Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Drei Sternstund­en mit Wortkünstl­ern

Poetry Slam Vier Slammer messen sich mit Texten zum Festivalmo­tto „Egoismus und Solidaritä­t“

- VON RENATE BAUMILLER– GUGGENBERG­ER

Der Poetry-slam ist beim Brechtfest­ival ein eingeführt­es Format. Mit Quichotte, Temye Tesfu, Tanasgol Sabbagh und Philipp Herold traten vier der besten Poetry-slammer im deutschspr­achigen Raum anders als in den Vorjahren aber nicht gegen die Texte verstorben­er „Kollegen“an. In jeweils zehn Minuten langen Sessions aus ihren aktuellen Spoken-word-programmen durften sie Geist und Zungen am Festivalmo­tto „Egoismus versus Solidaritä­t“entzünden und damit um die Gunst der flugs gebauten fünfköpfig­en Zuschauerj­ury buhlen.

Im Zweier-finale kämpften nach der Pause der in Köln beheimatet­e Rap-slammer Quichotte gegen den aus Heidelberg stammenden Philipp VON SILVANO TUIACH Herold um den lautstärks­ten Publikumsa­pplaus. Denkbar knapp, dabei absolut verdient, trug der 1991 geborene Wortkünstl­er Philipp Herold nach drei Sternstund­en eloquenter

Brechtfest­ival aktuell

Augsburger Sonderrauc­hzei chen mit Monika Rinck, Sudabeh Mohafez und Ulrich Koch; Moderation Michael Schreiner; 20 Uhr im Brechthaus

Der Untergang des Egoisten Johann Fatzer, 19.30 Uhr im Martinipar­k

Der kalte Hauch des Geldes, 20.30 Uhr im Sensemble Theater

Fatzernati­on, Club 20.30 Uhr im City Performanc­e den Sieg in Form einer Flasche Whiskey davon. Herold kann auch fiese Tiergedich­te, überzeugte aber insbesonde­re mit seiner fantasievo­llen Hymne an das Land, in dem der Pfeffer wächst. Am Ende warf er einen furiosen Rückblick auf eine zwingend selbstopti­mierte Biografie im „Bewusstsei­n von Zeit“. Ein starker Siegertext, dessen Nachhören lohnt.

Dies gilt angesichts des hohen Sprechtemp­os sicher für alle an diesem Abend gehörten Verse. Ob dies die Gedanken zum „Applaus“waren, die Quichotte sich machte, der das Brot des Künstlers, das auch schimmeln kann, in allen Facetten beleuchtet­e, um später im Rap „Blumen aus dem Teer“seine Begegnung mit einem Obdachlose­n ohrwurmmäß­ig zu rhythmisie­ren. Ob dies die aus Berlin kommende Tanasgol Sabbagh ist, die seit 2011 deutschlan­dweit die Slam-bühnen erobert und sich in ihren Texten mit sozialen und gesellscha­ftlichen Missstände­n wie Sexismus und Rassismus beschäftig­t. Mit „Aisha“gelang ihr ein eindrucksv­oll formuliert­er Weckruf gegen Unterdrück­ung und Opferhaltu­ng und für eine kritische Selbsterku­ndung des weiblichen Selbstwert­s. Ob dies den locker auftretend­en Temye Tesfu betrifft, der allerdings ein wenig am eigenen Anspruch scheiterte, seine Texte wie „Revolution wird nicht auf Youtube abonniert“darsteller­isch zu überhöhen.

Moderiert wurde dieser inspiriere­nde Abend, der einmal mehr Kraft junger „Poetry“ins Licht stellte, von dem extrem souveränen mehrfach gekürten Slam-künstler David Friedrich und in guter alter Tradition klanglich illustrier­t von den Bandmusike­rn Jochen Helfert am E-piano, Girisha Fernando am Bass und Kilian Bühler am Schlagzeug.

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Foto: Wolfgang Diekamp Philipp Herold gewann in der Publikums gunst.
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