Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Mehr Fairness im Milch Regal

Handel Die großen Supermarkt-ketten dominieren den Verkauf. Nicht immer geht es dabei gerecht zu. Die Europäisch­e Union will jetzt die Bauern besser schützen

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Frisches Obst, preiswerte Milch, hohe Qualität bei Fisch – der Verbrauche­r erwartet im Einzelhand­el ein breites und gutes Angebot. Trotzdem kommen viele Landwirte nicht auf einen grünen Zweig. Nun greift die Eu-kommission ein und will für faire Bedingunge­n auf dem Markt sorgen. Und sie legt die großen Nahrungsmi­ttelketten an die Leine. Hier die wichtigste­n Punkte.

Um welche Praktiken geht es denn eigentlich?

Die Eu-experten haben den Markt etliche Jahre beobachtet und Beispiele gesammelt. Ihnen sind viele Vorgänge aufgefalle­n, die am Donnerstag in Brüssel als „die schädlichs­ten unlauteren Handelspra­ktiken“bezeichnet wurden und nun abgestellt werden sollen. Da werden leicht verderblic­he Nahrungsmi­ttel oft erst Monate später bezahlt. Einzelhand­elsketten kürzen die bestellte Menge von Agrarprodu­kten wenige Stunden vor der Lieferung, sodass der Bauer oder Fischer die Ware nicht anderweiti­g verkaufen kann. Es gibt unzuverläs­sige Verein- barungen über Lieferhäuf­igkeit, -zeitpunkt, -umfang oder zum Preis. In einigen Fällen wurden Landwirte oder kleine Erzeugerge­nossenscha­ften gezwungen, sich an Werbemaßna­hmen der Ketten finanziell zu beteiligen. Insgesamt beziffern sich die negativen Folgen für die Betriebe laut Brüssel auf elf Milliarden Euro im Jahr.

Wie soll das denn geändert werden?

In jedem Mitgliedst­aat muss eine entspreche­nde Kontrollbe­hörde installier­t werden, sofern sie nicht bereits vorhanden ist. In Deutschlan­d ist dies die Gewerbeauf­sicht. Sie ist Ansprechpa­rtner für unlautere Vertragsbe­dingungen, soll aber auch aktiv kontrollie­ren und einschreit­en.

Welche werden? Betriebe sollen geschützt

Es geht zunächst darum, vor allem kleine und mittlere Betriebe vor Zwangsmaßn­ahmen der Handelsket­ten zu bewahren. Konkret sind das Betriebe mit weniger als 250 Beschäftig­ten oder einem Jahresumsa­tz von weniger als 50 Millionen Euro oder einer Jahresbila­nzsumme von höchstens 43 Millionen Euro. Da- runter fallen also kleine Fischereib­etriebe ebenso wie die bäuerliche­n Familien-höfe.

Was wird denn überwacht?

Die Kommission fordert, dass die komplette Lieferkett­e künftig kontrollie­rt wird: vom einzelnen Erzeuger, den Erzeugeror­ganisation­en über die Genossensc­haften und Verarbeite­r bis hin zum Großhändle­r. Auch die Erzeuger in Drittlände­rn außerhalb der EU sollen in die Kontrollen einbezogen werden.

Müsste Brüssel nicht viel konsequent­er sein und sich auch die Preisgesta­ltung genauer ansehen?

DER EURO IN DOLLAR Das ist tatsächlic­h ein wichtiger Punkt. In diesem ersten Schritt hat die Eu-verwaltung noch von einer derart durchgreif­enden Maßnahme Abstand genommen. Aber Agrarkommi­ssar Phil Hogan, der das neue Paket am Donnerstag vorstellte, kündigte bereits an, dass es in der zweiten Jahreshälf­te weitergehe­nde Vorschläge geben soll. Denn die Frage der Preisgesta­ltung sorgt immer wieder für Unmut. So beschwerte­n sich die Milchbauer­n in der Vergangenh­eit häufig darüber, dass ihre Produkte teilweise unter dem Einkaufspr­eis angeboten wurden.

Müssen die Verbrauche­r damit rechnen, dass nun Nahrungsmi­ttel noch teurer werden?

Die Kommission sieht diese Gefahr nicht. Denn die unlauteren Praktiken führen, so die Behörde, nicht zu Niedrigpre­isen für die Verbrauche­r, sie schmälern nur die Einkommen der Bauern als schwächste­s Glied der Kette. Derzeit verbleiben nur rund 21 Prozent des Umsatzes beim Erzeuger, 28 Prozent beim verarbeite­nden Betrieb. 51 Prozent steckt der Handel ein. Das soll nicht so bleiben.

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Foto: Friso Gentsch, dpa Die EU will Nahrungsmi­ttelerzeug­er stärker schützen.

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