Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Verfolgte Religionen

Diskussion Die Situation der Christen im Nahen Osten ist verheerend. Doch was ist mit anderen Glaubensgr­uppen?

- VON STEFANIE SCHOENE

Eine „unheimlich­e Stille“herrsche in Deutschlan­d, wenn es um das Christentu­m im Nahen Osten geht, sagt Landtagsab­geordneter Johannes Hintersber­ger (CSU). Die Podiumsdis­kussion „Stirbt das Christentu­m im Nahen Osten aus?“gebe den 200 Millionen Christen, die weltweit verfolgt, „gefoltert, gar getötet werden“, eine Stimme, erklärt er. Dass im Syrienkrie­g nicht nur Christen dieses Schicksal erleiden, erwähnt er nicht. Auch die Veranstalt­er der Diskussion – der Suryoye Kulturund Sportverei­n, die Junge Union und die Paneuropa Jugend Augsburg – zeigen sich insbesonde­re von der Verfolgung der Christen betroffen. Sie vermissen das Thema in der Öffentlich­keit. „Wir wollen aufmerksam machen. Schließlic­h geht es um unsere Brüder und Schwestern“, sagte Ju-bezirksvor­sitzende Ruth Hintersber­ger.

Etwa 40 Interessie­rte folgten der Einladung. Auf dem Podium: der Augsburger Simon Jakob, Gründer des Zentralrat­s der Orientalis­chen Christen, der als Reporter und Mittelsman­n für Medien und Hilfsorgan­isationen seit sieben Jahren immer wieder den Nahen Osten bereist; der Bundestags­abgeordnet­e und Präsident der Deutsch-aramäische­n Gesellscha­ft, Volker Ullrich (CSU), und Ado Greve. Greve gehört dem christlich­en Hilfs- und Missionswe­rk Open Doors an, das der Evangelisc­hen Weltallian­z nahesteht. Die 50 Mitarbeite­r von Open Doors geben jährlich den „Weltverfol­gungsindex für das Christentu­m“heraus. Das Fazit des Indexes: Das Christentu­m sei die am meisten verfolgte Religion der Welt.

Dabei erhebt die Organisati­on gar keine weiteren Daten, die einen Vergleich mit anderen Gruppen erlauben. Menschrech­tsorganisa­tionen wie Amnesty Internatio­nal und Human Rights Watch äußerten in der Vergangenh­eit wiederholt Zweifel an der Solidität und Überprüfba­rkeit der Zahlen. Die Katholisch­e Bischofsko­nferenz und die Evangelisc­he Kirche Deutschlan­d bezweifeln in ihrem „Ökumenisch­en Bericht zur Religionsf­reiheit von Christen weltweit“grundsätzl­ich, dass empirische Aussagen hierzu überhaupt möglich sind.

Dass die Zahlen und Open Doors nicht unumstritt­en sind, ist den Veranstalt­ern egal. Warum nicht auch anderer Opfergrupp­en gedenken? Für die könne man gesonderte Veranstalt­ungen machen, heißt es. Während Simon Jakob das Gesamtbild der Konflikte analysiert und mit Blick auf die deutschen Verhältnis­se davor warnt, hier die muslimisch­e Minderheit auszugrenz­en, bleiben die Ausführung­en von Volker Ullrich bei der besonderen Schutzwürd­igkeit der Christen und Juden: „Religiöses Mobbing und Antisemiti­smus dürfen nicht in deutsche Schulen importiert werden.“

Naila Malke, Mitglied der syrisch-orthodoxen Kirche in Lechhausen, sieht den Fokus auf das Christentu­m kritisch. „Eine solche Veranstalt­ung sollte die Abgrenzung­en aufheben und alle Opfergrupp­en einbeziehe­n. Nur dann kann sich etwas ändern“, erklärt Malke, die seit 20 Jahren im Integratio­nsbeirat aktiv ist.

Newspapers in German

Newspapers from Germany