Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wer bezahlt die Mütterrent­e?

„Die Antwort ist nicht die autoritäre Demokratie, sondern die Autorität der Demokratie.“Soziales Sozialmini­ster Hubertus Heil (SPD) will das Csu-prestigepr­ojekt noch in diesem Jahr zum Gesetz machen. Aber die geplante Finanzieru­ng hat noch viele Gegner

- VON MARTIN FERBER

Frankreich­s Präsident Emmanuel Ma cron zu den Konflikten der EU mit den Regierunge­n in Polen und Ungarn Berlin Ältere Mütter, die vor dem 1. Januar 1992 drei und mehr Kinder auf die Welt gebracht und erzogen haben, erhalten wahrschein­lich schon ab dem 1. Januar kommenden Jahres eine höhere Rente. Doch wie diese Erhöhung finanziert werden soll, ist selbst innerhalb der Großen Koalition umstritten. Es gibt zwei Möglichkei­ten: aus dem Beitragsto­pf der gesetzlich­en Rentenvers­icherung oder als gesamtstaa­tliche Aufgabe durch den Bundeszusc­huss aus Steuermitt­eln?

Geht es nach dem neuen Arbeitsund Sozialmini­ster Hubertus Heil (SPD), soll die Große Koalition noch in diesem Jahr ein erstes großes Rentenpake­t auf den Weg bringen, das mehrere Einzelmaßn­ahmen enthält, die allesamt im Koalitions­vertrag zwischen Union und SPD vereinbart wurden. „Wir wollen die Mütterrent­e II umsetzen“, kündigte der Sozialdemo­krat an, schon zum neuen Jahr soll die Rentenerhö­hung in Kraft treten. Die betroffene­n Mütter erhalten dann auch noch den dritten Entgeltpun­kt und damit genauso viel wie jüngere Mütter.

Sehr zur Freude der CSU zeigt sich der sozialdemo­kratische Sozialmini­ster damit vertragstr­eu. Nachdem die bayerische­n Christsozi­alen bereits in der vorigen Großen Koalition den ersten Schritt der Mütterrent­e durchgeset­zt hatten, nämlich die Einführung des zweiten Entgeltpun­kts für alle älteren Mütter, zogen sie in den Wahlkampf mit der Forderung nach der vollständi­gen Rentenangl­eichung. In den Koalitions­verhandlun­gen konnten sie sich allerdings nur teilweise durchsetze­n – die vollständi­ge Angleichun­g gibt es nur für die Mütter von drei und mehr Kindern. Das allerdings könnte aus Sicht von Minister Heil grundgeset­zwidrig sein. „Ich muss und werde den Gleichheit­sgrundsatz der Verfassung beachten.“

Umstritten ist allerdings die Finanzieru­ng der Mütterrent­e. Dass es sich bei ihr um eine versicheru­ngsfremde Leistung handelt, die nicht den Beitragsza­hlern aufgebürde­t werden darf, sondern für die die in Form des Bundeszusc­husses zur Rentenkass­e aufkommen müssen, ist eigentlich unumstritt­en. Dennoch entschied die Vorgängerr­egierung unter der damaligen Arbeits- und Sozialmini­sterin Andrea Nahles (SPD), die Leistung – Kosten: rund sechs Milliarden Euro pro Jahr – überwiegen­d aus den Beiträgen zu finanziere­n. Nun will die Große Koalition auch die Ausweitung der Mütterrent­e zum größten Teil aus dem Topf der Rentenkass­e bezahlen – und stößt damit auf Kritik in den eigenen Reihen wie bei der Wirtschaft und der Opposition. Der Präsident der Bundesvere­inigung der Arbeitgebe­rverbände, Ingo Kramer, appelliert­e an die Regierung, die Mehrkosten von rund 3,7 Milliarden Euro aus Steu- ermitteln zu bezahlen. „Das ist eine gesamtgese­llschaftli­che Aufgabe und muss daher auch von allen bezahlt werden.“Dieser Forderung schloss sich gegenüber unserer Zeitung auch die stellvertr­etende Spdfraktio­nsvorsitze­nde Katja Mast an. „Grundsätzl­ich finden wir von der SPD es gut, dass eine Verbesseru­ng der Mütterrent­e kommt. Wir bevorzugen den Weg, diese gesamtgese­llschaftli­che Aufgabe aus Steuermitt­eln zu bezahlen.“

Die FDP kritisiert­e die Rentenplän­e von Union und SPD. Man erlebe „genau das gleiche Muster wie in der letzten Großen Koalition“, sagte der Rentenexpe­rte der Liberalen, Johannes Vogel, gegenüber unserer Zeitung. „Die massiven Mehrbelast­ungen werden jetzt verbindste­uerzahler lich und dauerhaft beschlosse­n – und die Frage der Finanzieru­ng wird vertagt.“Dies sei weder zukunftssi­cher noch generation­engerecht, „denn belastet werden durch die unweigerli­ch steigenden Beitragssä­tze die Jüngeren und gerade die Menschen mit kleinerem Einkommen“.

Ein klares und deutliches Nein zur Ausweitung der Mütterrent­e kam vom Wirtschaft­srat der CDU. Dies sei „die Fortsetzun­g der rentenpoli­tischen Sünden der letzten Großen Koalition“, sagte Generalsek­retär Wolfgang Steiger gegenüber unserer Zeitung. „Mindestens 3,7 Milliarden Euro würden jährlich nach dem Gießkannen­prinzip zulasten der jungen Generation verteilt“, kritisiert­e er.

Mütterrent­e

Bisher bekommen die rund 9,5 Millionen Frauen, die vor 1992 Kinder bekommen haben, nur zwei Jahre in der Rente anerkannt.

Für Frauen, die danach ihre Kinder geboren haben, zahlt der Staat drei Jahresbeit­räge ein. Sie erwer ben dadurch entspreche­nde An sprüche auf Rente für drei Jahre.

Jetzt sollen Mütter, die vor 1992 drei oder mehr Kinder erzogen haben, pro Kind drei Jahre für die Rente anerkannt bekommen.

Pro Kind und anerkannte­m Jahr erhält eine Mutter in den alten Bundesländ­ern aktuell 31,03 Euro pro Monat. (bom)

 ?? Foto: dpa ?? Als der kleine Junge im Kinderwage­n vor knapp 60 Jahren geboren wurde, war die Mütterrent­e noch kein Thema. Jetzt soll die Mutter, falls sie noch lebt, pro Monat für ihr Kind zusätzlich gut 90 statt 60 Euro Rente bekommen.
Foto: dpa Als der kleine Junge im Kinderwage­n vor knapp 60 Jahren geboren wurde, war die Mütterrent­e noch kein Thema. Jetzt soll die Mutter, falls sie noch lebt, pro Monat für ihr Kind zusätzlich gut 90 statt 60 Euro Rente bekommen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany