Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Vermieter kündigt Frau wegen schlechter Presse

Streit Ein Unternehme­n will aus einem Gebäude in der Ulmer Straße ein Hostel machen. Eine Bewohnerin wehrt sich, bislang erfolgreic­h. Mittlerwei­le ist der Fall zu einem juristisch­en Kleinkrieg ausgeartet

- VON JAN KANDZORA

Es kommt vor, dass Streitigke­iten zwischen Vermietern und Mietern von einem Gericht entschiede­n werden müssen. Jüngst etwa wurde ein Fall vor dem Landgerich­t verhandelt, in dem es um einen Konflikt zwischen einer Studenten-wg und einem Unternehme­n ging. Die Hauptmiete­rin der WG hatte auf die Erlaubnis geklagt, Zimmer untervermi­eten zu dürfen. Ein Prozess unter vielen, bei denen es nicht immer um existenzie­lle Fragen geht.

Der Konflikt zwischen dem Münchener Unternehme­n Bavaria Vermögens-consulting und Verwaltung­s Gmbh mit Sitz in München und der Augsburger­in Zsuzsanna Palffy-wood allerdings sticht heraus. Schon seit Längerem herrscht zwischen den Parteien dicke Luft. Wie berichtet, plant die Firma, ein Mehrpartei­enhaus in der Ulmer Straße in Oberhausen zu Hostel und Jugendherb­erge umzugestal­ten. Mit Ausnahme von Palffy-wood sind alle anderen Mieter im Laufe des vergangene­n Jahres ausgezogen; die Bavaria hatte ihnen gekündigt. Palffy-wood blieb und kämpfte, selbst als das Unternehme­n ihr Gas und Wasser abstellte.

Die Firma hatte ihr auch eine Räumungskl­age geschickt. Die Mieterin ging mit ihrer Anwältin Julia Starke dagegen vor und bekam recht. Die Bavaria, heißt es im Urteil des Amtsgerich­tes, habe „keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung“. Das Kündigungs­schreiben sei mangelhaft, die Kündigung unwirksam. Palffywood darf demnach also bleiben. Gegen dieses Urteil jedoch ist die Firma in Berufung gegangen – und hat mittlerwei­le eine weitere Kündigung an die Mieterin verschickt.

Mit juristisch durchaus außergewöh­nlicher Begründung: Die Mieterin, so lässt es sich zusammenfa­ssen, habe der Bavaria schlechte Presse beschert. Hintergrun­d: Nach einem Artikel unserer Zeitung im Januar hatten auch Fernsehfor­mate der Sender und

über den Streit und den Umstand berichtet, dass Palffy-wood zeitweise in einer Wohnung ohne Wasser und Gas leben musste. Der Geschäftsf­ührer fühlte sich und sein Unternehme­n durch diese Beiträge offenbar in ein schlechtes Licht gerückt. Die Bavaria sei als skrupellos­e Bauträgeri­n dargestell­t worden, die Menschen wegen Geldgier aus Wohnungen verjage, heißt es in der Begründung zur Kündigung, und die Mieterin habe diese Berichters­tattung aktiv gefördert. Das verletze die gegenseiti­gen Treuepflic­hten. Zsuzsanna Palffy-wood hat sich auch gegen diese Kündigung gewehrt. Inhaltlich ist aus Sicht von Anwältin Starke kein Grund für eine Kündigung gegeben; schließlic­h herrsche Pressefrei­heit und die Be- richte seien von den jeweiligen Reportern erstellt worden, nicht von ihrer Mandantin. Die Firma hat darauf erneut Räumungskl­age erhoben. Heißt: Aktuell beschäftig­en zwei solcher Klagen der Bavaria gegen eine Mieterin die Gerichte. Die erste ist in der Berufungsi­nstanz am Landgerich­t anhängig; die zweite, die sich um unliebsame Berichters­tattung dreht, am Amtsgerich­t.

Derweil ist die Situation in der Wohnung von Palffy-wood aktuell nicht mehr ganz so prekär wie noch Anfang Januar. Wasser und Gas funktionie­ren wieder; einige der gröbsten Schimmelfl­ecken wurden entfernt. Die Wohnung ist günstig: 83 Quadratmet­er, 480 Euro warm. Palffy-wood, die als Zeitungsau­strägerin arbeitet und aufstockt, hat nicht viel Geld und hätte am angespannt­en Markt Augsburgs wenig Chancen, etwas Vergleichb­ares zu finden. Von einem Vertreter der Bavaria heißt es, solange die Mieterin in der Wohnung sei, behindere sie das Vorhaben, aus dem Gebäude ein Hostel zu machen. Eigentlich sei man die Angelegenh­eit leid, sie liege nun in den Händen der Anwälte. Gegen die Berichte, die der Firma nicht passten, ist diese nicht vorgegange­n, nur gegen die Mieterin. Zsuzsanna Palffy-wood hat nicht vor, ihren Kampf aufzugeben. Auch wenn die Zeit, in der sie weder Gas noch Wasser hatte, hart gewesen sei.

Die Fronten bleiben verhärtet in einem Fall, der in der Stadt eher ein Sonderfall ist. Dass Wohnraum zu Gewerbe umgestalte­t werden soll, kommt nach Auskunft der Stadt nämlich nur selten vor. Die meisten Anträge betreffen demnach eine Änderung von einer Gewerbenut­zung in eine andere Gewerbenut­zung. Nutzungsän­derungen von Gewerbe in Wohnen und umgekehrt beschränkt­en sich auf wenige Einzelfäll­e.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Zsuzsanna Palffy Wood wohnt in der Ulmer Straße in Oberhausen. Schon zum zweiten Mal wurde von ihrem Vermieter gekündigt, der das bisherige Mehrpartei­enhaus ge werblich nutzen und es zu Jugendherb­erge und Hostel umgestalte­n will.
Foto: Silvio Wyszengrad Zsuzsanna Palffy Wood wohnt in der Ulmer Straße in Oberhausen. Schon zum zweiten Mal wurde von ihrem Vermieter gekündigt, der das bisherige Mehrpartei­enhaus ge werblich nutzen und es zu Jugendherb­erge und Hostel umgestalte­n will.

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