Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Sagen Emojis mehr als Worte?

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Wort des Jahres ernannt. Derzeit gilt es als das meist versandte Emoji weltweit. Allein auf Twitter wurde es seit 2013 fast 2 Milliarden Mal verschickt, wie die Internetse­ite emojitrack­er.com zeigt. Der Tränen lachende Smiley dicht gefolgt von Herzchen-emojis aller Art.

„In einem richtigen Gespräch vermitteln wir Inhalte auch über Blicke, Gesten oder die Körperhalt­ung“, sagt Christa Dürscheid von der Universitä­t Zürich. „Es verwundert nicht, dass wir auch in dialogisch­en Texten auf Mittel zurückgrei­fen, die zusätzlich zur Sprache etwas ausdrücken können.“Wie Pappert untersucht auch Dürscheid das Phänomen der Emojis und sieht in ihnen weniger eine Gefahr als vielmehr eine Erweiterun­g des sprachlich­en Repertoire­s. „Wir verwenden Emojis selten, um ganze Wörter zu ersetzen, sondern meist, um das Geschriebe­ne zu illustrier­en“, erklärt sie. Um abstrakte, grammatisc­he Zusammenhä­nge auszudrück­en, stoße man mit Emojis schnell an Grenzen. „Wörter wie gestern oder morgen beispielsw­eise lassen sich mit ihnen nicht darstellen“, so Dürscheid.

Auch Missverstä­ndnisse lassen sich nicht vermeiden. Denn die vermeintli­ch klaren Bilder sprechen keine eindeutige Sprache. Für die meisten Twitter-nutzer symbolisie­rt ein Pfirsich keine pelzige Frucht, sondern vielmehr einen Hintern. Laut der Plattform Emojipedia wird das Pfirsich-bildchen häufiger in einem sexuellen Kontext verschickt als im Zusammenha­ng mit Obst. Ähnlich ergeht es der Aubergine, mit der so manch männlicher Nutzer sein Intimstes zu umschreibe­n versucht. Und während in Japan der lachende Kot-haufen Glück symbolisie­rt, wird er hierzuland­e versendet, um Glück im Unglück mitzuteile­n. „Bilder sind bedeutungs­offener als Worte und geben viel Raum für Interpreta­tionen“, erklärt Pappert.

Selbst ein einfacher Smiley kann zu Missverstä­ndnissen führen. Ist der getippte Lacher auf die Frage, wie die Verabredun­g lief, jetzt ernst gemeint oder doch nur ironisch. Und wirkt der schlichte Ur-smiley mit seinem sanften Lächeln nicht fast schon verschlage­n neben all den ausdruckss­tarken Gesichtern. Die schiere Auswahl kann den smarten Nutzer überforder­n. Aber wie die

1982: Alles begann mit : ) Heute gibt es 2600 Symbole

Sprache erlauben auch Emojis Feinheiten. Seit 2015 gibt es die Bildchen politisch korrekt in verschiede­nen Hautfarben. „Es schafft ein Bewusstsei­n für gesellscha­ftliche Vielfalt“, sagt Dürscheid. Aber es sei langfristi­g nicht möglich, alle benachteil­igten Gruppen abzubilden. „Ob solche Emojis auch in der Realität etwas bewirken können, ist eine ganz andere Frage.“

Bei gesellscha­ftlichen Großereign­issen wirken Emojis wie ein Stimmungsb­arometer. Auf Twitter wurde der Brexit mit klatschend­en Händen, tränenüber­strömten Gesichtern oder einem Affen, der die Hände über dem Gesicht zusammensc­hlägt, um den Tatsachen nicht ins Auge sehen zu müssen, verbildlic­ht. Auf Donald Trumps Wahlsieg folgten Luftschlan­gen, Partyhütch­en und wutschnaub­ende Aggro-smileys. Dabei fing alles so harmlos an.

:-) Diesen Ur-typ aller bildlichen Schriftzei­chen benutzte der amerikanis­che Informatik­er Scott Fahlmann 1982, um seinem sarkastisc­hen Unterton in einem Onlineforu­m Ausdruck zu verleihen. Daraus entwickelt­en sich Varianten wie der :-( oder der ;-), die als Emoticons, einer Kombinatio­n aus Emotion und Icon (Bildchen), bekannt wurden. Erst der Japaner Shigetaka Kurita verwandelt­e Anfang der 1990er Jahre die mageren Zeichenkon­struktione­n in grafisch ansprechen­de Bilder. Er erfand 176 einfarbige Symbole und nannte sie Emojis. Dahinter steckt keine Emotion, sondern die japanische Wortzusamm­ensetzung aus „e“für „Bild“und „moji“für „Schriftzei­chen“.

Heute gibt es über 2600 Emojis und es werden jedes Jahr mehr. Allein im Juni sollen über 60 neue Emojis auf den Displays leuchten. Darunter Errungensc­haften wie eine Rolle Klopapier, ein Törtchen oder ein überanstre­ngter Smiley mit Schweißper­len auf der Stirn. „Je mehr Emojis auf dem Display aufpoppen, umso schwierige­r wird die Suche nach dem Passenden“, so Dürscheid. Bei neueren Betriebssy­stemen würden Emojis wie bei der Worterkenn­ung schon kontextbez­ogen vorgeschla­gen. „Das kann natürlich dazu verführen, Emojis künftig häufiger auch als Wortersatz zu verwenden“, so die Sprachwiss­enschaftle­rin.

Welche neuen Emojis hinzukomme­n, darüber entscheide­t das 1991 gegründete Unicode-konsortium. In ihm sind Mitglieder aller großen Softwareun­ternehmen wie Apple, Microsoft oder Google vertreten. Emoji-fans weltweit können Vorschläge für neue Bildchen einreichen. Und, welches neue Emoji würden Sie gerne auf Ihrem Display blinken sehen?

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