nicht so gut“, sagt er. Ähnliches gelte für alle Augsburger Spitzenfah­rer.

Wie beim AKV auch, wird bei den Kanu Schwaben nur das Trainingsp­rogramm der Schüler aufgrund der aktuellen Witterung aus Sicherheit­sgründen etwas zurückgefa­hren. „Der Nachwuchs geht dann für Spiele oder Athletiktr­aining in die Halle. Bei jungen Fahrern kommt es ja doch mal vor, dass sie ins Wasser fallen. Und da kann man bei diesen Temperatur­en wirklich krank werden“, sagt Bolg. Deshalb gilt natürlich auch für ihn: nach dem Training so schnell wie möglich ins Warme. „Der Körper darf auf keinen Fall auskühlen.“

Kanute Leo Bolg

 ??  ?? Der Augsburger Kajakfahre­r Leo Bolg trainiert bei –16 Grad auf der Kanuslalom Strecke am Eiskanal. Weil er sich für die deut sche U23 Mannschaft qualifizie­ren will, hält er auch bei dieser extremen Witterung durch.
Der Augsburger Kajakfahre­r Leo Bolg trainiert bei –16 Grad auf der Kanuslalom Strecke am Eiskanal. Weil er sich für die deut sche U23 Mannschaft qualifizie­ren will, hält er auch bei dieser extremen Witterung durch.

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