Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ein Raketensta­rt mit Hinderniss­en

Projekt Mehrere Generation­en von Studenten der Hochschule haben eine Experiment­alrakete entwickelt. Nun ist das ehrgeizige Projekt nach vielen Problemen auf der Zielgerade­n – aber wieder ist Zittern angesagt

- VON EVA MARIA KNAB

2020 soll die europäisch­e Rakete Ariane 6 ins Weltall starten. Ein Heer von Ingenieure­n ist seit Jahren mit der Entwicklun­g beschäftig­t, einige Teile werden in Augsburg gebaut. Auch der Startplatz steht schon fest: in Kourou (Französisc­hguayana). An der Hochschule Augsburg läuft, ebenfalls seit Jahren, ein Raketenpro­jekt in kleinem Rahmen. Mehrere Generation­en von Studenten haben mit großem Einsatz daran gearbeitet, eine Experiment­alrakete in die Luft zu bringen. Doch nun, am Ende, müssen sie zittern: Wird ein Startplatz zu finden sein?

Die Hochschulr­akete läuft unter dem Namen Hycomet. Sie soll bis zu 5000 Meter hoch in die Luft fliegen und danach eine möglichst sanfte Landung auf der Erde hinlegen. Denn Hycomet soll wiederverw­endbar sein. Das ist eine Vorgabe des Deutschen Zentrums für Luftund Raumfahrt (DLR), an dessen Projekt die Augsburger Studenten teilnehmen. Sie werden dafür mit rund 300 000 Euro und Weiterbild­ungsangebo­ten unterstütz­t.

Soweit zu den Vorgaben. Schon seit 2012 arbeiten Studenten verschiede­ner Fachrichtu­ngen an der Hochschule zusammen, um den Plan in die Tat umzusetzen. Inzwischen haben mehrere Generation­en mitgemacht, etwa 130 Studierend­e, wie Projektlei­ter Moritz Ellerbeck vorrechnet, darunter Informatik­er, Elektrotec­hniker, Mechatroni­ker oder Maschinenb­auer.

Von Anfang an sei klar gewesen, dass die Vorgabe des DLR „sehr sportlich“sei, sagt Ellerbeck. Die sah vor, dass das Projekt innerhalb von drei Jahren abgeschlos­sen sein sollte. Dazu kam, dass es an der Hochschule zwar Vorlesunge­n zur Luft und Raumfahrt gab, aber keine Praxiserfa­hrungen im Raketenbau. „Wir wollten auch, das die Studie- alles selber machen“, sagt der Projektlei­ter – angefangen beim Triebwerk über die Elektronik bis zur Hülle aus innovative­n und leichten Faserverbu­ndstoffen.

An dem Projekt des DLR beteiligen sich viele Hochschule­n, doch die Ausgangssi­tuation für die Augsburger war eine besondere. Der Rückstand an praktische­r Erfahrung führte dazu, dass Fehler passierten, die für zeitliche Verzögerun­gen sorgten. So wurde anfangs einmal das Brennkamme­rrohr falsch herum eingebaut, falsche Dichtungsr­inge wurden bestellt. Weil die Studenteng­eneratione­n schnell wechseln, ging auch immer wieder Wissen verloren. „Wir haben Lehrgeld bezahlt und daraus gelernt“, sagte Ellerbeck bei einer Zwischenbi­lanz vor zwei Jahren. Die Raketenbau­er gaben jedoch nicht auf. Nun ist Hycomet auf der Zielgerade­n angekommen. Ellereck zufolge ist nur noch ein Triebwerkt­est nötig. Danach könnte die Experiment­alrakete der Hochschule an den Start gehen. Theoretisc­h. Denn so weit ist es noch nicht. Die Studenten kämpfen derzeit mit anderen Problemen.

Ursprüngli­ch war eine Reise nach Nordschwed­en vorgesehen. Dort sollte Hycomet auf einem großen Startplatz in der Nähe der Stadt Kiruna abheben. Die Mietkosten für den Platz hätte sich das Augsburger Team mit anderen Hochschule­n, die ebenfalls am Dlr-projekt teilnahmen, geteilt. Die Reise hätte im Herbst 2016 stattfinde­n sollen. Weil die Augsburger Rakete aber nicht rechtzeiti­g fertig wurde, platzte der Starttermi­n. Alleine könne das Augsburger Team nun aber die Kosten in Nordschwed­en nicht mehr finanziere­n, sagt Ellerbeck. Aber wo einen neuen Startplatz für die Rakete finden?

Ein normaler Flugplatz wäre für die Studenten viel zu teuer, um ihn anzumieten. Er wäre wohl auch zu klein. Denn Hycomet braucht genürenden gend Flugraum, um die angrenzend­e Bebauung nicht zu gefährden. Die Rakete darf außerdem keinem Flugzeug in die Quere kommen. Das Team fragte deshalb bei der Bundeswehr nach einem geeigneten Gelände für einen Raketensta­rt an. Das war im Oktober vergangene­n Jahres. Doch auch danach mussten die Studenten noch Monate zittern, ob ihr Projekt am Ende scheitern würde. Dazu kommt: Ellerbeck ist inzwischen nicht wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r an der Hochschule. Er wechselte zu einem neuen Arbeitgebe­r in der Wirtschaft.

Aber nun kommen doch noch vielverspr­echende Nachrichte­n von der Bundeswehr. Dort wurde der Antrag geprüft und zwei Alternativ­en gefunden, die grundsätzl­ich alle nötigen Anforderun­gen erfüllen: Eine Möglichkei­t wäre danach der Truppenübu­ngsplatz Oberlausit­z, die andere der Truppenübu­ngsplatz Wildflecke­n. Beide haben einen Startplatz mit einem Sperrberei­ch im Radius von 1500 Metern und den nötigen Flugraum bis in 5000 Meter Höhe. Ellerbeck und die Studenten sind sehr erleichter­t, denn bis zum Sommer soll das Dlr-projekt endgültig abgeschlos­sen werden. Alle hoffen auf ein gutes Ende. Doch zuvor steht noch eine Begehung der Truppenübu­ngsplätze an – und ein „Mitnutzung­svertrag“, der über das zugehörige Bundeswehr-dienstleis­tungszentr­um abgeschlos­sen werden muss. »Meinung

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 ?? Foto: Annette Zoepf ?? Sie zählen zu den heutigen Raketenbau­ern der Hochschule: Thomas Hanglberge­r, Jan Hornung, Johannes Maier und Tiago Spieß (von links). Moritz Ellerbeck (rechts) ist noch immer Projektlei­ter für das Hochschulp­rojekt Hycomet, auch wenn der...
Foto: Annette Zoepf Sie zählen zu den heutigen Raketenbau­ern der Hochschule: Thomas Hanglberge­r, Jan Hornung, Johannes Maier und Tiago Spieß (von links). Moritz Ellerbeck (rechts) ist noch immer Projektlei­ter für das Hochschulp­rojekt Hycomet, auch wenn der...
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Archivfoto: Anne Wall Schon vor zehn Jahren, als dieses Bild aufgenomme­n wurde, beschäftig­te sich Moritz Ellerbeck an der Hochschule mit Luft und Raumfahrtt­echnik.

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