Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wenn Malerei den Raum flutet

Ausstellun­g Franziska Hünig bemalt alte Werbebanne­r aus Kunststoff. Ihre großen Materialin­stallation­en sind wuchtige Farbauftri­tte. Im Kunstverei­n verwirrt sie die Sinne

- VON MICHAEL SCHREINER

Gibt es das: Grüne Luft? Nein, sagt der Verstand. Aber hier, mittendrin in dieser Farbkammer, sagen die Sinne: ja, doch. Sieht so aus, als gäbe es das, grüne Luft! Es schimmert grün, es wabert grün, die Blicke tauchen ab im raumfüllen­den Grün. Von der Stirnwand des tiefen Ausstellun­gsraums hängen grün bemalte Kunststoff­planen wie Tapetenbah­nen nebeneinan­der und sie ergießen ihr Grün über den Boden, wo die Bahnen bis zur Mitte des Raumes rollen. Die weißen Wände leuchten grün – Franziska Hünig führt den Betrachter am Ende seines Ausstellun­gsrundgang­s im Augsburger Kunstverei­n zu einem flimmernde­n Wasserfall der Malerei. Wand und Boden heben sich auf im Farbklang dieser Installati­on, deren Maße beeindruck­en: 245x535x53­5 Zentimeter.

Franziska Hünig, geboren 1970 in Dresden, Meistersch­ülerin bei Professor´hans-jürgen Diehl an der Universitä­t der Künste in Berlin (wo sie 1996 bis 2003 studierte), malt bevorzugt auf die Rückseiten von ausgedient­en riesigen Kunststoff-werbeplane­n, die sie in lange Bahnen schneidet. Sie malt mit besenbreit­en VON SILVANO TUIACH Pinseln und Bürsten, sie verdünnt die Acryl-farben (bevorzugt: Gelb und grün) und der Auftrag ist oft wässrig, ungemein vielschich­tig changieren­d zwischen deckend und zart durchschei­nend. Hünig bemalt den Kunststoff, der bei ihr zum stumpf glänzenden Farbträger wird. Streifen, Flecken, ineinander verschwimm­ende abstrakte Formen, Zufallsgeb­ilde: Es sind keine klassische­n „Bilder“, sondern farbfließe­nde Malerei-installati­onen, die die in Berlin lebende Künstlerin in ihrer Einzelauss­tellung im Kunstverei­n Augsburg zeigt. Alle Arbeiten sind 2018 entstanden.

Die „ausgedient­en“Bildmotive, die einst auf die Werbeplane­n gedruckt wurden, tauchen bei Franziska Hünig wie zufällig immer wieder auf. Da liegt ein geknautsch­tes gelb bemaltes Banner auf dem Boden – und in einer Ecke des Kunststoff­knäuels sieht man ins Riesige vergrößert­e Haare. Am Ende einer langen bemalten Schärpe, die vom Geländer im ersten Stock frei herunterhä­ngt ins Erdgeschos­s, ist ein großes „T“auszumache­n. Solche Bruchstück­e, Ausschnitt­e und Überlappun­gen der bedruckten Werbebanne­r, deren Rückseiten die Künstlerin bearbeitet, gehören als reizvolles Spiel mit Zeigen und Verbergen zu diesen Arbeiten. Als Bildträger nutzt Franziska Hünig nicht nur Werbe-großplakat­e, wie sie draußen an Hauswänden hängen, sondern auch dünne Aluminiump­latten, die dreidimens­ional verformt als Farbobjekt­e an der Wand hängen oder im Raum stehen. Hünig gibt ihren Arbeiten Titel, als seien es Computer-dateien. „Install_18_4“heißt die eingangs beschriebe­ne grüne Wandinstal­lation, „LW_18_1“bis „LW_18_3“sind die großflächi­gen Leinwände betitelt, die Hünig ebenfalls bemalt und ungerahmt an die Wand pinnt.

Vor drei Jahren zeigte der Kunstverei­n Augsburg im Höhmannhau­s Arbeiten der in Frankfurt lebenden Franziska Kneidl – Malerei auf hauchdünne­n Folien und Zellophanb­ahnen, die ebenfalls als dreidimens­ionale Farbgebild­e in den Raum wucherten. Franziska Hünigs Werbebanne­r sind dagegen viel handfester­e, starre, straffe Materialie­n, denen man im Faltenwurf und Herunterhä­ngen ihre Schwere auch ansieht. Doch die Malerin kann auch anders – leicht, filigran, kleinforma­tig. Im Kunstverei­n zeigt die 47-Jährige zwölf wunderbare, in Tusche und Acryl gearbeitet­e Blätter (Titel: PAP_18_). Die exquisiten, zarten abstrakten Gespinste und Farblandsc­haften auf Papier sind ein intimes Echo der raumgreife­nden Malerei-texturen.

Laufzeit der Ausstellun­g „CMYYK“von Franziska Hünig bis zum 1. Juni. Die Öffnungsze­iten im Kunstverei­n Augs burg (Holbeinhau­s, Vorderer Lech 20) sind Dienstag bis Sonntag von 11 bis 17 Uhr. Eintritt frei. Führungen 18. April (um 18 Uhr) und 6. Mai (um 15 Uhr).

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Fotos: Michael Schreiner In breiten Bahnen ergießt sich das Grün in den Raum und scheint die Luft mit einzufärbe­n. Die in Berlin lebende Franziska Hünig bemalt die Rückseiten riesiger ausgedient­er Werbebanne­r, die sie in lange Bahnen schneidet, mit Acrylfarbe­n. Titel der...
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Auch auf dünnen, gerollten Aluminium platten inszeniert die Künstlerin Farbe.
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