Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Ein Land demonstriert in Orange
Proteste Wieder gehen in den USA tausende Menschen gegen Waffengewalt auf die Straße. Schüler müssen Strafen fürchten. Doch sie wollen die Politik nicht davonkommen lassen
Washington Mehr als die Hälfte aller Jugendlichen zwischen 13 und 17 Jahren rechnen in den USA mit weiteren Schießereien an ihren Schulen. Diese Sorgen teilen einer landesweiten Umfrage zufolge auch ihre Eltern. Knapp 30 Prozent gaben an, sich keine allzu großen Sorgen um eine neuerliche Schießerei zu machen. 13 Prozent haben demnach keinerlei Ängste in Bezug auf eine Bluttat wie die in Parkland, Florida.
Dennoch: Unter dem Motto „Genug ist genug“haben am Freitag viele tausend Schüler in den USA mit einem ganztägigen Streik gegen Waffengewalt protestiert. Landesweit waren rund 2500 Veranstaltungen angemeldet, um für härtere Gesetze einzutreten. Um 10 Uhr Ortszeit verließen Schüler ihre Klassenräume und ihre Schulgelände, um gegen die Politik aufzustehen.
Das alles geschah neun Wochen nach dem Schulmassaker von Parkland, bei dem 17 Menschen starben. Außerdem jährte sich am Freitag das Massaker an der Columbine High School im Us-bundesstaat Colorado zum 19. Mal. Im Jahr 1999 hatten zwei Teenager dort zwölf Mitschüler und einen Lehrer erschossen.
In der Hauptstadt Washington sagte Schüler Hiam Bailas auf dem Weg zum Protest vor dem Weißen Haus: „Mir ist ein Verbot halbautomatischer Waffen am wichtigsten. Es muss etwas geschehen. Ich bin 18 und kann eine Waffe kaufen. Das ist nicht okay.“In New York sagte Arielle Geismar, 16 Jahre alt und Mitgründerin von „New York says enough“(auf deutsch: „New York sagt, es reicht“), dem Sender „Wir wollen, dass Gesetzesänderungen beschlossen werden.“
Der Streik ist Teil einer Protestwelle in den USA, die seit Wochen andauert. An der High School von Parkland in Florida hatte im Februar der 19-jährige Nicolas Cruz 14 Schüler und drei Erwachsene erschossen. Auch dort protestierten viele Schüler. Sie malten ein großes Transparent mit der Aufschrift „Nie wieder“. Ihre Lehrer, die während der Unterrichtszeit nicht das Gelände ihrer Schule verlassen durften, trugen allesamt Orange – die Farbe des Protests. Sie hielten Schilder wie „Unsere Leben hängen von vernünftigen Waffengesetzen ab!“
Die meisten Schüler müssen sich nach dem Streik am Freitag auf disziplinarische Maßnahmen einstellen. Die Ausstände gehen auf die 16 Jahre alte Initiatorin Lane Murdock aus Connecticut zurück. Sie startete nach dem Attentat von Parkland eine Online-petition auf der Plattform change.org, die von deutlich mehr als 250000 Menschen unterzeichnet wurde. Murdock sagte zu den wiederholten Attentaten auf Schulen: „Wir sollten entsetzt sein. Wir sind es nicht mehr. Es ist Teil der amerikanischen Kultur.“
Die Ausstände sollten mit 13 Sekunden der Stille beginnen, je einer für alle Getöteten an der Columbine High School. Dazu kam eine Minute der Stille als genereller Protest gegen Waffengewalt. In Littleton gab es an der Columbine High School selbst keinen Streik. Seit dem Massaker bleibt die Schule am Jahrestag des Attentats geschlossen.
Ausgerechnet am Tag der Proteste wurde aus Florida von einem neuen Zwischenfall berichtet. Nach Angaben lokaler Medien schoss in der Stadt Ocala ein Schüler an der Forest High School durch eine geschlossene Tür. Er verletzte einen Mitschüler am Knöchel und wurde auf der Flucht festgenommen. Im gesamten Bezirk Marion County wurden die Schulausstände danach verboten.