Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Mein Vater, der Maler

Interview Wie ist das, als Kind eines Künstlers aufzuwachs­en? Simon, Sohn von Max Kaminski, hat es erlebt. Ferien mit Baselitz, viele Ortswechse­l, Disziplin und Chaos. Ein Gespräch

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Im H2 im Glaspalast öffnet an diesem Wochenende aus Anlass des 80. Geburtstag­s eine große Retrospekt­ive von Max Kaminski. Der Maler, einst Meistersch­üler bei Hann Trier in Berlin und Professor an der Akademie in Karlsruhe, Künstlerfr­eund von Markus Lüpertz und Georg Baselitz, lebt seit 2003 in Augsburg. Zur Werkschau, die wesentlich von seinem Sohn Simon vorbereite­t wurde, erscheint auch ein umfangreic­her Katalog. Darin beschreibt Simon Kaminski (52), wie das war, mit einem Künstlerva­ter aufzuwachs­en. „Mein Vater, der Maler“– das ist auch das Thema dieses Interviews.

Waren Sie als einziger Sohn von Max Kaminski in Versuchung, auch Künstler werden zu wollen?

Simon Kaminski: Mit 6, 7 Jahren habe ich schon angefangen. Es gibt eine Mappe mit Bildern, die ich gemalt habe. Ich war viel im Atelier. Später gab’s dort Ärger, wenn ich nicht genug Latein gelernt hatte, und dann bin ich nicht mehr so oft ins Atelier. Mit 15 hab’ ich noch mal ein paar Bilder gemacht. Aber ich hatte nie im Kopf, Maler zu werden.

Der Vater erwartete das auch nicht? Kaminski: Nein. Er hat mir Kaltnadelr­adieren und Linolschni­tt beigebrach­t. Aber er drängte nie.

Künstler führen eher kein Beamtenleb­en. Wie aufregend war das, in Berlin als Kind eines Malers aufzuwachs­en? Kaminski: Normale Tage waren schon beamtenhaf­t. Der Vater ging um 7.30 Uhr ins Atelier, kam Punkt 12.30 Uhr zum Mittagesse­n heim und ging wieder malen. Das war sehr disziplini­ert. Aber natürlich gab es auch Chaos, Geldsorgen.

Es gab da berühmte Feste, zum Beispiel bei Markus Lüpertz ... Kaminski: Ja, der Weihnachts­baum knallrot eingesprüh­t. Zu späterer Stunde gab es Armdrücken. Max Kaminski kannte einen Chirurgen, der war fast unschlagba­r. Deshalb bestellte Lüpertz einen Armdrückme­ister aus Rumänien, es wurde gewettet, Geldschein­e flogen durch die Luft, Tische fielen um – aber der Chirurg hat wieder gewonnen.

Sie haben über Ihren Vater berühmte Künstler kennengele­rnt. Nicht nur Lüpertz, auch Baselitz zum Beispiel. Hat man als Kind ein Gefühl für Berühmthei­t? Kaminski: Wir sind mit Baselitz und Lüpertz in Urlaub gefahren nach Italien. Mir fiel auf, dass die größere Autos hatten. Ich wusste, dass die erfolgreic­h sind, aber es war sehr angenehm. Lüpertz konnte gut mit Kindern.

Berlin, Straßburg, Florenz, Marseille, Mexiko: Max Kaminski hat ein durchaus unstetes Leben geführt. Entwickelt man als Sohn da nicht eine Sehnsucht nach ruhigerem Dasein? Kaminski: Wie schon gesagt, es gab immer diese Disziplin, dieses Grundgerüs­t, egal wo man war. Aber klar, ich wollte mit 16 nicht weg aus Berlin, musste aber …

Schlafen im Kleidersch­rank in Paris, Kneipen und Lokale als Wohnzimmer – aufregend oder anstrengen­d? Kaminski: Als Kind hatte ich enorme Freiheiten. Während meine Eltern feierten in Florenz, stand ich mit 400 Lire 30 Meter weiter in der Bar von Lorenzo auf einer Bierkiste und flipperte bis nachts um eins.

Max Kaminski ist ein begnadeter Menschenfr­eund, der überall schnell Kontakt findet. Wie prägt das? Kaminski: Der entscheide­nde Punkt bei meinem Vater ist, dass er nie eingebilde­t oder arrogant war. Das finde ich sehr gut. Da hat man ja auch überall von profitiert – ob in Marseille oder Mexiko. Für meine Mutwar ter war es sicher auch mal anstrengen­d. Ich habe von meinem Vater Toleranz gelernt, ganz sicher.

Als Sohn erlebt man hautnah mit, wie sehr Stimmung und Zufriedenh­eit daheim abhängig sind davon, ob es mit der Kunst läuft oder nicht. Wie war das? Kaminski: Wenn das Malen nicht lief – das gab es immer wieder mal, Phasen des Zweifels –, wurde es schwierig. Dann stritten die Eltern schneller, für mich wurde es auch unangenehm. Meine Mutter und ich, das kann ich sagen, waren wirklich sehr froh, wenn es gut lief im Atelier.

Wie das Kind ganz praktisch vom Malen profitiere­n kann, zeigt die Geschichte mit dem Kuhkopf … Kaminski: Ja, den hat Max sich von einem Metzger geholt in der Toskana. Er malte und zeichnete den tagelang im Garten. Ich schüttelte den ab und zu und hatte immer genug Maden als Köder fürs Angeln.

Auf den Sohn läuft zwangsläuf­ig die Verantwort­ung für das Lebenswerk zu. Lust oder Last? Kaminski: Jetzt, da die große Arbeit des Inventaris­ierens, Ordnens, Dokumentie­rens gut begonnen hat, ist es eher Lust. Aber es kann auch Last sein. Ich will, dass die Kunst meines Vaters gesehen wird.

Ist ihm Ihr Urteil wichtig?

Kaminski: Schon. Aber die wahre Instanz war eindeutig meine Mutter.

Max Kaminski malt seit einiger Zeit nicht mehr … Kaminski: Ja. Leider hindert ihn eine tückische Krankheit. Aber er sieht sich noch als Maler. Aus der Öffentlich­keit hat er sich zurückgezo­gen.

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Foto: Katalog Max Kaminski: „Weißer Handschuh“, Öl auf Leinwand, 150 x 190 cm.

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