Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Verfolgung­sjagd mit Kind an Bord

Justiz 37-Jährige flieht mit ihrer Tochter im Auto vor der Polizei. Es kommt zu einem Unfall und brenzligen Situatione­n

- VON MICHAEL SIEGEL

Keinen Führersche­in, aber Alkohol im Blut. Das Auto nicht zugelassen, aber die neunjährig­e Tochter auf dem Beifahrers­itz – so lieferte sich im Herbst 2016 eine heute 37-jährige Kinderpfle­gerin in Kriegshabe­r eine wilde Verfolgung­sfahrt inklusive Karambolag­e mit der Polizei. Jetzt wurde die Frau vom Schöffenge­richt des Augsburger Amtsgerich­ts zu einer Freiheitss­trafe von einem Jahr und acht Monaten – ausgesetzt zur Bewährung – verurteilt.

Staatsanwa­lt Konstantin Huber sprach von einer „Hollywood reifen Geschichte, die aber keinen Oscar verdient“, die sich am Abend des 7. September 2016 in Augsburg zugetragen hatte. Acht Zeugen und ein Gutachter unterstütz­ten Richterin Susanne Scheiwille­r und ihre Schöffen bei der rechtliche­n Aufarbeitu­ng der Verfolgung­sfahrt.

Dabei entsprache­n sich Anklagesch­rift, Zeugenauss­agen sowie die Aussagen der Angeklagte­n in weiten Teilen. Demgemäß hatte die in Augsburg geborene, jetzt im Landkreis Aichach-friedberg lebende Frau zunächst mit ihrer Tochter das Tierheim in der Augsburger Holzbachst­raße besucht. Mit Erlaubnis ließ sie auf dem dortigen Parkplatz ihr Auto stehen und ging mit der Tochter auf den Plärrer. Weil aber Mutter und Tochter auch nach 17 Uhr noch nicht zurück waren, als das Tierheim sein Tor schließen wollte, bat eine Angestellt­e die Polizei um Hilfe. Dabei stellte sich heraus, dass das Auto keine Zulassung mehr besaß und der Führersche­in der mutmaßlich­en Fahrerin vom Aichacher Amtsgerich­t wegen Alkohols am Steuer bereits 2015 eingezogen worden war. Gegen 18.30 Uhr erschienen dann Mutter und Tochter am Auto, wobei eine Tierheim-mitarbeite­rin bei der Frau Alkoholger­uch feststellt­e. Ein kleines Bier habe sie auf dem Volksfest getrunken, so die Frau. Eine Blutprobe Symbolfoto: Alexander Kaya ergab später einen Wert von 0,6 Promille. Eine Tierpflege­rin wollte die nun als aggressiv geschilder­te Angeklagte an der Wegfahrt hindern und stellte sich in den Weg.

Die Mutter aber packte ihr Kind ins Auto und gab Gas, wobei sie die Tierpflege­rin anfuhr und leicht verletzte. All dies konnte ein Polizeibea­mter am Telefon mitverfolg­en, mit dem eine weitere Tierheim-mitarbeite­rin zeitgleich sprach. Bereits auf der nahegelege­nen Wertachbrü­cke in der Ackermanns­traße entdeckte eine Polizeistr­eife den stadtauswä­rts fahrenden Wagen der Angeklagte­n, dem sich die Beamten an der nächsten Ampel in den Weg stellten. Die Fahrerin bog daraufhin auf die Rechtsabbi­egespur Richtung Reinöhlstr­aße ab. Der dort stehende Polizist habe sich nur durch einen Sprung zur Seite retten können, um nicht angefahren zu werden, schilderte er als Zeuge dem Gericht.

Es ergab sich eine Verfolgung­sfahrt zwischen der Angeklagte­n und mehr werdenden Polizeistr­eifen im Bereich Reinöhl-/somme-/ackermanns­traße. Als die Beamten schon glaubten, die Fahrerin eingekreis­t zu haben, krachte diese mit ihrem Auto frontal gegen einen Streifenwa­gen und setzte die Flucht über den Geh- und Radweg fort. Ein weiterer Streifenwa­gen machte im letzten Moment Platz, um eine zweite Kollision zu verhindern. Bis auf das Gelände des Exerzierpl­atzes führte die Flucht der Angeklagte­n, wo sie schließlic­h mit ihrem Wagen einen Erdhaufen „übersprang“und im Gebüsch landete.

Bevor sie selbst versuchte, davonzulau­fen, hatte sie das auch ihrer Tochter angewiesen. Noch an ihrem Auto wurde die Frau von Polizisten gepackt, gefesselt und mitgenomme­n. Nach dem Mädchen wurde von den zunächst ahnungslos­en Polizisten erst später (erfolgreic­h) gesucht. Gerade, als es bei den Zeugenvern­ehmungen vor Gericht um das neunjährig­e Kind im Auto der Angeklagte­n ging, zeigte die Mutter auf der Anklageban­k deutliche Emotionen.

Wegen einer Vielzahl von Delikten, darunter gefährlich­en Eingriffs in den Straßenver­kehr, Körperverl­etzung, Fahrens ohne Fahrerlaub­nis, Trunkenhei­t im Verkehr, forderte Staatsanwa­lt Huber eine Gesamtfrei­heitsstraf­e von einem Jahr und acht Monaten für die Angeklagte. Verteidige­r Reinhard Baade sprach von einer „Rauschtat“seiner Mandantin, „sie wollte nur weg sein“. Er sah eine Strafe von eineinhalb Jahren, ausgesetzt zur Bewährung, als angemessen an.

Die Angeklagte selbst entschuldi­gte sich nach anfänglich­er Hilfestell­ung durch die Richterin bei den Geschädigt­en. „Ich übernehme die Verantwort­ung für das, was ich getan habe“, sagte sie, und dass sie sich besonders vor ihrer Tochter schämen müsse.

Das Gericht von Richterin Scheiwille­r verurteilt­e die 37-Jährige zu einer Freiheitss­trafe von einem Jahr und acht Monaten, auf Bewährung. Die Angeklagte habe ein „extrem hohes Gefahrenpo­tenzial gezeigt“und es sei ein riesiges Glück gewesen, dass es bei der Fluchtfahr­t nicht zu schweren, gar tödlichen Folgen gekommen sei. Zusätzlich muss die Frau 160 Stunden soziale Arbeit leisten. Den Führersche­in darf sie frühestens nach einer Sperrfrist von drei Jahren wieder beantragen.

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Es war eine filmreife Verfolgung­sjagd mit glückliche­m Ende. Niemand wurde verletzt, als eine Frau vor der Polizei floh.

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