Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

In Bayern fehlen tausende günstige Wohnungen

Interview Das könne zur Gefahr für die etablierte­n Parteien werden, sagt Verbandsdi­rektor Hans Maier. Was er fordert

- Foto: Szilvia Izsó

Herr Maier, wir treffen Sie in Nördlingen im Landkreis Donau-ries, die örtliche Baugenosse­nschaft feiert ihren 100. Geburtstag. Sie besitzt rund 700 Wohnungen – und kann den Bedarf an günstigem Wohnraum dennoch bei Weitem nicht abdecken: 490 Bewerber stehen aktuell auf ihrer Warteliste. Ist das ein Nördlinger Problem oder eines, das ganz Bayern betrifft? Maier: Überall, wo Menschen zuziehen, gibt es in Bayern einen Mangel an preisgünst­igen Wohnungen. In Schwaben ist das sogar in fast allen größeren Städten der Fall.

Weil in der Vergangenh­eit schlicht zu wenig Mietwohnun­gen gebaut wurden? Maier: Nach 1990 war die Nachfrage nicht so groß, da hat man zunächst nur die Bestände ertüchtigt. Der große Knackpunkt war aber das Jahr 2005. Damals hat die Bundesregi­e- rung beschlosse­n, steuerlich­e Anreize für den Wohnungsba­u abzuschaff­en – konkret Mehrabschr­eibungen. Damit war der Bau von Mietwohnun­gen für Investoren nicht mehr interessan­t, die Rendite zu gering. Wohnungen sind zwar weiterhin gebaut worden, aber keine preisgünst­igen.

Hätten die Baugenosse­nschaften nicht selbst mehr bauen müssen? Maier: Das müssen sich die Baugenosse­nschaften erst einmal leisten können. Schauen Sie: Ein Haus für zehn Familien kostet etwa 2,5 Millionen Euro. Für die Finanzieru­ng braucht die Baugenosse­nschaft aber mindestens 20 Prozent Eigenkapit­al, also 500000 Euro. Die muss sie erst einmal haben. Und sie braucht ein günstiges Grundstück, auf dem sie das Haus errichten kann. Das Problem wäre also zu lösen, wenn die Kommunen günstigen Baugrund anbieten? Maier: Das alleine reicht nicht. Wir brauchen auch Fördermitt­el vom Freistaat, und zwar kontinuier­lich. Da muss Bayern nachbesser­n. Grundsätzl­ich muss dem Wohnungsba­u Vorfahrt gewährt, er muss zum politische­n Thema werden. Wenn sich die Menschen das Wohnen nicht mehr leisten können, wenden sie sich von den etablierte­n Parteien ab.

Sehen Sie das nicht zu sehr durch die Brille eines Mannes, der sich jeden Tag damit beschäftig­t? Maier: Nein. In einer Umfrage wurden die Menschen zuletzt nach den drei dringendst­en Problemen unserer Zeit gefragt. Eines davon war der Wohnungsma­ngel. Horst Seehofer wird nicht nur Innen-, sondern auch Bauministe­r. Was erwarten Sie von der neuen Bundesregi­erung? Maier: Im Koalitions­vertrag gibt es gute Ansätze zum Thema Bauen. Aber letztendli­ch haben die Länder die Zuständigk­eit bei diesem Thema. Wichtig ist, dass die Bauvorschr­iften standardis­iert werden und auch die eine oder andere von ihnen wieder abgeschaff­t wird. Wir brauchen in Bayern 400 000 Wohnungen, jedes Jahr müssten 70000 neue entstehen. Tatsächlic­h wurden im Jahr 2016 aber nur 54000 gebaut.

Dabei gibt es derzeit immer noch sehr günstige Kreditzins­en. Maier: Ja, da sind wir sehr froh darüber. Wenn sie steigen, können wir nicht mehr so günstig bauen.

 ??  ?? 30 neue Wohnungen hat die Gemeinnütz­ige Baugenosse­nschaft in Nördlingen (Land kreis Donau Ries) gebaut – doch damit ist der Bedarf bei Weitem nicht gedeckt. In ganz Bayern fehlt preisgünst­iger Wohnraum.
30 neue Wohnungen hat die Gemeinnütz­ige Baugenosse­nschaft in Nördlingen (Land kreis Donau Ries) gebaut – doch damit ist der Bedarf bei Weitem nicht gedeckt. In ganz Bayern fehlt preisgünst­iger Wohnraum.

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