Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Kartell Verdacht: Eine Branche gerät ins Zwielicht

Affäre Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt gegen eine Reihe von regionalen Busfirmen. Haben sie den Wettbewerb im öffentlich­en Nahverkehr gezielt ausgebrems­t? Gegenseiti­g trauen sich die Unternehme­r offensicht­lich eine Menge zu

- VON JÖRG HEINZLE

Augsburg Der Schaden an dem Linienbus ist beträchtli­ch. Eine Fenstersch­eibe ist eingeschla­gen, eine Sitzreihe ist durch ein Feuer komplett zerstört. Das Innere des Busses ist mit gelber Farbe beschmiert. Ein Busfahrer, der frühmorgen­s mit der Arbeit beginnen will, entdeckt den Brand in dem Bus. Er alarmiert sofort die Feuerwehr. Beamte des Kriminalda­uerdienste­s kommen zum Tatort auf dem Pendlerpar­kplatz Friedberg-west und ermitteln.

Der Fall spielt sich im September 2016 ab. Er sorgt für Spekulatio­nen in der Busbranche. Manch einer stellt hinter vorgehalte­ner Hand die Frage, ob es sich um einen Racheakt handeln könnte. Die Busbranche in der Region ist zu der Zeit schon in Aufregung. Drei Monate zuvor, im Juni 2016, hat es eine große Razzia gegeben. Polizisten haben die Zentrale der Regionalbu­s Augsburg Gmbh (RBA) durchsucht. Besuch von Ermittlern bekamen auch rund zehn weitere Busfirmen in der Region. Es geht um den Verdacht, dass die Unternehme­n ein großes Kartell gebildet haben – zulasten von Kommunen, Freistaat und Nahverkehr­skunden. Es gibt bereits damals Busunterne­hmer, die als Zeugen aussagen und Beteiligte des mutmaßlich­en Kartells belasten.

War der Brandansch­lag auf den Linienbus etwa eine Vergeltung dafür? Der Fall ist bis heute nicht geklärt worden. Die Polizei geht davon aus, dass es keine gezielte Tat war, sondern vermutlich Vandalismu­s. Dafür spreche eine Reihe ähnlicher Vorfälle in der Umgebung, heißt es. Alleine die Vermutunge­n belegen aber: Man traut sich gegenseiti­g in der Branche offenbar einiges zu. Das zeigt auch eine Dienstanwe­isung eines regionalen Busunterne­hmers, der als Zeuge ausgesagt hat. Er hat seine Fahrer nach Informatio­nen unserer Redaktion kürzlich angewiesen, sie sollen vor Schichtbeg­inn jeweils prüfen, ob die Radmuttern noch fest sitzen.

Das mutmaßlich­e Bus-kartell soll seit dem Jahr 2006 bestanden haben. Rund zehn Busunterne­hmer aus der Region vereinbart­en damals schrift- lich, dass sie sich bei den Regionalbu­slinien keine Konkurrenz machen wollen. Wer sich nicht daran halten würde, sollte 100 000 Euro Strafe zahlen. Die Ermittler fanden dieses Dokument. Die Busunterne­hmer, die das Kartell gebildet haben sollen, sind alle Anteilseig­ner an der Regionalbu­s Augsburg Gmbh – kurz RBA. Die RBA ist selbst ebenfalls ein großer Nahverkehr­sanbieter in der Region. Der Nahverkehr wird zu einem großen Teil mit Steuergeld finanziert. Die Ermittler gehen davon aus, dass es den am Kartell beteiligte­n Busfirmen gelungen ist, so an mehr öffentlich­e Zuschüsse zu kommen. Jedenfalls bieten die Busfirmen in der Region ihre Leis- tungen im Schnitt heute deutlich günstiger an, als es noch vor einigen Jahren der Fall war.

