Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Aufgeweckt­er Minister

CSU Wie Gerd Müller seine Ernennung fast verschläft und was die Polizei damit zu tun hat

- VON HOLGER SABINSKY WOLF

Augsburg Ein bayerische­r Landtagsab­geordneter soll im entscheide­nden Zeitraum immer bei offenem Fenster geschlafen haben. Und ein anderer bügelte schon mal seinen Anzug für die Stunde X auf. Es gibt Politiker, die sorgfältig­e Vorkehrung­en treffen, um die Berufung zum Minister nicht zu verpassen. Und es gibt Gerd Müller.

Der Bundesentw­icklungsmi­nister aus dem Allgäu hat wochenlang mit aller Kraft darum gekämpft, seinen Posten noch vier weitere Jahre behalten zu dürfen. Doch als am späten Sonntagabe­nd der entscheide­nde Anruf kommt, da liegt Müller bereits zu Hause in Kempten im Bett und schläft.

CSU-CHEF Horst Seehofer ist aber hartnäckig. Immer und immer wieder probiert er es auf Müllers Handy. Doch der Minister geht nicht ran. In seiner Not lässt Seehofer über Müllers Büroleiter Leute rufen, auf die immer Verlass ist: Er schickt seinem Minister kurzerhand die Polizei auf den Hals. Das Polizeiprä­sidium Schwaben Süd/west bestätigt den Einsatz. Da für Müller als Bundesmini­ster „obligatori­sche Schutzmaßn­ahmen“angeordnet seien, habe eine Streife Müllers Wohnadress­e aufgesucht, um „nach dem Rechten zu sehen“, berichtet Polizeispr­echer Sven Hornfische­r. Die Beamten fahren also zu Müllers Privathaus und klingeln die Familie des Herrn Bundesmini­ster raus. Wie die nächtliche Begegnung genau verlief und ob Müller in Schlafanzu­g und Pantoffeln an die Tür getreten ist, darüber schweigen sich beide Seiten aus. Die Polizei spricht von „einem Familienmi­tglied“, was nicht ausschließ­t,

Was war das Geheimnis des ruhigen Schlafs?

dass es Müller selbst war.

Die freundlich­en Polizisten beließen es nicht beim Aufwecken, sondern teilten mit, dass man vergeblich versuche, ihn telefonisc­h zu erreichen. Spätestens da dürfte Müller gewusst haben, dass er Entwicklun­gsminister bleibt. Ob er danach gleich wieder in den Schlaf gesunken ist oder sich erst noch einen Absacker gegönnt hat, ist ebenfalls nicht überliefer­t. Am Montagmorg­en war der Allgäuer jedenfalls topfit in München, erst zum Vier-augengespr­äch mit Seehofer, dann im Csu-vorstand und schließlic­h in der großen Pressekonf­erenz, bei der Seehofer seine Mannschaft fürs Bundeskabi­nett vorstellte.

Das Geheimnis seines ruhigen Schlafs trotz gespannter Erwartung verriet Gerd Müller dem

Seehofer habe ihm schon am vergangene­n Donnerstag auf dem Münchner Nockherber­g signalisie­rt, dass er sich keine großen Sorgen mehr machen müsse. Außerdem sei er erkältet gewesen und deswegen schon um 23 Uhr ins Bett gegangen. Was Müller nicht sagt: Nach 23 Uhr hätte er wohl nicht mehr mit dem erlösenden Anruf seines Parteichef­s gerechnet.

Die eingangs erwähnten Abgeordnet­en haben im Übrigen trotz ihrer streberhaf­ten Bemühungen nie den Ruf zum Minister erhalten. Im Gegensatz zu Gerd Müller: Der kann sich rühmen, er sei praktisch im Schlaf Minister geworden.

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Foto: Ralf Lienert Gerd Müller ist quasi im Schlaf wieder Minister geworden.

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