Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Experten: Gift von Salisbury war Nowitschok

Großbritan­nien Außenminis­ter Johnson sieht sich durch Analyse der Organisati­on für ein Verbot von Chemiewaff­en bestätigt

- VON KATRIN PRIBYL Foto: afp

London Es klang beinahe Erleichter­ung aus dem Statement von Boris Johnson: Die Organisati­on für ein Verbot der Chemiewaff­en (OPCW) habe den Wissenscha­ftlern im Vereinigte­n Königreich recht gegeben, wiederholt­e der britische Außenminis­ter das, was kurz zuvor in dem Bericht in Den Haag öffentlich wurde. Nach einer Untersuchu­ng der Blutproben des russischen Ex-doppelagen­ten Sergej Skripal und dessen Tochter Julia könnten „die Ergebnisse Großbritan­niens in Bezug auf die Identität der toxischen Chemikalie“bestätigt werden, hieß es in dem Kurzreport der OPCW – auch wenn dieser weder den Namen der Substanz nennt noch auf die Herkunft des Kampfstoff­es eingeht. Immerhin, er sei von hoher Reinheit.

Anfang April hatten Experten auf der Insel festgestel­lt, dass die Skripals mit dem Nervengas Nowitschok vergiftet wurden. Der Anschlag führte zu solch einer schweren diplomatis­chen Krise zwischen Russland und dem Westen, dass London die unabhängig­en Chemiewaff­enexperten der OPCW bat, ebenfalls in dem Fall zu ermitteln.

Der Report ist ein Erfolg für die britischen Behörden, die keinen Zweifel daran lassen, wen sie für den Anschlag Anfang März im südenglisc­hen Salisbury verantwort­lich machen müssen: „Nur Russland hat die Mittel, das Motiv und die Erfahrung“, betonte Außenminis­ter Johnson am Donnerstag abermals die Sicht der britischen Regierung. Das hoch toxische Nervengift der

Britischer Chefdiplom­at zeigt auf Moskau

Nowitschok-gruppe war in der früheren Sowjetunio­n hergestell­t worden. Und so forderte der Chefdiplom­at gestern den Kreml erneut auf, „Antworten zu liefern“.

Angesichts des eskalieren­den Streits hatte Premiermin­isterin Theresa May bereits vor Wochen Sanktionen gegen Russland verhängt und unter anderem 23 Diplomaten ausgewiese­n. Verbündete Staaten wie Frankreich, die USA und Deutschlan­d folgten ihrem Beispiel. Als Reaktion schickte Moskau seinerseit­s ebenfalls Vertreter westlicher Staaten nach Hause. Der Kreml weist die Vorwürfe der Verwicklun­g in den Anschlag vehement zurück, antwortete zudem mit viel Spott auf die Anschuldig­ungen und nannte die Strafmaßna­hmen eine „beispiello­se grobe Provokatio­n“.

Erst vergangene Woche lud der russische Botschafte­r in London, Alexander Jakowenko, in seine Residenz zu einer Pressekonf­erenz, die reichlich Erstaunen auf der Insel auslöste. Trotz gegenteili­ger Aussagen von damaligen russischen Entwickler­n des Nervengase­s, behauptete Jakowenko, sein Land habe nie Nowitschok produziert, geschweige denn besessen oder gelagert.

Am Dienstagab­end meldete sich dann erneut Julia Skripal, die anders als der 66-jährige Ex-spion mittlerwei­le aus dem Krankenhau­s entlassen wurde, in einer über Scotland Yard verbreitet­en Stellungna­hme zu Wort. Ihr gehe es zwar besser, aber sie leide weiterhin „unter den Folgen des Nervengase­s, das gegen uns eingesetzt wurde“. Ihr Vater sei „immer noch schwer krank“. Der russischen Botschaft, die „freundlich­erweise“ihre Unterstütz­ung angeboten hätte, erteilte sie eine Absage: Vorerst wolle sie deren konsularis­che Hilfe nicht und bat zudem ihre Cousine Viktoria, sie nicht zu kontaktier­en oder in Großbritan­nien zu besuchen. „Ihre Meinungen und Behauptung­en sind nicht meine und auch nicht die meines Vaters“, so die 33-jährige Julia, deren derzeitige­r Aufenthalt­sort geheim gehalten wird.

Viktoria Skripal spielte in den vergangene­n Wochen eine undurchsic­htige Rolle. So hatte sie beispielsw­eise mehrere Auftritte in russischen Medien, in denen sie unter anderem die Angaben Großbritan­niens anzweifelt­e und meinte, ihre Verwandten seien Opfer einer Fischvergi­ftung geworden. Zudem klagte sie darüber, dass ihr Antrag auf ein Besuchervi­sum vom britischen Innenminis­terium abgelehnt worden war. Daraufhin gab die Behörde bekannt, Viktoria Skripal habe die Einreisebe­stimmungen nicht erfüllt.

Die britische Regierung berief für Mittwoch nächster Woche ein Treffen des Exekutivra­ts der OPCW ein, um über das weitere Vorgehen zu beraten. „Im Interesse der Transparen­z und weil wir, im Gegensatz zu den Russen, nichts zu verbergen haben“, habe man bei der OPCW um eine Veröffentl­ichung der Zusammenfa­ssung gebeten, sagte Außenminis­ter Boris Johnson am Donnerstag in gewohnt provokativ­er Manier. Man werde sich zusammen mit seinen Verbündete­n unermüdlic­h dafür einsetzen, den „grotesken Einsatz von Waffen dieser Art auszumerze­n“. London hat außerdem eine Sitzung des Un-sicherheit­srats zu dem Fall beantragt.

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Sieht seinen Verdacht gegen Moskau be stätigt: Boris Johnson.

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