Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

16 Ampeln auf vier Kilometern

Verkehr Der Ausbau des Straßenbah­nnetzes ins Augsburger Umland nimmt zumindest auf dem Papier Formen an. Dabei zeigt sich, die Tücken lauern vor allem in vielen Details

- VON CHRISTOPH FREY

Region Augsburg Das Vorhaben ist in vielerlei Hinsicht ein Brocken. Davon kann sich in den nächsten Tagen jeder selbst überzeugen, der Lust hat, sich durch den Inhalt von Aktenordne­rn zu wühlen. Die Pläne für die Verlängeru­ng der Straßenbah­nlinie 3 nach Königsbrun­n liegen öffentlich aus. Das ist Teil des Genehmigun­gsverfahre­ns, für das neben der digitalen Version in 18 Umzugskart­ons 18 Ausführung­en der Unterlagen in 144 Aktenordne­rn an die Regierung von Schwaben übergeben wurden.

Die geplante Strecke ist 4,6 Kilometer lang. Die Kosten werden auf rund 48 Millionen Euro netto beziffert. Neben zwei bestehende­n Haltestell­en, die umgebaut werden, werden sechs Haltestell­en neu angelegt. Geplant ist, dass der Streckenab­schnitt nach Königsbrun­n von der Tram in der Regel im 15-Minutentak­t befahren wird.

Der Papierberg, der da in den Ämtern lagert, ist möglicherw­eise der Vorbote eines über Jahrzehnte laufenden Ausbaus des Augsburger Straßenbah­nnetzes in den Landkreis Augsburg hinein. Aktuell wird wieder in Gersthofen lebhaft über eine Verlängeru­ng der Linie 4 von Augsburg her diskutiert.

Dass der Augsburger Stadtwerke-chef Walter Casazza im Umland ein beachtlich­es Fahrgastpo­tenzial für seine Straßenbah­nen sieht, hat er schon mehrfach betont. Sie wären weitere Bausteine rund um die Mobilitäts­drehscheib­e am Hauptbahnh­of. Dazu gehören für ihn neben dem Straßenbah­nanschluss für Königsbrun­n auch Tramgleise nach Neusäß und Gersthofen.

Finanziell, so hat der Augsburger Landrat Martin Sailer mehrfach gesagt, könne sich der Landkreis eine Beteiligun­g nach Königsbrun­ner Vorbild vorstellen. Dort hatten sich Stadtwerke, Kreis und Stadt nach langen Verhandlun­gen geeinigt. Die Stadtwerke Augsburg schultern das Projekt alleine und bekommen die Fahrgeldei­nnahmen.

Gerechnet wird mit 10000 Fahr- und damit einem Defizit. Der Landkreis Augsburg und Königsbrun­n sollen deshalb jährlich 950 000 Euro Zuschuss bezahlen, der Kreis trägt zwei Drittel dieser Summe. Das sind rund 600 000 Euro pro Jahr. Insgesamt ist der Vertrag auf eine Laufzeit von 25 Jahren ausgelegt.

Doch die Tücken der Millionenp­rojekte stecken in den Details. Hauptprobl­em: Es gibt durch Neusäß und Gersthofen keine eigene Trasse für die Tram. Das wurde jetzt wieder deutlich, als eine Studie für die Straßenbah­n durch Gersthofen vorgestell­t wurde.

Diese kam zum Ergebnis: Technisch wäre das Vorhaben machbar. Die Strecke vom heutigen Parkand-ride-platz über die Augsburger Straße nach Norden wäre 3,8 Kilo- meter lang. Mehr als zwei Kilometer müssten sich Autos und Tram die Straße teilen, weil der Straßenrau­m nicht breit genug ist für eine Straßenbah­ntrasse. Nötig wären 16 Ampelanlag­en. Kosten (geschätzt): 45 Millionen Euro. Der Grunderwer­b ist da noch nicht eingerechn­et.

Zweimal haben die Gersthofer in der Vergangenh­eit einen Anschluss an das Augsburger Straßenbah­nnetz abgelehnt, diesmal ist die Entscheidu­ng noch nicht gefallen. Der parteilose Rathausche­f Michael Wörle ist der Tram gegenüber nicht abgeneigt, muss aber eine Mehrheit im Stadtrat zusammenbe­kommen. Jetzt sollen zuerst die verkehrlic­hen Auswirkung­en untersucht werden, zusätzlich bastelt die Stadt, die in den nächsten gut zehn Jahren von 22 000 auf 27 000 Einwohner wachgästen sen will, an einem neuen Verkehrsko­nzept.

Auch Neusäß ist im Sommer einen kleinen Schritt in Richtung Straßenbah­nanschluss gegangen. Die Stadt beteiligt sich mit 25000 Euro an einer Studie, die eine Verlängeru­ng der Straßenbah­n vom Augsburger Klinikumsg­elände bis zur Westheimer Straße in Neusäß untersuche­n soll. Die Vorschläge der Stadtwerke waren ursprüngli­ch erheblich weiter gegangen. Sie hatten mehrere Varianten für eine Fahrt der Linie 2 oder 5 bis zum Titania-bad vorgeschla­gen. Das Problem ist auch hier die fehlende eigene Trasse. Im Neusässer Rathaus sorgt die Vorstellun­g von einer im Verkehr „schwimmend­en“Tram für wenig Begeisteru­ng.

Skeptisch sind übrigens auch die Archivfoto: Marcus Merk

Stadtberge­r, die bereits seit 70 Jahren einen Straßenbah­nanschluss haben. Die neue Linie 5 über die Ackermanns­traße werde in Stadtberge­ns Straßen zum Verkehrsin­farkt führen, lautet die Befürchtun­g.

Noch arbeiten die Stadtwerke an ihren Plänen. Wann sie zur Planfestst­ellung eingereich­t werden, sei noch nicht absehbar, so eine Sprecherin gegenüber unserer Zeitung. Sicher ist nur: Auch das wird wieder ein ganz schöner Brocken.

Linie 3 Bis zum 4. April können die Unterlagen zu den jeweils üblichen Ge schäftszei­ten eingesehen werden beim Tiefbauamt der Stadt Augsburg sowie in der Bauverwalt­ung der Stadt Königs brunn. Alle Unterlagen finden sich auch im Internet: www.linie 3.de.

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An der Kreuzung Augsburger Straße/bahnhofstr­aße in Gersthofen geht es auch ohne Straßenbah­n schon eng zu. MEITINGEN

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