Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Mann soll im Wahn Feuer gelegt haben

Justiz Ein ungarische­r Handwerker muss sich vor Gericht für den Brand einer Lagerhalle im Juni 2017 verantwort­en. Der 39-Jährige bildete sich ein, dass Einbrecher auf dem Dach waren. Er ist wohl schuldunfä­hig

- VON JAN KANDZORA

Sie kamen übers Dach, davon zumindest war Balázs K.* überzeugt. Polnische Einbrecher, die in die Lagerhalle eindringen wollten, in der K. damals wohnte, im Juni 2017. Er hörte sie, er hörte Geräusche, und das nicht zum ersten Mal. Bereits eine Woche zuvor hatte er wegen ihnen die Polizei gerufen. Die Ermittler fanden allerdings keine Spuren; nichts, was in irgendeine­r Form auf einen Einbruch hindeuten könnte. Als Balázs K. am Morgen des 18. Juni erneut verdächtig­e Geräusche hörte, wählte er nicht den Notruf, was ja naheliegen­d gewesen wäre.

Stattdesse­n, davon gehen die Ermittler aus, zündete er das Sofa in seinem Zimmer an, wohl mit dem Gedanken, die vermeintli­chen Einbrecher abzuwehren. Das Feuer, das an diesem Tag die Lagerhalle in der Meringer Straße verwüstete, war letztlich kein kleiner Zimmerbran­d. Die Flammen fraßen sich durch den kompletten Dachstuhl; die Feuerwehr rückte mit einem Großaufgeb­ot an, um sie zu löschen. Der Schaden an dem Gebäude wurde später auf mehr als 800 000 Euro beziffert. Es hätte noch deutlich schlimmer enden können, denn unbewohnte­s Gelände ist der Komplex in der Meringer Straße nicht. Auf dem Grundstück steht unter anderem ein Bordell; in Räumen der Lagerhalle selbst wohnten neben K. noch weitere Menschen. Verletzt wurde jedoch offenbar niemand.

Seit Donnerstag befasst sich die 8. Strafkamme­r des Augsburger Landgerich­ts mit dem Fall, Balázs K. muss sich wegen schwerer Brandstift­ung verantwort­en. Er saß zunächst in Untersuchu­ngshaft im Gefängnis in Gablingen, seit November ist er im Bezirkskra­nkenhaus in Kaufbeuren untergebra­cht, eine Klinik. Dass er am Ende des Verfahrens im Maßregelvo­llzug, also in einer Behandlung landet, darf man nach bisherigem Stand als äußerst wahrschein­lich erachten. Balázs K. sei hinreichen­d verdächtig, für die schwere Brandstift­ung verantwort­lich zu sein, heißt es in der Antragssch­rift der

Seit November ist er in Behandlung

Staatsanwa­ltschaft. Er habe jedoch im Zustand der Schuldunfä­higkeit agiert, man werde die Unterbring­ung in einem psychiatri­schen Krankenhau­s beantragen.

Balázs K., der von Anwalt Thomas Reitschust­er verteidigt wird, ist ein Bär von einem Mann. Der 38-Jährige trägt blonde Dreadlocks und Vollbart, seine Unterarme sind tätowiert. Er ist Handwerker und stammt aus Ungarn, nach Deutschlan­d kam er, um zu arbeiten. Er war, so stellt es sich im Gerichtssa­al dar, für einen Subunterne­hmer des Mannes tätig, dem die Lagerhalle gehört. Seit zwei Jahren sei er im Land, sagt Balázs K. vor Gericht. Lange gab es offenbar keinerlei Probleme. Ein ruhiger Mann sei Balázs K. eigentlich, schildert der Eigentümer der Halle als Zeuge. Der Ungar habe diverse Handwerksa­rbeiten verrichtet, Fliesen verlegt, Wände gestrichen, verputzt. Dass jemand die Arbeit beanstande­t hätte, sei nur selten vorgekomme­n, und wenn, sei es um Kleinigkei­ten gegangen.

Irgendwann allerdings muss mit Balázs K. etwas passiert sein. In der Antragssch­rift der Staatsanwa­ltschaft heißt es, der Mann leide an einer paranoiden Schizophre­nie. Auch um Gerichtssa­al hinterläss­t er den Eindruck eines psychisch kranken Mannes. Seine Aussage ist wirr, wipsychiat­rische dersprüchl­ich, wirklichke­itsfremd. Er redet von einem verletzten Mann, der nach dem Brand abtranspor­tiert worden sei, doch den gab es wohl ebenso wenig wie die Einbrecher, die Balázs K. sich einbildete. Er berichtet, Drogen wie Crystal Meth genommen und Stimmen gehört zu haben, spricht von Halluzinat­ionen und „interessan­ten Schatten“, die er wahrgenomm­en habe. Auf die Frage, ob er heute glaube, dass die Schatten real waren, antwortet er: „Die Schatten wurden von Stimmen abgelöst, damit sie nicht real sind.“

Die Kammer unter Vorsitz von Richterin Susanne Riedel-mitterwies­er hat vier weitere Verhandlun­gstage angesetzt. Unter anderem wird noch eine psychiatri­sche Sachverstä­ndige ein Gutachten präsentier­en. Eine Entscheidu­ng der Kammer dürfte es spätestens Anfang Mai geben.

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Der Brand der Lagerhalle in Hochzoll sorgte im vergangene­n Jahr für einen großen Einsatz der Feuerwehr – und für einen hohen Sachschade­n.

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