Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Die neuen „Einbrecher“benutzen das Telefon
Kriminalität Den Trend zu immer mehr Einbrüchen hat die Polizei gestoppt – und sogar umgekehrt. Nun macht den Ermittlern eine andere Form der Kriminalität Sorgen. Betrugsanrufe richten inzwischen Schäden in der selben Liga an
Die neuen Einbrecher steigen nicht heimlich in die Wohnung ein. Sie brechen keine Terrassentür auf, schlagen kein Kellerfenster ein. Sie rufen einfach an. Über mehrere Jahre hinweg waren Einbrüche das große Thema im Raum Augsburg. Die Fallzahlen sind gestiegen, Bewohner von stark betroffenen Vierteln und Orten waren in Sorge. Inzwischen gibt es Entwarnung, die Zahlen sind stark gesunken. Dafür gibt es eine neue Form der Kriminalität, die der Polizei derzeit große Sorgen bereitet. Betrüger geben sich am Telefon als Polizisten und Staatsanwälte aus. Der Schaden ist immens. Und er nähert sich im Bereich des Augsburger Polizeipräsidiums nun der Summe an, die jährlich bei Einbrüchen als Schaden entsteht.
Die neusten Zahlen des Präsidiums für das Jahr 2017 zeigen das. Einbrecher richteten in der Region voriges Jahr durch Diebstahl und Beschädigungen einen Schaden von knapp 890000 Euro an. Durch Betrug mithilfe der „Polizisten-legende“entstand in der Region ein Schaden von immerhin rund einer halben Million Euro. Während die Zahl der Einbrüche zurückgegangen ist, sind die falschen Polizisten nach wie vor sehr aktiv. „Das Thema bleibt leider aktuell“, sagt Polizeisprecher Michael Jakob. Für die Polizei ist die Betrugsmethode besonders kritisch. Denn die Opfer von falschen Polizeibeamten verlieren nicht nur viel Geld, sie verlieren auch ihr Vertrauen in die Polizei. Ein Ermittler erzählt: „Viele Betroffene wissen dann nicht mehr, wem sie überhaupt noch glauben sollen.“Die Betrüger gehen am Telefon psychologisch geschickt vor. Und sie setzen die Menschen massiv unter Druck. Bei einem Einbruch verlieren Betroffene zwar auch oft Geld und Besitz wie Schmuck oder Uhren. Bei der Falsche-polizisten-masche allerdings ist es regelmäßig so, dass Opfer den Kriminellen fast ihr gesamtes Vermögen aushändigen.
Dieser Unterschied ist auch an der Höhe des Schadens zu sehen, der im Durchschnitt bei einer Tat entsteht. Das Augsburger Präsidium zählte voriges Jahr genau 166 Einbrüche. Im Schnitt gab es dabei jeweils einen Schaden von rund 5300 Euro. Telefon-betrüger, die als falsche Polizisten anrufen, hatten in 65 Fällen Erfolg – und kassierten dabei im Schnitt rund 7700 Euro. Die Anrufer erzählen den Opfern, dass sie von der Polizei seien und Informationen über einen drohenden Einbruch hätten. Sie behaupten meist zudem, dass die Bank der Betroffenen in kriminelle Geschäfte verwickelt sei – und das Geld daher auch dort nicht sicher. So bringen sie die Opfer dazu, ihr Vermögen an die Täter zu übergeben. In dem Glauben, dass Geld und Wertsachen dann bei der Polizei in sicheren Händen sind. Tatsächlich aber ist das Geld verloren. Ein Großteil fließt offenbar zu den Hintermän- nern des organisierten Betrugs, die nach Erkenntnissen der Polizei vor allem in der Türkei sitzen.
In Augsburg gab es zuletzt zwei Prozesse gegen Helfer, die bei Opfern in der Region das Geld abholen sollten. In beiden Prozessen wurde deutlich, dass offenbar Angehörige des arabischstämmigen Familienclans Al-zein den Betrug organisieren. In beiden Fällen führten die Spuren in die Türkei, die Verbindungsleute saßen jeweils in der Mittelmeerstadt Izmir. Auch die Büros, von denen aus die Täter anrufen, befinden sich überwiegend in der Türkei. Die kriminellen Anrufer haben oft lange in Deutschland gelebt und sprechen deshalb akzentfrei deutsch. Viele der Täter seien in Deutschland straffällig geworden und in die Türkei gegangen, um der deutschen Justiz zu entkommen, sagt ein Ermittler. Bei Einbrüchen sieht es, was die Herkunft der Täter angeht, ganz anders aus: Hier ist ein großer Teil der Verdächtigen, die in der Region gefasst werden, aus Osteuropa. Sie machen etwa 50 Prozent aus. Dazu kommen Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion – ihr Anteil liegt bei etwa 20 Prozent.
Um mehr Einbrecher zu schnappen, hat die Augsburger Polizei die Ermittlungsarbeit Ende des Jahres 2015 neu organisiert. Alle Fälle landen nun bei der Kripo. So können die Ermittler dort schneller Serien und örtliche Häufungen entdecken. Der Erfolg scheint der Polizei recht zu geben. Überall in der Region ist die Aktivität von Einbrechern stark zurückgegangen. Am Besten ist die Statistik für die Stadt Augsburg. Hier hat sich die Zahl der Einbrüche mehr als halbiert – von 221 im Jahr 2016 auf 105 Fälle in 2017.
Im Kampf gegen die Telefon-betrüger hat sich die Polizei in Augsburg ebenfalls neu aufgestellt. Im vorigen Jahr wurde bei der Kriminalpolizeiinspektion mit Zentralaufgaben
Die Polizei hat sich neu aufgestellt
– so heißt die Dienststelle für Organisierte Kriminalität offiziell – eine Ermittlungsgruppe eingerichtet. Sie bearbeitet die Fälle nun ebenfalls zentral, ähnlich wie beim Einbruch. Durch Überwachungsmaßnahmen ist es den Ermittlern zuletzt auch immer wieder gelungen, zahlreiche Opfer, die bereits einen ersten Anruf erhalten hatten, noch rechtzeitig zu warnen.
Oft arbeiten die Täter in den türkischen Callcentern auf der Suche nach älteren Opfern einfach die Telefonverzeichnisse ab. Sie suchen dort nach Namen, die älter klingen. Das bemerke die Polizei immer wieder, sagt Marco Böck, im Augsburger Präsidium zuständig für Kriminalitätsbekämpfung. An einem Tag meldeten sich zum Beispiel viele Betroffene, die Irmgard heißen, kurz darauf waren dann Ingrid und Theresia an der Reihe. »Kommentar