Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Ein guter Plan braucht Zeit
ZVON DETLEF DREWES eitweise träumte Emmanuel Macron von der Neugründung der EU. Der Strauß der Ideen, den er vor einigen Monaten vor jungen Europäern an der Sorbonne-universität band, klang deutlich besser, als er bei genauer Betrachtung sein konnte. Nun ist die EU wieder in der Wirklichkeit angekommen.
Dass die Reformen der EU und der Währungsunion auf sich warten lassen, ist kein Fehler, sondern eine Chance. Weil nichts weniger als ein großer Gesamtentwurf nötig ist.
Bei dessen Abfassung wird ein deutsch-französischer Motor gebraucht. Aber der Widerstand der Nord-allianz gegen allzu viel Zentrierung auf die Brüsseler EU- und Euro-zentrale zeigt auch: Aus dem Vorauseilen von Berlin und Paris kann schnell ein Enteilen werden. Es mag richtig sein, dass die Eu-länder, die zu einer weitergehenden Integration bereit sind, vorangehen. Aber die Gefahr, dass sich andere überfordert fühlen und zurückbleiben, besteht. Für die Union kann das zu einem ernsten Problem werden, weil weder der Binnenmarkt noch die Währungsunion noch das Dublin-system lösbar sind, wenn Europa zu einem Durcheinander von 27 Staaten wird, die auf unterschiedlichem Niveau miteinander verbandelt sind.
Deshalb sollten sich Merkel und Macron Zeit für einen abgewogenen europäischen Umbauplan nehmen, den sie mit anderen abstimmen und Platz für jene lassen, die noch nicht so weit sind. Nur dann ist die Gemeinschaft reformfähig. bar. In der vergangenen Woche schickten die Finanzminister der Niederlande, Dänemarks, Irlands, Schwedens, Finnlands und der baltischen Staaten einen gemeinsamen Brief nach Brüssel. Tenor: Weitere Kompetenz-verlagerungen nach Brüssel sind nicht gewünscht. „Am Ende müssen wir einen Konsens darüber finden, was wir unbedingt brauchen, nicht darüber, was einige gerne hätten“, heißt es in dem Schreiben. Die Skepsis gegen einen allzu starken deutsch-französischen Motor ist verbreitet.
Den Euro-finanzministern blieb gestern deshalb kaum mehr als die auf Halde liegenden Vorhaben zur Bankenunion wiederzubeleben, ohne allzu große Fortschritte erreichen zu können. Nach wie vor wehren sich Deutschland und einige wirtschaftsstarke Nationen gegen die Einführung einer gemeinsamen Verantwortung für die Sorgenkinder der EU. Die Bundesrepublik werde „keine Haftung für andere übernehmen, solange diese ihre Risiken nicht erfolgreich ausgeräumt hätten“, bekräftigte Altmaier die von seinem Vorgänger Wolfgang Schäuble seit Jahren propagierte Linie. Dabei gilt das Projekt einer europäischen Einlagensicherung als der letzte noch nicht fertiggestellte Pfeiler der Bankenunion. Die Bauarbeiten sind zum Erliegen gekommen. Das liegt nicht nur an Macron, der sich europapolitisch noch bedeckt hält.
Hinzu kommt, dass es noch keinen Konsens gibt, wer welche Interessen bei der Besetzung von Topjobs hat und wer seine Interessen wie durchsetzen will. 2019 wird die komplette Eu-spitze ausgewechselt – Kommissionspräsident, Präsident der Europäischen Zentralbank, Rats- und Parlamentspräsident. Macron hat noch nicht einmal durchblicken lassen, ob er ein Spitzenkandidaten-modell bei der Europawahl mittragen will.
Dass es am Ende zu einem Gesamtpaket aus Eu-reform und Personalentscheidungen kommen dürfte, ist absehbar. Der große Wurf einer Eu-reform inklusive Neuformierung der Währungsunion erscheint deshalb auf absehbare Zeit kaum realistisch.