Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Das Brechtfestival 2018 Bazon Brock: „Das ist reiner Faschismus“
Interview Nachdem ihm Festivalleiter Wengenroth und Mitdiskutantin Sargnagel mit harten Worten die Schuld am Podium-desaster vom Sonntag gegeben haben, schlägt der Kunsttheoretiker nun in voller Härte zurück
Herr Brock, Sie wurden von der Mitdiskutantin Stefanie Sargnagel aber auch dem Leiter des Brechtfestivals, Patrick Wengenroth, harsch kritisiert für Ihr Auftreten. Sie hätten durch „Wissens-chauvinismus“und ihre „tyrannische“Art das Scheitern der Podiumsdiskussion verschuldet. Bazon Brock: Der Vorwurf des „Wissens-chauvinismus“ist schon begrifflicher Unsinn. Aber was der Herr Wengenroth offenbar ausdrücken will, ist, dass jeder, der etwas weiß, damit denen überlegen ist, die nichts wissen – und das ist verboten. Das heißt: Der Zustand unserer heutigen Gesellschaft wird dadurch gekennzeichnet, dass wir uns dem untersten Niveau anzugleichen haben, um alle mitzunehmen – so sinkt das gesamte Niveau auf das niedrigste. Und dafür steht offenbar auch der Herr Festivalleiter und steht die Frau Sargnagel. Alles, was da gesagt wird, ist reiner Mumpitz – aus Ohnmacht. Das heißt: Die Leute kapieren, dass sie zu blöd sind, um sich dem Thema zu stellen; und dann werfen sie das allen, die dem Thema gewachsen sind, vor. Nämlich: Ihre eigene Dummheit ist als demokratische Forderung durchzusetzen – wir bestehen auf unserer Dummheit, und jeder, der das nicht akzeptiert, ist ein Chauvinist. Andersrum: Der Alterschauvinismus, der mir hier entgegengebracht wird mit dem Gerede vom „blasierten alten Mann“und ähnlichem – das ist reiner Faschismus. Alte zu diskriminieren, weil sie alt sind, und zu sagen, hoffentlich sie bald, ist das Signum des Faschismus in aller Klarheit. Diese Menschen müssten den Vorwurf des Faschismus gegen sich selbst erheben, weil sie Faschisten sind, können das aber nicht zulassen, weil sie sonst erledigt wären, und projizieren das darum auf andere.
Lag das Scheitern nicht eher an Organisation und Moderation? Brock: Sie müssen bedenken, dass man Podiumsdiskussionen gegenüber immer so etwas sagt. Das Ent- scheidende ist ja: Alle sind immer enttäuscht; aber diese Enttäuschung ist dann die Hoffnung dafür, das dann doch irgendwann richtiger und besser zu erleben. Deswegen gehen alle Menschen, die von Podiumsdiskussionen enttäuscht sind, beim nächsten Mal wieder hin. Das ist eine innere Dynamik. Natürlich kann die Erwartung von so vielen Leuten nicht erfüllt werden, ein bis zwei Drittel werden immer enttäuscht, weil das Thema in eine andere Richtung ging, als diese Mensterben schen es sich vorgestellt haben. Was ich aber vermisst habe, ist: Dass irgendeiner etwas zu dem gesagt hätte, was ich gesagt habe. Aber offensichtlich war das, was ich gedacht und strukturiert vorgetragen habe, den Leuten unheimlich, und sie haben es völlig sein lassen. Und es wurde ja behauptet, ich habe am längsten gesprochen und dominiert. Nein, beide Frauen haben länger gesprochen – das hat jetzt einer auch durch die Messung der Aufzeichnung nachgewiesen, die hoffentlich bald veröffentlicht wird. Woher kommt der Eindruck, dass ich dominiere: Aus der Tatsache, dass ich Sachen durchgedacht habe und dass ich mich nicht auf mein zufälliges kleines Herumhantieren verlasse, sondern dahinter stecken Überlegungen grundsätzlicher Art.
Hat es überhaupt noch Sinn, sich einer solchen Podiumsdiskussion zu stellen? Brock: Das ist eine soziale Form, meistens ja sogar mit bis zu sechs Teilnehmern, das soll die Abbildung der Pluralität der Gesellschaft sein. Und man meint, dass damit alle Aspekte zur Geltung kommen. Aber wie alle Diskussionen in der Gesellschaft endet auch hier das Gespräch mit dem Ende der Zeit, aber nicht mit der gewonnenen Einsicht. Wenn es Bilder der Gesellschaft sind, dann eben auf dieser Ebene, das muss man akzeptieren. So sieht die Gesellschaft aus. In diesem Fall war übrigens mit dem Veranstalter abgemacht – und das ist der Skandal schlechthin –, dass ich meine Position 15 Minuten lang vortragen darf; erst kurz vorher, hat man mir gesagt: Nein, wir machen das anders, die Zusage im Brief gilt nicht. Da hätte ich wahrscheinlich sagen sollen: Gut, auf Wiedersehen. Aber man will das doch nicht stören, weil Publikum kommt und zwar reichlich – da macht man eben doch mit. Aber ich durfte eben nicht, was vertraglich abgemacht war, erfüllen – und damit begann bereits das Desaster. Denn sonst hätten ja die anderen auf das antworten müssen, was ich sage. Das war ein ganz klarer Verstoß gegen die Regeln.