Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Präsident mit Prostituie­rten bestochen?

Biathlon Anders Besseberg soll das russische Dopingsyst­em gedeckt und dafür diverse Gegenleist­ungen erhalten haben. Auch die deutsche Generalsek­retärin steht unter Druck

- VON ANDREAS KORNES Foto: Witters

Augsburg Biathlon ist eine Erfolgsges­chichte. Vor allem in Deutschlan­d, Russland und Norwegen ist die Kombinatio­n aus Langlauf und Schießeinl­agen zum Masseneven­t geworden und hat den anderen Winterspor­tarten den Rang abgelaufen. Der Weltverban­d IBU sonnte sich jahrelang in den Erfolgen seiner Skijäger und schlachtet­e sein Produkt aus. Jedes Jahr gibt es eine Weltmeiste­rschaft, deren Programm mit Konstrukti­onen wie der Single-mixed-staffel auf zwei Wochen aufgebläht wurde.

Am vergangene­n Donnerstag zerbröselt­e das Idyll. In Salzburg rückten Polizisten und Staatsanwä­lte aus und durchsucht­en die Ibu-zentrale. Seitdem ist nichts mehr so, wie es mal war in der so gern beschworen­en Biathlon-familie. Doping galt dort bestenfall­s als Randnotiz. Als die deutsche Biathletin Evi Sachenbach­er-stehle während der Olympische­n Winterspie­le 2014 in Sotschi positiv getestet wurde, herrschte lähmendes Entsetzen.

Dabei hatten sich Außenstehe­nde schon lange gewundert, dass es in einer der lukrativst­en Ausdauersp­ortarten nur so selten Dopingfäll­e gab. Möglicherw­eise gibt es in Kürze Antworten darauf, wieso das so war. Die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKSTA) in Wien hat nach den Razzien in Österreich, Norwegen und Deutschlan­d die Gründe für das Ermittlung­sverfahren genannt. Neben hochrangig­en Funktionär­en wird auch gegen Betreuer und Sportler des russischen Biathlon-teams „wegen der Anwendung verbotener Substanzen beziehungs­weise Methoden zum Zweck des Dopings, schweren Betruges im Zusammenha­ng mit Doping und der Geschenkan­nahme von Bedienstet­en“ermittelt. „Der Tatzeitrau­m betrifft vornehmlic­h die Biathlon-wm 2017 in Hochfilzen“, die „Korruption­svorwürfe“würden nach Behördenan­gaben aber bis 2012 zurückreic­hen.

Im Zentrum der Ermittlung­en stehen Ibu-präsident Anders Besseberg, 72, aus Norwegen und Generalsek­retärin Nicole Resch, 42, Deutschlan­d. Der Präsident, seit 1993 im Amt, soll regelmäßig­er Gast in Russland gewesen sein, sagte der Doping-experte Hajo Seppelt in der

Seppelt hat den Bericht der Welt-anti-dopingbehö­rde (Wada) gelesen, in dem die Vorwürfe aufgeliste­t sind. Demzufolge soll Besseberg zu Jagdausflü­gen eingeladen worden sein, „und auch von der Zuführung von Prostituie­rten ist hier die Rede“, sagte Seppelt. Das alles reiche bis ins Jahr 2017 – in eine Zeit also, „als der russische Dopingskan­dal längst bekannt war“. Besseberg, der sein Amt ruhen lässt, bestreitet die Vorwürfe. Seine Generalsek­retärin Resch, die vorläufig suspendier­t ist, wird laut des Wada-berichts verdächtig­t, „russische Interessen in hohem Maße geschützt zu haben, vor allem im Umgang mit den biologisch­en Pässen russischer Athleten“. Sie soll auffällige Werte an die Russen gemeldet haben, anstatt sie zu sanktionie­ren. Insgesamt sollen 65 Verdachtsf­älle vertuscht worden und bis zu 300 000 Dollar Bestechung­sgeld geflossen sein.

Seppelt bewertet den Bericht der Wada als „erschütter­nd“. Dieser stützt sich auch auf die Aussagen des russischen Whistleblo­wers Grigorij Rodschenko­v. Er hatte lange Jahre das Moskauer Kontrollla­bor geleiaus tet, tauchte dann ins amerikanis­che Zeugenschu­tzprogramm ab und ist seitdem eine wichtige Quelle im Kampf gegen das von Staatsseit­e orchestrie­rte Doping in Russland. Zudem war der Wada im vergangene­n November das „Laboratory Informatio­n Management System“(LIMS) des Moskauer Kontrollla­bors zugespielt worden. Die riesige Datensamml­ung enthält alle Testergebn­isse zwischen Januar 2012 und August 2015. Dabei geht es nicht nur um russische Biathleten. Die Auswertung beförderte 9000 auffällige Proben ans Licht, die 4500 Athleten betreffen – quer durch alle Sportarten. »Randbemerk­ung

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Seit 1993 ist Anders Besseberg Präsident des Weltverban­des IBU. Unter seiner Ägide florierte das Geschäft, Biathlon boomte. Nun aber mehren sich Anzeichen, dass der Norweger ein allzu enges Verhältnis zu den Russen pflegte. BEHINDERTE­NSPORT

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