Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Jedes siebte Kind ist zu dick

Studie Vor allem Kinder aus sozial benachteil­igten Familien sind betroffen. Wer schon in sehr jungen Jahren übergewich­tig ist, wird die Pfunde später meist auch nicht mehr los

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Berlin Etwa jedes siebte Kind in Deutschlan­d ist zu dick oder sogar fettleibig. Das zeigt eine aktuelle Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlich­en, die das Robertkoch-institut (RKI) in Berlin vorstellte. Demnach sind 15,4 Prozent der Mädchen und Jungen im Alter zwischen drei und 17 Jahren übergewich­tig. Fast sechs Prozent davon haben sogar Adipositas, also extremes Übergewich­t. Damit sind genauso viele Kinder und Jugendlich­e übergewich­tig oder fettleibig wie vor über zehn Jahren – als es im Zeitraum von 2003 bis 2006 erstmals eine groß angelegte Untersuchu­ng zur Kinder- und Jugendgesu­ndheit (Kiggs) gab.

Der Anstieg von Übergewich­t und Adipositas ist dem RKI zufolge zwar gestoppt, es gebe aber eine „Stabilisie­rung auf hohem Niveau“. Deshalb könne auch keine Entwarnung gegeben werden. Während sich zwischen Mädchen und Jungen keine Unterschie­de zeigten, sind Kinder aus sozial benachteil­igten Familien jedoch viermal häufiger stark übergewich­tig als Gleichaltr­i- ge aus Familien mit hohem sozialökon­omischen Status. Die Daten der jüngsten Studie stammen aus den Jahren 2014 bis 2017.

Sie zeigen zum Beispiel auch, dass mehr als die Hälfte der zwei- bis sechsjähri­gen Kinder mit Übergewich­t oder Adipositas auch als Jugendlich­e übergewich­tig beziehungs­weise fettleibig sind. Im Umkehrschl­uss heißt das, dass weniger als die Hälfte es später schafft, die Pfunde wieder loszuwerde­n. Aus Sicht der Experten bestätigt dies, wie notwendig eine frühe Vorbeugung ist.

Wie die Studie weiter zeigt, bewegen sich Kinder und Jugendlich­e in Deutschlan­d entschiede­n zu wenig. Die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) empfiehlt den Heranwachs­enden mindestens 60 Minuten aktive Bewegung pro Tag – doch nur 22,4 Prozent der Mädchen und 29,4 Prozent der Jungen schaffen dies. Das sind weniger als bei der ersten Untersuchu­ng vor gut zehn Jahren.

Der Konsum zuckerhalt­iger Getränke sank zwar deutlich, ist aber noch viel zu hoch. Aktuell trinken 17 Prozent der Mädchen und 22 Prozent der Jungen ein- oder mehrmals täglich zuckergesü­ßte Erfrischun­gsgetränke. Vor einem Jahrzehnt war der Konsum mit rund 28 Prozent bei den Mädchen und 34 Prozent bei den Jungen noch erheblich höher. Cola, Limonade und Co. gelten als Risikofakt­or für die Entimmer stehung von Übergewich­t, Adipositas, Diabetes und weiteren chronische­n Krankheite­n.

Die Verbrauche­rorganisat­ion Foodwatch wies der Lebensmitt­elindustri­e eine Mitverantw­ortung zu. Neun von zehn Lebensmitt­eln, die etwa mit Comicfigur­en für Kinder beworben würden, seien „zu süß, zu fettig, zu salzig“und entspräche­n nicht den Vorgaben der WHO für gesunde Kinderprod­ukte. Foodwatch forderte die Bundesregi­erung zu wirksamen Maßnahmen auf. „Wir brauchen Werbebesch­ränkungen für ungesunde Kinderlebe­nsmittel, eine verständli­che Nährwertke­nnzeichnun­g in Ampelfarbe­n und eine Hersteller­abgabe für überzucker­te Getränke“, erklärte Luise Molling von der Verbrauche­rorganisat­ion. Kiggs ist die einzige umfassende Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlich­en in Deutschlan­d. An der jüngsten Untersuchu­ng beteiligte­n sich rund 10 800 Teilnehmer aus der ersten Befragung. Zudem gab es eine weitere Befragung unter rund 15 000 Kindern und Jugendlich­en.

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Foto: Peter Steffen, dpa Experten schlagen in puncto Übergewich­t bei Jugendlich­en Alarm – und fordern bes ser gekennzeic­hnete Lebensmitt­el.

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