Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
16 Ampeln auf vier Kilometern
Verkehr Der Ausbau des Straßenbahnnetzes ins Augsburger Umland nimmt zumindest auf dem Papier Formen an. Dabei zeigt sich, die Tücken lauern vor allem in vielen Details
Region Augsburg Das Vorhaben ist in vielerlei Hinsicht ein Brocken. Davon kann sich in den nächsten Tagen jeder selbst überzeugen, der Lust hat, sich durch den Inhalt von Aktenordnern zu wühlen. Die Pläne für die Verlängerung der Straßenbahnlinie 3 nach Königsbrunn liegen öffentlich aus. Das ist Teil des Genehmigungsverfahrens, für das neben der digitalen Version in 18 Umzugskartons 18 Ausführungen der Unterlagen in 144 Aktenordnern an die Regierung von Schwaben übergeben wurden.
Die geplante Strecke ist 4,6 Kilometer lang. Die Kosten werden auf rund 48 Millionen Euro netto beziffert. Neben zwei bestehenden Haltestellen, die umgebaut werden, werden sechs Haltestellen neu angelegt. Geplant ist, dass der Streckenabschnitt nach Königsbrunn von der Tram in der Regel im 15-Minutentakt befahren wird.
Der Papierberg, der da in den Ämtern lagert, ist möglicherweise der Vorbote eines über Jahrzehnte laufenden Ausbaus des Augsburger Straßenbahnnetzes in den Landkreis Augsburg hinein. Aktuell wird wieder in Gersthofen lebhaft über eine Verlängerung der Linie 4 von Augsburg her diskutiert.
Dass der Augsburger Stadtwerke-chef Walter Casazza im Umland ein beachtliches Fahrgastpotenzial für seine Straßenbahnen sieht, hat er schon mehrfach betont. Sie wären weitere Bausteine rund um die Mobilitätsdrehscheibe am Hauptbahnhof. Dazu gehören für ihn neben dem Straßenbahnanschluss für Königsbrunn auch Tramgleise nach Neusäß und Gersthofen.
Finanziell, so hat der Augsburger Landrat Martin Sailer mehrfach gesagt, könne sich der Landkreis eine Beteiligung nach Königsbrunner Vorbild vorstellen. Dort hatten sich Stadtwerke, Kreis und Stadt nach langen Verhandlungen geeinigt. Die Stadtwerke Augsburg schultern das Projekt alleine und bekommen die Fahrgeldeinnahmen.
Gerechnet wird mit 10000 Fahr- und damit einem Defizit. Der Landkreis Augsburg und Königsbrunn sollen deshalb jährlich 950 000 Euro Zuschuss bezahlen, der Kreis trägt zwei Drittel dieser Summe. Das sind rund 600 000 Euro pro Jahr. Insgesamt ist der Vertrag auf eine Laufzeit von 25 Jahren ausgelegt.
Doch die Tücken der Millionenprojekte stecken in den Details. Hauptproblem: Es gibt durch Neusäß und Gersthofen keine eigene Trasse für die Tram. Das wurde jetzt wieder deutlich, als eine Studie für die Straßenbahn durch Gersthofen vorgestellt wurde.
Diese kam zum Ergebnis: Technisch wäre das Vorhaben machbar. Die Strecke vom heutigen Parkand-ride-platz über die Augsburger Straße nach Norden wäre 3,8 Kilo- meter lang. Mehr als zwei Kilometer müssten sich Autos und Tram die Straße teilen, weil der Straßenraum nicht breit genug ist für eine Straßenbahntrasse. Nötig wären 16 Ampelanlagen. Kosten (geschätzt): 45 Millionen Euro. Der Grunderwerb ist da noch nicht eingerechnet.
Zweimal haben die Gersthofer in der Vergangenheit einen Anschluss an das Augsburger Straßenbahnnetz abgelehnt, diesmal ist die Entscheidung noch nicht gefallen. Der parteilose Rathauschef Michael Wörle ist der Tram gegenüber nicht abgeneigt, muss aber eine Mehrheit im Stadtrat zusammenbekommen. Jetzt sollen zuerst die verkehrlichen Auswirkungen untersucht werden, zusätzlich bastelt die Stadt, die in den nächsten gut zehn Jahren von 22 000 auf 27 000 Einwohner wachgästen sen will, an einem neuen Verkehrskonzept.
Auch Neusäß ist im Sommer einen kleinen Schritt in Richtung Straßenbahnanschluss gegangen. Die Stadt beteiligt sich mit 25000 Euro an einer Studie, die eine Verlängerung der Straßenbahn vom Augsburger Klinikumsgelände bis zur Westheimer Straße in Neusäß untersuchen soll. Die Vorschläge der Stadtwerke waren ursprünglich erheblich weiter gegangen. Sie hatten mehrere Varianten für eine Fahrt der Linie 2 oder 5 bis zum Titania-bad vorgeschlagen. Das Problem ist auch hier die fehlende eigene Trasse. Im Neusässer Rathaus sorgt die Vorstellung von einer im Verkehr „schwimmenden“Tram für wenig Begeisterung.
Skeptisch sind übrigens auch die Archivfoto: Marcus Merk
Stadtberger, die bereits seit 70 Jahren einen Straßenbahnanschluss haben. Die neue Linie 5 über die Ackermannstraße werde in Stadtbergens Straßen zum Verkehrsinfarkt führen, lautet die Befürchtung.
Noch arbeiten die Stadtwerke an ihren Plänen. Wann sie zur Planfeststellung eingereicht werden, sei noch nicht absehbar, so eine Sprecherin gegenüber unserer Zeitung. Sicher ist nur: Auch das wird wieder ein ganz schöner Brocken.
Linie 3 Bis zum 4. April können die Unterlagen zu den jeweils üblichen Ge schäftszeiten eingesehen werden beim Tiefbauamt der Stadt Augsburg sowie in der Bauverwaltung der Stadt Königs brunn. Alle Unterlagen finden sich auch im Internet: www.linie 3.de.