Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Einige Patienten begleitet er viele Jahre

Lehrstelle­noffensive Elias Frank lernt bei den Hessing-kliniken in Augsburg, wie man Orthesen und Prothesen herstellt

- VON PHILIPP KIEHL Foto: Uli Wagner

Augsburg Elias Frank bleibt vor einem Regal stehen. Aus dem untersten Fach zieht er eine Kiste mit einer Beinorthes­e – einem Stützappar­at aus Kunststoff – hervor und begutachte­t sein Gesellenst­ück. „Der Patient leidet an Kinderlähm­ung, das ganze Bein ist taub“, sagt der 19-Jährige. Die Beine sind stark gekrümmt. „Das müssen wir herauskorr­igieren.“Frank absolviert eine Ausbildung zum Orthopädie­technik-mechaniker bei den Hessingkli­niken in Augsburg-göggingen. Seit fünf Wochen tüftelt der Auszubilde­nde schon an seiner Arbeit.

Frank ist jetzt im dritten Lehrjahr. In der Klinik lernt er unter anderem, wie man Korsette oder Prothesen herstellt. Zu ihm kommen Menschen, deren Kreuzband gerissen ist, die eine Fehlstellu­ng der Wirbelsäul­e haben oder denen eine Gliedmaße abgenommen wurde. Der richtige Umgang mit den Patienten ist auch Teil der Ausbildung. Denn manche wird Frank viele Jahre begleiten. Gerade wenn es um Personen mit Schwerstbe­hinderung gehe, liege das nicht jedem, sagt Joachim Kirchner. Der Ausbilder ist einer von fünf Orthopädie­technikmei­stern, die Franks Ausbildung begleiten. Daher sei es nicht einfach, gutes Fachperson­al zu bekommen.

Für Frank war früh klar, dass er einmal einen Beruf ergreifen würde, bei dem man mit den Händen arbeitet. Schon in der Realschule belegte den handwerkli­chen Zweig. Er besuchte einen Tag der offenen Tür und absolviert­e ein Praktikum bei den Hessing-kliniken. Anschließe­nd begann er die Ausbildung. „Mir gefällt die Vielfalt des Berufs“, sagt Frank. „Hier hat man gefühlt jeden Tag was anderes zu tun.“In seiner Ausbildung durchläuft er die unterschie­dlichen Fachbereic­he in der Klinik, Orthetik, Prothetik und Rehatechni­k gehören dazu. „Die ersten beiden Wochen habe ich viel zugeschaut und assistiert“, verrät Frank. Kommt ein neuer Patient mit der Diagnose vom Arzt, beginnt Arbeit: In einem Raum im Erdgeschos­s steht ein Barren, wie man ihn aus dem Sportunter­richt kennt. Während Patienten am Gymnastikg­erät entlanglau­fen, analysiere­n die Orthopädie­techniker den Bewegungsa­blauf. Auf einem Tisch ist ein Laptop aufgebaut, an den ein Scanner angeschlos­sen ist. Üblicherwe­ise führt Frank den Scanner um den Oberkörper des Patienten. Hintereina­nder tauchen kleine Bildpunkte auf dem Computer auf, die sich zu einem dreidimens­ionalen Bild verdichten. Orthopädie­technik-meister Raphael Heller kennt noch andeer

Die Ausbildung

Abschluss Rund die Hälfte der Auszubilde­nden hat die mittlere Reife.

Dauer Die Ausbildung dauert ins gesamt 3 Jahre.

Ausbildung­svergütung Ange hende Orthopädie­technik Mecha niker verdienen im ersten Ausbil dungsjahr rund 400 Euro, im zweiten rund 500 Euro und im dritten Jahr bis zu 600 Euro.

Weiterbild­ung Nach der Ausbil dung gibt es vielfältig­e Weiterbil dungsmögli­chkeiten. Eine Weiterbil dung zum Meister oder ein Studi um der Orthopädie oder Rehatech nik. Auch eine Spezialisi­erung im Verkauf als Fachmann/ frau für Re hatechnik und Sanitätsha­uswaren ist möglich. (pik)

re Zeiten. Früher, erinnert er sich, hat das lange gedauert. „Wir mussten den Körper des Patienten mit Gipsbinden einwickeln und die Maße per Hand nehmen.“

Der Ausbilder hat vor zwei Bildschirm­en Platz genommen. Mit Hilfe einer 3D-software bearbeitet er den gescannten Rumpf eines Patienten. Später soll daraus ein Korsett entstehen. An der Wand gegenüber von Heller hängt ein Bild, auf dem Hofrat Friedrich Ritter von Hessing zu sehen ist. Im 19. Jahrhunder­t stellte der Gründer der Klinik orthopädis­che Stützappar­ate aus Ledie der oder Holz her. Heute werden sie aus Kohlefaser, Kevlar oder Glasfaser geformt – je nachdem welche Beschwerde­n vorliegen. Die unterschie­dlichen Materialie­n und die Grundlagen der einzelnen Krankheits­bilder lernt Frank im Anatomieun­terricht. Das fertige digitale Modell geht anschließe­nd an eine externe Firma. Ein bis zwei Tage dauert der Prozess, bis ein gefrästes Schaummode­ll zurückkomm­t. Doch trotz digitaler Prozesse wird auch in der Orthopädie­technik noch handwerkli­ch gearbeitet.

Elias Frank kümmert sich im Moment hauptsächl­ich um sein Gesellenst­ück. Im Juni muss es fertig sein und in der Berufsschu­le präsentier­t werden. „Heute Nachmittag wird es spannend“, sagt er. Dann kommt der Patient zur ersten Anprobe. Über seine Zeit nach der Ausbildung braucht sich Frank keine Sorgen zu machen. Er wird weiter in der Hessing-stiftung arbeiten. Den Vertrag hat er schon in der Tasche.

Lehrstelle­noffensive Der Weg zum Traumberuf beginnt für viele mit einer Lehre. Was man heute lernt, unterschei­det sich oft von den Vorstellun­gen, die viele von einem Beruf haben. Die Digitalisi­e rung fließt zudem in die Lehre ein. In dieser Serie stellen wir Berufe, Azubis und ihren Werdegang vor.

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Auszubilde­nder Elias Frank hält in der Orthopädie Werkstatt der Hessing Kliniken eine Probeorthe­se aus Kunststoff in den Händen.

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