Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Bayern macht die Nacht zum Tag

Forschung Wissenscha­ftler haben herausgefu­nden, dass künstliche­s Licht Deutschlan­d immer heller macht, den Freistaat ganz besonders. Woran das liegt und welche Folgen das für Menschen und Tiere hat

- VON SASCHA GELDERMANN

Augsburg Künstliche­s Licht macht die Nacht besonders in Bayern immer mehr zum Tag. Das haben Wissenscha­ftler um den Lichtforsc­her Christophe­r Kyba vom Deutschen Geoforschu­ngszentrum in Potsdam herausgefu­nden.

Für ihre Studien blickten sie von 2012 bis 2017 jährlich aus dem Weltraum auf die Erde. Möglich macht das ein Strahlungs­messgerät, das mit einem Satelliten die Erde umkreist und künstliche­s Licht erfasst. Kyba sagt im Gespräch mit unserer Zeitung über die Ergebnisse: „Im Laufe der fünf Jahre hat sowohl die Ausbreitun­g als auch die Intensität des Lichts zugenommen.“Viele dunkle Flecken aus dem Jahr 2012 sind auf neueren Satelliten­bildern hell erleucht. In Bayern wurde eine besonders hohe Zunahme gemessen – vor allem bei der Ausbreitun­g der beleuchtet­en Flächen. Thüringen dagegen ist als einziges Bundesland auf den Aufnahmen dunkler geworden.

Kyba schränkt ein, dass es Messungena­uigkeiten gebe und genaue Gründe noch durch weitere Studien ermittelt werden müssten. „Der Trend zu helleren Nächten ist aber eindeutig.“Der sei auch weltweit zu beobachten, wobei Deutschlan­d bei der Steigerung im Durchschni­tt liege. Dass in Bayern auf den Satelliten­bildern über die Jahre immer mehr und immer hellere Lichtpunkt­e auf- getaucht sind, hänge auf jeden Fall mit der starken Wirtschaft im Freistaat zusammen. Städte wachsen und immer mehr Flächen werden genutzt.

Die Forscher haben noch einen weiteren Grund für die Lichtversc­hmutzung ausgemacht, also für die künstliche Aufhellung des Nachthimme­ls: „Die Entwicklun­g hängt wohl mit neuen Arten der Beleuchtun­g wie LED zusammen“, sagt Kyba. Gemeinden sparen durch solche Umstellung­en bei der öffentlich­en Beleuchtun­g zwar Strom und Geld – aber gerade deswegen gebe es den Effekt, dass immer mehr Lampen aufgestell­t oder diese länger angeschalt­et werden.

In welchem Ausmaß Städte auf LED umgestellt haben, unterschei­det sich stark. In Augsburg beispielsw­eise liege der Anteil bei der öffentlich­en Beleuchtun­g noch im einstellig­en Prozentber­eich, heißt es von Gerd Merkle, Leiter des Baureferat­s. Ein Austausch könne nur schrittwei­se über Jahre erfolgen. Bei neuen Lampen durch die Erschließu­ng oder den Ausbau von Baugebiete­n werde schon überwiegen­d auf LED gesetzt. Bei künstliche­m Licht müsse aber gelten: „So viel wie nötig, jedoch so wenig wie möglich.“

Auch der Forscher Kyba appelliert, Licht sparsam einzusetze­n und Verschwend­ung zu vermeiden, denn zu viel sei nicht nur unnötig, sondern auch ungesund. Wissenscha­ftler warnen immer wieder davor, dass künstliche­s Licht gefährlich­e Auswirkung­en auf die Tierwelt haben könne. Es verwirre zum Beispiel Zugvögel oder locke Insekten in den Tod. Auch der Mensch braucht die Dunkelheit. Zu viel künstliche­s Licht bringt den natürliche­n Tagnacht-rhythmus durcheinan­der. Das Robert-koch-institut warnt, dass die Ausschüttu­ng des Schlafhorm­ons Melatonin gehemmt werden könne. Das fördere Schlafstör­ungen und werde auch mit der Entwicklun­g von Depression­en und chronische­n Krankheite­n in Verbindung gebracht.

Christophe­r Kyba ist der Ansicht, dass das Licht zu Hause eine besonders große Rolle spiele. „Wenn wir von hell beleuchtet­en Räumen direkt ins Bett gehen, hat das Auswirkung­en auf unseren Schlaf.“Gleichzeit­ig müssten die Menschen ernst genommen werden, die durch eine helle Straßenbel­euchtung vor dem Haus leiden. Mittlerwei­le sei das Bewusstsei­n für diese Probleme aber gestiegen. Kyba sagt: „Ich habe die Hoffnung, dass wir in Zukunft weniger Licht verschwend­en.“

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Foto: dpa Aus der Ferne sehen die Lichtspiel­e auf dem europäisch­en Kontinent schön aus, doch aus der Nähe kann das viele und immer mehr werdende künstliche Licht ein Problem sein.

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