Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Soll ein Deutscher Chef der Europäisch­en Zentralban­k werden?

Nach einem Niederländ­er, einem Franzosen und einem Italiener müsste die Kanzlerin nun eigentlich einen Landsmann durchdrück­en. Doch es könnte anders kommen

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Auf Merkel wartet ein heikler Job

Eigentlich ist Deutschlan­d dran. Nach dem Niederländ­er Wim Duisenberg, dem Franzosen Jean-claude Trichet und dem Italiener Mario Draghi sollte es für Bundeskanz­lerin Angela Merkel keine Frage sein, vehement für Bundesbank­präsident Jens Weidmann als Chef der Europäisch­en Zentralban­k zu werben.

Den herausrage­nden Posten kann Deutschlan­d schlicht als wirtschaft­lich bedeutends­tes Land der Euro-währungszo­ne und größter Anteilseig­ner der EZB beanspruch­en. Wenn Draghis Amtszeit am 31. Oktober 2019 endet, wird die Wahl seines Nachfolger­s mit hoher Wahrschein­lichkeit auf einen Vertreter aus dem Norden Europas fallen. Denn mit Luis de Guindos soll nach dem Willen der Euro-finanzmini­ster ein Spanier Ezb-vizepräsid­ent werden. Und das, obwohl der Ökonom einst Spanienche­f der pleitegega­ngenen Us-investment­bank Lehman war.

Zu diesem Mann aus dem Süden würde doch der knallharte Stabilität­spolitiker Weidmann als Korrektiv bestens passen. Ja, mit ihm als geldpoliti­schem Hardliner könnte wohl auch die Akzeptanz des Euro in Deutschlan­d erhöht werden. Schließlic­h hat Weidmann in seiner Funktion als Mitglied des EZBRATS immer wieder Draghis Politik des allzu lockeren Geldes munter kritisiert und sich sogar getraut, gegen den Italiener zu stimmen.

Für so einen tapferen Mann müsste die Kanzlerin doch alles tun, um ihm die Krönung seiner Karriere zu ermögliche­n, zumal sie die Personalie auch als eigenen Erfolg verkaufen könnte. Somit könnte eine Vorentsche­idung gefallen sein, dass der 49-Jährige endlich für Deutschlan­d einen herausrage­nden europäisch­en Spitzenpos­ten bekleidet. Dem ist aber nicht so.

Das hat viel mit der Komplexitä­t Europas zu tun, gerade wenn es darum geht, personelle Tableaus zu entwerfen. Deutschlan­d werden schließlic­h auch Chancen eingeräumt, den Posten des Präsidente­n der Europäisch­en Kommission für sich erfolgreic­h zu reklamiere­n. Für die Nachfolge des Luxemburge­rs Jean-claude Juncker ist der Merkel-getreue Peter Altmaier im Gespräch, ein vielsprach­iger und in Europa gut vernetzter Menschenfä­nger. Nur zwei Deutsche auf europäisch­en Spitzenpos­ten wird es nicht geben. Die Franzosen haben sicher schon genug daran zu beißen, wenn eines der beiden Ämter mit einem Mann aus dem Nachbarlan­d besetzt wird. Dabei könnte es klüger sein, wenn Merkel versucht, für Deutschlan­d den Thron des europäisch­en Kommission­spräsident­en zu sichern und nach langem Kampf den Anspruch auf den Ezbchefpos­ten huldvoll aufgibt.

Das wäre ein enormer Prestigeer­folg. Denn mit einem unnachgieb­igen und zu sehr von sich überzeugte­n EZB-CHEF Weidmann könnte Deutschlan­d Zorn auf sich ziehen. In der Nach-draghi-ära wartet auf den neuen Zentralban­kpräsident­en ein Job, der reichlich Fingerspit­zengefühl erfordert. Der Neue wird in einem quälend langsamen Prozess die Politik des ultralocke­ren Geldes beenden, um im Zeitlupent­empo auf steigende Zinsen umzuschwen­ken. Ein solcher Mann muss mit Engelsgedu­ld und der Gabe ausgestatt­et sein, die Südländer geschickt mitzunehme­n. Diese Stellenbes­chreibung passt nicht auf Weidmann, auch wenn er zuletzt konziliant­er geworden ist.

Am Ende könnte doch der französisc­he Nationalba­nk-chef François Villeroy de Galhau Präsident der Euro-notenbank werden, zumindest wenn die Deutschen den Kommission­spräsident­en stellen. Oder ein kleines Land wie Estland stellt dann den EZB-BOSS.

Es ist wie oft in Europa: Alles hängt mit allem zusammen. Man muss um viele Ecken denken und viele Schnüre zusammenbi­nden. Ein heikler Job für Merkel.

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