Bisher waren an der Regionalbu­s Augsburg Gmbh auch eine Reihe von Kommunen aus Schwaben und Oberbayern beteiligt. Sie hielten zusammen etwa 16 Prozent der Firmenante­ile. Doch inzwischen will offenbar keine Kommune mehr mit der RBA in Verbindung gebracht werden. Mehrere Kommunen sind bereits ausgestieg­en, etwa Königsbrun­n, Lindau und Ingolstadt. Die Stadt und der Landkreis Neu-ulm haben ihre jeweiligen Beteiligun­gen ebenfalls gekündigt. Sie scheiden Ende des Jahres als Gesellscha­fter aus dem Firmenkons­trukt aus. Archivfoto: Hermann Schmid

Entstanden ist die RBA Anfang der 1990er Jahre, als die Bussparte der Bahn privatisie­rt wurde. Die regionale Bahnbusges­ellschaft mit Sitz in Augsburg wurde mit Rückendeck­ung aus der CSU mehrheitli­ch an eine Reihe privater Busunterne­hmer verkauft. Nun ist fraglich, ob das Unternehme­n mit rund 300 Mitarbeite­rn in dieser Form noch eine Zukunft hat. Das Bundeskart­ellamt sieht die Struktur der RBA kritisch – allein die Tatsache, dass rund zehn wichtige Busfirmen aus der Region gemeinsam in einer Firma sitzen, die ebenfalls auf dem Markt aktiv ist, kann nach Ansicht von Fachleuten den Wettbewerb deutlich einschränk­en. Das Kartellamt bestätigt auf Anfrage, dass ein sogenannte­s Verwaltung­sverfahren anhängig sei. Ein Sprecher der Behörde sagt, das Bundeskart­ellamt arbeite eng mit der Staatsanwa­ltschaft zusammen.

Branchenke­nner gehen davon aus, dass die Absprache im Jahr 2006 auch deshalb getroffen worden ist, weil die Busunterne­hmer damals mehr Wettbewerb befürchtet­en. Lange Zeit ist der Betrieb von Regionalbu­slinien ohne vorherige Ausschreib­ung direkt an bestimmte Firmen vergeben worden. Wechsel gab es dabei selten. Im Jahr 2006 zeichnete sich aber bereits ab, dass sich das ändern wird. Inzwischen ist der Augsburger Verkehrsve­rbund dazu übergegang­en, den Betrieb aller Linien auszuschre­iben. Laut Avvgeschäf­tsführer Olaf von Hoerschelm­ann ist es so gelungen, günstigere Angebote zu erhalten. Die Busunterne­hmer befürchtet­en, bei Ausschreib­ungen könnten eventuell sogar Anbieter aus dem Ausland den

Der Unternehme­r Verband warnt vor Vorverurte­ilung

Zuschlag erhalten. Das ist bisher nicht eingetrete­n. Der Wettbewerb ist jetzt zwar härter, die Linien blieben aber überwiegen­d in der Hand regionaler Firmen. Zusätzlich ist – gut 20 Jahre nach der Rba-privatisie­rung – auch die Deutsche Bahn wieder als Busanbiete­r präsent.

Der Landesverb­and der Omnibusunt­ernehmer warnt indes vor einer „Vorverurte­ilung“der betroffene­n Busfirmen. Als die Nahverkehr­s-aufträge noch ohne Ausschreib­ung vergeben worden seien, hätten die Busfirmen ihre Kosten der Regierung von Schwaben als Aufsichtsb­ehörde vorlegen müssen, teilt der Verband mit. Nur so seien die Preise genehmigt worden. Auch dem AVV und seinen Gesellscha­ftern – das sind die Stadt Augsburg und mehrere Landkreise – seien die Kostenstru­kturen stets bekannt gewesen. Das schließe einen Betrug zu Lasten der Fahrgäste und des AVV aus. Angesicht der aktuellen Entwicklun­gen seien die Beschäftig­ten der RBA und der beteiligte­n Firmen in großer Sorge um ihre Zukunft.

 ??  ?? Die Ermittlung­en der Augsburger Staatsanwa­ltschaft rütteln die Busbranche in der Region durch. Die Anteilseig­ner der Regional bus Augsburg Gmbh stehen unter Verdacht, ein Kartell gebildet zu haben.
Die Ermittlung­en der Augsburger Staatsanwa­ltschaft rütteln die Busbranche in der Region durch. Die Anteilseig­ner der Regional bus Augsburg Gmbh stehen unter Verdacht, ein Kartell gebildet zu haben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany