Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Welche Folgen hat das Grundsteuer Urteil?
Finanzen Das Bundesverfassungsgericht fordert eine Neuregelung der Erhebung. In Großstädten mit steigenden Bodenpreisen wie Augsburg könnte das höhere Abgaben bedeuten. Allerdings sind noch sehr viele Fragen offen
Die Eigentümer der etwa 110 000 Grundstücke, Häuser und Wohnungen, für die in Augsburg Grundsteuer verlangt wird, müssen sich in den kommenden Jahren auf Änderungen gefasst machen. Wie berichtet hat das Bundesverfassungsgericht am Dienstag verkündet, dass die bisher bundesweit übliche Erhebungsart gegen das Grundgesetz verstößt.
Im vergangenen Jahr nahm die Stadt rund 54,5 Millionen Euro aus der Grundsteuer ein. Sie zählt zu den wichtigsten Einnahmequellen für den städtischen Haushalt. Zahlen muss sie (im Gegensatz zur einmalig zu zahlenden Grunderwerbssteuer) jeder Grundstückseigentümer jährlich. Der Betrag kann von Eigentümern auf die Mieter umgelegt werden. Beispiel: Für eine 40-Quadratmeter-wohnung liegt der Betrag in Augsburg aktuell bei gut 90 Euro, beim Einfamilienhaus sind je nach Größe von Grund und Wohnfläche sowie Lage und Baujahr Beträge von etwa 600 Euro jährlich realistisch. Die Stadt kündigte bereits an, dass sie angesichts der anstehenden Änderungen ihre Grundsteuer-einnahmen sichern müsse. Gleichwohl wolle man im Zusammenhang mit der Reform nicht mehr Geld einnehmen, so Finanzbürgermeisterin Eva Weber (CSU). Die chronisch klamme Stadt hatte den Hebesatz für die Grundsteuer im Jahr 2016 spürbar angehoben, um ihre Einnahmen zu steigern. Für die einzelnen Grundstücksbesitzer könne es, abhängig von der bundesweiten Neuregelung zur Erhebung, aber zu Änderungen kommen, so Weber. Solange nicht klar ist, nach welchem Modus künftig die Grundsteuer berechnet wird, sind Aussagen zu den Auswirkungen schwierig. „In jedem Fall muss aber eine Kostenexplosion beim Wohnraum verhindert werden“, sagt Thomas Weiand, Vorsitzender des Mietervereins. Dies gelte speziell für Großstädte. Weiand fordert sogar, dass im Zuge einer Neuregelung die Möglichkeit, die Steuer auf Mieter umzulegen, gestrichen wird. Der Eigentümerverband Haus und Grund sieht das naturgemäß anders. Er fordert eine möglichst unkomplizierte Neuregelung. Auch Ge- schäftsführerin Gabriele Seidenspinner sagt, dass eine massive Erhöhung in jedem Fall verhindert werden müsse. Dies gelte besonders für Großstädte.
Denn gerade hier könnte das Gerichtsurteil in der Tat zu einer weiteren Steuerbelastung führen. Das hängt damit zusammen, wie sich die Grundsteuer errechnet. Das Finanzamt hat für jede der 110 000 grundsteuerpflichtigen Einheiten in Augsburg eine fiktive Wertermittlung in der Schublade liegen, die in den alten Bundesländern auf Werten von 1964 fußt. Diese veraltete Wertermittlung, die es für jedes Grundstück gibt, ist die Berechnungsbasis.
Das Gericht bemängelt unter anderem, dass die Verwendung von Werten aus dem Jahr 1964 unberücksichtigt lässt, dass es in vielen Boom-städten zu teils deutlichen Wertsteigerungen gekommen ist, während sich auf dem flachen Land wenig tat. Augsburg zählt sicher auch zu den Städten mit starkem Zuzug und entsprechender Preisentwicklung – im bundesweiten Vergleich haben die Immobilienpreise in den vergangenen fünf Jahren mit am stärksten angezogen, auch wenn die absoluten Werte noch weit unter den Preisen etwa in München liegen. Die Baulandpreise sind von 2015 auf 2017 um rund 25 Prozent gestiegen (wir berichteten). Das legt nahe, dass die Augsburger Grundstücke bei der Steuererhebung künftig höher bewertet werden.
Allerdings hat die Stadt die Möglichkeit, gegenzusteuern. Denn jede Kommune legt für sich einen sogenannten Hebesatz fest, also einen Faktor, mit dem der fiktive Grundstückswert multipliziert wird. Am Ende steht der Steuerbetrag. Sollten Grundstücke in Augsburg grundsätzlich höher bewertet werden, müsste die Stadt ihren Hebesatz senken, um eine Steuerexplosion zu vermeiden. Augsburg belegt seit der Erhöhung vor zwei Jahren mit einem Hebesatz von 555 Prozent in Bayern einen Spitzenplatz. Ein Bürgerbegehren dagegen verlief im Sande. Unmittelbare Folgen durch das Gerichtsurteil gibt es in Augsburg zunächst nicht, da das bisherige Verfahren bis 2024 weitergenutzt werden kann. „Mittelbar sind wir natürlich betroffen, da eine neue Bewertungsgrundlage auch zu Verwerfungen bei den Grundsteuereinnahmen führen wird“, so Weber.