Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Bombe, die dritte

Kriegsfolg­en Innerhalb weniger Wochen muss die Innenstadt Neu-ulms wegen eines Blindgänge­rs erneut evakuiert werden. Die wichtigste­n Fragen und Antworten auf einen Blick

- VON MICHAEL BÖHM

Neu Ulm Zum dritten Mal innerhalb von nur sechs Wochen haben Bauarbeite­r in Neu-ulm eine Fliegerbom­be aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden. Zum zweiten Mal führt das zu einer aufwendige­n Räumung der Innenstadt. Mehr als 12000 Menschen müssen am heutigen Freitagmor­gen ihre Wohnungen verlassen, der Bahnhof wird gesperrt, das Geschäftsl­eben lahmgelegt. Die wichtigste­n Fragen und Antworten auf einen Blick.

Warum schon wieder Neu-ulm?

Alle drei seit Anfang März gefundenen Bomben lagen auf einem Areal nördlich der Bahnlinie nahe des Neu-ulmer Bahnhofs. Im Zweiten Weltkrieg war dieser mit seinen damals 16 Gleisen (heute vier) ein wichtiger Güterumsch­lagpunkt und damit ein Ziel der Luftangrif­fe der Alliierten, die insgesamt 67 000 Bomben auf Neu-ulm abwarfen – viele davon schlummern fast 75 Jahre später noch immer als sogenannte Blindgänge­r unter der Erde. Aktuell wird auf dem Areal westlich des Bahnhofs ein neues Wohnvierte­l namens „Südstadtbo­gen“gebaut. Im Rahmen dieser Arbeiten wird auf Grundstück gezielt nach Sprengkörp­ern gesucht. Es ist nicht auszuschli­eßen, dass dabei noch weitere Blindgänge­r zutage kommen. Anhaltspun­kte dafür gibt es offenbar mehrere.

Wie gefährlich sind Blindgänge­r?

Die rund 450 Kilo schwere Bombe in der Neu-ulmer Baugrube wurde nach dem Fund am Dienstagna­chmittag gesichert, nach Angaben der Stadt besteht keine Gefahr für die Bevölkerun­g. Wie Andreas Heil, Betriebsle­iter des vom Innenminis­terium beauftragt­en Kampfmitte­lräumdiens­tes Tauber, erklärt, wurden im Zweiten Weltkrieg bei Flächenbom­bardierung­en vor allem 250 Kilo schwere Bomben abgeworfen. Die schwersten wogen bis zu 10 000 Kilo. Die Neu-ulmer Bombe besteht bis zur Hälfte aus Sprengstof­f und zwei mechanisch­en Aufschlagz­ündern. Diese sind in der Regel deutlich leichter zu entschärfe­n als chemische Langzeitzü­nder, die eine Explosion nach sieben bis 144 Stunden initiieren. Derartige Bomben werden in Bayern laut Heil aber nur sehr selten gefunden.

Was passiert nun in Neu-ulm?

Wie schon Mitte März müssen am Freitag mehr als 12000 Menschen ihre Wohnungen um 8 Uhr verlassen. Während das Krankenhau­s sowie ein Altenheim knapp außerhalb der Gefahrenzo­ne liegen und damit von der Evakuierun­g nicht betroffen sind, trifft es den Einzelhand­el hart. Viele Geschäfte der Neu-ulmer Innenstadt müssen am Freitag mindestens einige Stunden lang geschlosse­n bleiben, darunter auch zwei Drittel

Kleine Geschenke für enttäuscht­e Kunden

des Einkaufsze­ntrums „Glacis-galerie“mit rund 100 Läden. Für enttäuscht­e Kunden soll es am Samstag eine „Wiedergutm­achung“in Form kleiner Geschenke geben. Der Neuulmer Bahnhof wird ab 8 Uhr ebenfalls gesperrt, der Zugverkehr während der tatsächlic­hen Bombenents­chärfung komplett eingestell­t.

Wo liegen noch Bomben?

Experten gehen davon aus, dass etwa jede zehnte im Weltkrieg abgeworfen­e Bombe nicht explodiert ist. Wie viele davon bereits gefunden wurden, ist kaum abzuschätz­en. Allein im Jahr 2016, aktuellere Zahlen gibt es noch nicht, wurden nach Andem gaben des bayerische­n Innenminis­teriums 192 Blindgänge­r entschärft und insgesamt rund 60 Tonnen Weltkriegs­munition beseitigt. Insbesonde­re in Städten oder im Umfeld von ehemaligen Rüstungsbe­trieben müsse mit weiteren Funden gerechnet werden.

Gab es jüngst spektakulä­re Funde?

Schnell werden Erinnerung­en an die „Augsburger Weihnachts­bombe“wach. Mehr als 50000 Menschen mussten 2016 am ersten Weihnachts­feiertag ihre Wohnungen verlassen, als eine 1,8 Tonnen schwere Bombe in der Innenstadt entschärft wurde. Gesprengt werden musste eine 2012 mitten in München gefundene Fliegerbom­be. Noch heute streiten Freistaat, Stadt und Versicheru­ngen vor Gericht darüber, wer für die bei der Explosion entstanden­en Schäden aufkommen muss. Im Juli des vergangene­n Jahres musste ein Gefängnis in Regensburg wegen einer in der Nähe gefundenen Bombe evakuiert werden. Im Februar legte ein Sprengkörp­er am Nürnberger Hauptbahnh­of den Bahnverkeh­r kurzzeitig lahm. Für die Entschärfu­ng wurde ein Güterzug als eine Art Schutzmaue­r zwischen Bombe und Bahnhof rangiert.

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Foto: Alexander Kaya Unter diesem Pavillon liegt sie, die rund 450 Kilogramm schwere Fliegerbom­be aus dem Zweiten Weltkrieg, die dazu führt, dass die Neu Ulmer Innenstadt am heutigen Frei tag erneut evakuiert wird.

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