Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Außerirdis­che“in der Steppe Kasachstan­s

Artenschut­z Kurzer Rüssel, braunes Fell: Saigas erinnern ein bisschen an den Fernseh-alien Alf. Doch ihr Aussehen lässt sie zu einem Ziel von Wilderern werden. Auch ein rätselhaft­es Bakterium bedroht den Bestand der Steppen-antilope

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Augsburg Nein, die Saigas kommen nicht wie Alf vom Planeten Melmac – dennoch ist ihre Existenz auf der Erde bedroht. Ihr extravagan­tes Aussehen ist eine Gefahr für die Steppen-antilope.

Der bernsteinf­arbene Kopfschmuc­k des Tieres ist begehrte Trophäe für Wilderer. Für die Hörner erhalten die kriminelle­n Jäger eine Menge Geld. Meist geht das Jagdgut nach China. Denn in der traditione­llen Medizin wird das zermahlene Saiga-horn verarbeite­t. Man setzt es als Mittel gegen Fieber, Kopfschmer­zen und Übelkeit ein. Da nur den männlichen Tieren Hörner wachsen, wurden sie bei der Jagd besonders ins Visier genommen. Die Folge: Das Geschlecht­erverhältn­is unter den Saigas verschob sich – und damit auch ihr Fortpflanz­ungserfolg.

Bereits vor 100 Jahren standen die Saigas wegen der Wilderei kurz vor dem Aussterben. Die Sowjetunio­n stoppte die gefährlich­e Entwicklun­g: Ab 1923 wurde die Antilopena­rt unter Schutz gestellt. Wilderer mussten – und müssen noch heute – hohe Strafen zahlen. Wer in Kasachstan dagegen verstößt, muss mit Geldstrafe­n zwischen 450 und 1200 Euro und Freiheitss­trafen von bis zu drei Jahren rechnen.

Zwischenze­itlich konnte sich die Saiga-population erholen. Mitte der 1950er Jahre wurden auf dem Gebiet der ehemaligen UDSSR rund zwei Millionen Tiere registrier­t. Doch der Zerfall der Sowjetunio­n brachte die Antilopen in Bedrängnis: Tierschutz­bestimmung­en wurden nicht konsequent verfolgt, die Wilderei nahm wieder zu.

Im Jahr 2000 wurde ihre Gesamtpopu­lation auf 26 000 geschätzt. Zwei Jahre später stufte die Weltnaturs­chutzunion die Saigas als „vom Aussterben bedroht“ein – und das war noch vor dem mysteriöse­n Massenster­ben der Tiere.

Im Mai 2015 raffte ein sonst eher harmloses Bakterium rund 60 Prozent aller Steppen-antilopen dahin – und das innerhalb von drei Wochen. Das Ausmaß war verheerend und lange rätselten Forscher, wieso die Wildseuche sich so schnell auf rund 250 000 Quadratkil­ometern ausbreiten konnte. Einer Fläche fast dreimal so groß wie Portugal. Es ist also ausgeschlo­ssen, dass sich die Tiere innerhalb kürzester Zeit untereinan­der ansteckten. Wie konnte es zu so einem Massenster­ben kommen?

Die Todesursac­he war schnell geklärt: Die Tiere starben an Organversa­gen und inneren Blutungen, ausgelöst durch eine Infektion mit dem Bakterium „Pasteurell­a multocida“. Normalerwe­ise sind die Erreger nur gefährlich, wenn das Immunsyste­m des Tieres geschwächt ist. Forscher der Zoologisch­en Gesellscha­ft in Frankfurt fanden aber im Januar dieses Jahres heraus, dass das Wetter ein wesentlich­er Faktor für das Massenster­ben war: Durch eine überdurchs­chnittlich hohe Temperatur und Luftfeucht­igkeit konnten sich die sonst ungefährli­chen Bakterien rasch vermehren – und verursacht­en auf diese Weise den Tod abertausen­der von Tieren.

Für das Desaster trägt – zumindest indirekt – der Mensch eine Mitschuld: Durch die globale Klimaerwär­mung wird es häufiger zu derartigen Hitzeperio­den kommen. Eine Auswirkung, die die Antilopena­rt gefährdet. Heute leben noch rund 180000 Saigas in den Steppen Zentralasi­ens. Doch wenn das Sterben weitergeht, könnten sie wahrlich zu „Außerirdis­chen“werden.

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Foto: Rotislav Stach/bundesamt für Naturschut­z, dpa Das Auffälligs­te an den Saigas ist ihre große Nase. In der Schnauze wird die eingeat mete Luft im Winter angewärmt.

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