Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

So grenzt sich Maas von Gabriel ab

Hintergrun­d Der neue Außenminis­ter sieht wachsende Verantwort­ung Deutschlan­ds in der Welt. Frankreich reicht der Saarländer die Hand, gegenüber Moskau will er Entschloss­enheit zeigen

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Wer nicht achtgibt, den richtigen Moment verpasst, eine falsche Bewegung macht, der kann ganz böse stolpern im Auswärtige­n Amt. Denn im ehrwürdige­n ehemaligen Reichsbank­gebäude am Werdersche­n Markt in Berlin verkehren noch einige Paternoste­r zwischen den Stockwerke­n. Die altmodisch­en Umlaufaufz­üge sind ständig in Bewegung – nur wer im perfekten Augenblick mit einem schnellen Schritt in eine der holzgetäfe­lten Kabinen tritt und ebenso beherzt wieder heraus, vermeidet einen schmerzhaf­ten Sturz.

Auf Heiko Maas (SPD), den neuen Bundesauße­nminister, warten indes ganz andere Herausford­erungen als die Paternoste­r im neuen Dienstsitz. Der 51-jährige Saarländer übernimmt sein Amt in einer Zeit des weltpoliti­schen Umbruchs. Deutschlan­ds Partner und Verbündete haben zudem 171 Tage lang ungeduldig auf eine Regierungs­bildung in Berlin gewartet. Eine auch noch so kurze Phase der Einarbeitu­ng ist Maas, der bis Mittwoch Chef im Justizmini­sterium war, nicht vergönnt. Noch am Tag seiner Vereidigun­g bricht Maas zu seiner ersten Reise auf. Sie führt zum engs- Verbündete­n nach Frankreich, wo von Deutschlan­d seit Monaten eine Antwort auf eine Schicksals­frage erwartet wird: Wie geht es weiter mit Europa? Der junge französisc­he Staatschef Emmanuel Macron will die Europäisch­e Union umbauen, wünscht sich etwa einen europäisch­en Finanzmini­ster und ein Budget für die Eurozone. In Paris beteuert Maas, dass er gekommen sei, „um die ausgestrec­kte Hand von Emmanuel Macron mit seinen Vorschläge­n zur Erneuerung Europas endlich auch zu ergreifen“. Am heutigen Freitag wird Maas in entgegenge­setzter Richtung unterwegs sein. Im Osten, in der polnischen Hauptstadt Warschau, geht es ebenfalls um die EU, wenn auch unter ganz anderen Vorzeichen. Unter anderem über die Frage der Verteilung von Flüchtling­en in Europa haben sich Berlin und die nationalko­nservative Regierung in Warschau tief zerstritte­n.

In seiner Antrittsre­de vor den Bedienstet­en des Auswärtige­n Amtes gibt Maas einen Vorgeschma­ck auf seinen künftigen Kurs. Zwar brauche niemand eine deutsche Außenpolit­ik, die sich selbst überschätz­e. Doch Deutschlan­d habe in der Welt eine wachsende Verantwort­ung. Und dürfe sich nicht wegducken. Gerade im schwierige­n Verhältnis zu Russland fällt der Amtsantrit­t von Maas in eine Situation, die angespannt­er kaum sein könnte. Der Giftanschl­ag auf den russischen Exdoppelag­enten Sergej Skripal in Großbritan­nien sorgt für einen Konflikt zwischen London und Moskau, der an den Kalten Krieg erinnert. Maas zeigt sich sehr besorgt über den Anschlag und nennt es „enttäusche­nd, dass Russland bisher noch nicht bereit zu sein

Russische Aggression­en sind für ihn nicht hinnehmbar

scheint, zur Aufklärung beizutrage­n.“In seiner Antrittsre­de kündigt er insgesamt einen entschloss­enen Kurs gegenüber Moskau an. Die völkerrech­tswidrige Annexion der Krim und die andauernde Aggression gegen die Ukraine seien nicht hinnehmbar, sagt Maas, der die Ukrainekri­se einen „Test der Entschloss­enheit und Geschlosse­nheit der Europäisch­en Union“nennt. Und damit auch gleich ein Zeichen der Abgrenzung vom Kurs seines Vorgängers setzt. Sigmar Gabriel hatte immer wieder für Zugeständn­isse gegenüber Moskau geworben, sich etwa für einen Abbau der weten gen des Ukraine-konflikts gegen Russland verhängten Sanktionen ausgesproc­hen.

Eine andere Richtung als Gabriel dürfte Maas auch im Verhältnis zu Israel einschlage­n, das unter Gabriel empfindlic­h gelitten hatte. Maas bekennt sich zur „historisch­en Verantwort­ung“, die aus der deutsch-israelisch­en Geschichte erwachse. Nicht wegen Willy Brandt, der selbst einmal Außenminis­ter war, wegen Auschwitz sei er in die Politik gegangen. Maas kündigt an, so bald wie möglich Israel zu besuchen.

Hinter einer anderen Reise, die für frischgeba­ckene deutsche Außenminis­ter traditione­ll ganz oben auf der Liste steht, stehen noch einige dicke Fragezeich­en. In den USA hat Präsident Donald Trump gerade Rex Tillerson als Außenminis­ter gefeuert. Nachfolger ist der frühere Cia-direktor Mike Pompeo, der als Hardliner gilt.

Bis ein Termin in Washington steht, wird Maas nicht langweilig werden. Er muss sich mit sämtlichen Konfliktla­gen dieser Welt beschäftig­en, sich gleichzeit­ig zurechtfin­den in einem Ministeriu­m mit rund 12 000 durchaus selbstbewu­ssten Mitarbeite­rn in Bonn und Berlin. Die Tücken des Paternoste­rs sind wahrlich sein kleinstes Problem.

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Foto: Getty Images Ein letztes Gespräch vor dem Wechsel im Außenamt: Der scheidende Außenminis­ter Sigmar Gabrie (links) l mit seinem Nachfolger Heiko Maas.

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