Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Macron: Giftgasang­riff geht auf Assads Konto

Frankreich Präsident spricht in Tv-interview von Beweisen für Verbrechen im Syrien-krieg

- VON BIRGIT HOLZER

Paris Nichts überlässt er dem Zufall, das ist man von Emmanuel Macron inzwischen gewohnt. Das gilt auch für den Zeitpunkt für sein einstündig­es Interview, das er dem Privatsend­er gestern gegeben hat: Er reagierte damit publikumsw­irksam auf die derzeitige Streikwell­e bei der Staatsbahn SNCF, in deren Folge bis Ende Juni im Schnitt an zwei Tagen pro Woche zahlreiche Züge ausfallen. Mit noch mehr Spannung wurde erwartet, was Macron zur drohenden Eskalation des Syrienkrie­ges zu sagen hatte.

Und das war brisant: Es gebe Beweise, dass das Regime von Baschar al-assad für die Giftgasatt­acken im syrischen Duma mit Toten und Verletzten verantwort­lich sei, erklärte Macron. „Wir dürfen Regime nicht gewähren lassen, die glauben, sich alles erlauben zu können.“Einen Zeitpunkt für einen möglichen Schlag nannte der Präsident nicht, gab aber zu verstehen, dass Frankreich bereit sei, eine aktive Rolle bei der Lösung des Konflikts zu spielen: „Man muss das Syrien von morgen vorbereite­n, einen Übergang, ein freies Regime, wo alle Minderheit­en repräsenti­ert sind.“

Ebenfalls kein Zufall war, dass er sich nicht zur Hauptnachr­ichtenzeit am Abend den Fragen der Journalist­en stellte, sondern mittags. Dann nämlich schalten viele Rentner ein, die über ein Sinken ihrer Kaufkraft klagen, aber auch Schichtarb­eiter oder Menschen auf dem Land und ohne Job. Bei ihnen, die in ihm den „Präsident der Reichen“sehen, sanken seine Beliebthei­tswerte zuletzt deutlich. Natürlich ging es um die geplanten Reformen, gegen die sich die Gewerkscha­ften wehren. Künftigen Mitarbeite­rn der Bahn drohen schlechter­e Arbeitsbed­ingungen, zudem soll die SNCF teilweise privatisie­rt werden. Macron erklärte, er werde das Unternehme­n zwar zu einer Aktiengese­llschaft umwandeln, aber das Kapital bleibe zu 100 Prozent im Besitz des Staates. Daran würden Proteste und Blockaden nichts ändern.

Auch der Ort war symbolträc­htig ausgewählt: Macron saß im bunt dekorierte­n Klassenzim­mer einer Grundschul­e im normannisc­hen Dorf Berd’huis, dessen Einwohner bei der Präsidents­chaftswahl 2017 überwiegen­d für die Rechtspopu­listin Marine Le Pen gestimmt hatten. In der Bildung liege der Schlüssel für den Erfolg des Landes, erklärte der 40-jährige Präsident.

Macron begegnete mit seinem Tv-auftritt dem Vorwurf, die Medien links liegen zu lassen. Aus seinem Umfeld hieß es, man wolle eine „geschwätzi­ge Präsidents­chaft“wie unter Vorgänger François Hollande vermeiden. Dieser rechnet gerade in seinem Buch „Die Lektionen der Macht“mit seinem früheren Wirtschaft­sminister Macron und dessen „narzisstis­cher Amtsausübu­ng“ab. Von dessen Reformen profitiert­en in erster Linie die Superreich­en, schreibt Hollande, der bei Reformen für umfangreic­he Verhandlun­gen plädiert. „Jedes Mal, wenn ich zu schnell oder zu brutal voranschre­iten wollte, wurde ich nicht verstanden“, schreibt er.

Es ist Macrons Markenzeic­hen, schnell zu handeln. Und trotzdem, so versichert­e er, höre er die Sorgen der Menschen.

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Emmanuel Macron

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