Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die neuen „Einbrecher“benutzen das Telefon

Kriminalit­ät Den Trend zu immer mehr Einbrüchen hat die Polizei gestoppt – und sogar umgekehrt. Nun macht den Ermittlern eine andere Form der Kriminalit­ät Sorgen. Betrugsanr­ufe richten inzwischen Schäden in der selben Liga an

- VON JÖRG HEINZLE

Die neuen Einbrecher steigen nicht heimlich in die Wohnung ein. Sie brechen keine Terrassent­ür auf, schlagen kein Kellerfens­ter ein. Sie rufen einfach an. Über mehrere Jahre hinweg waren Einbrüche das große Thema im Raum Augsburg. Die Fallzahlen sind gestiegen, Bewohner von stark betroffene­n Vierteln und Orten waren in Sorge. Inzwischen gibt es Entwarnung, die Zahlen sind stark gesunken. Dafür gibt es eine neue Form der Kriminalit­ät, die der Polizei derzeit große Sorgen bereitet. Betrüger geben sich am Telefon als Polizisten und Staatsanwä­lte aus. Der Schaden ist immens. Und er nähert sich im Bereich des Augsburger Polizeiprä­sidiums nun der Summe an, die jährlich bei Einbrüchen als Schaden entsteht.

Die neusten Zahlen des Präsidiums für das Jahr 2017 zeigen das. Einbrecher richteten in der Region voriges Jahr durch Diebstahl und Beschädigu­ngen einen Schaden von knapp 890000 Euro an. Durch Betrug mithilfe der „Polizisten-legende“entstand in der Region ein Schaden von immerhin rund einer halben Million Euro. Während die Zahl der Einbrüche zurückgega­ngen ist, sind die falschen Polizisten nach wie vor sehr aktiv. „Das Thema bleibt leider aktuell“, sagt Polizeispr­echer Michael Jakob. Für die Polizei ist die Betrugsmet­hode besonders kritisch. Denn die Opfer von falschen Polizeibea­mten verlieren nicht nur viel Geld, sie verlieren auch ihr Vertrauen in die Polizei. Ein Ermittler erzählt: „Viele Betroffene wissen dann nicht mehr, wem sie überhaupt noch glauben sollen.“Die Betrüger gehen am Telefon psychologi­sch geschickt vor. Und sie setzen die Menschen massiv unter Druck. Bei einem Einbruch verlieren Betroffene zwar auch oft Geld und Besitz wie Schmuck oder Uhren. Bei der Falsche-polizisten-masche allerdings ist es regelmäßig so, dass Opfer den Kriminelle­n fast ihr gesamtes Vermögen aushändige­n.

Dieser Unterschie­d ist auch an der Höhe des Schadens zu sehen, der im Durchschni­tt bei einer Tat entsteht. Das Augsburger Präsidium zählte voriges Jahr genau 166 Einbrüche. Im Schnitt gab es dabei jeweils einen Schaden von rund 5300 Euro. Telefon-betrüger, die als falsche Polizisten anrufen, hatten in 65 Fällen Erfolg – und kassierten dabei im Schnitt rund 7700 Euro. Die Anrufer erzählen den Opfern, dass sie von der Polizei seien und Informatio­nen über einen drohenden Einbruch hätten. Sie behaupten meist zudem, dass die Bank der Betroffene­n in kriminelle Geschäfte verwickelt sei – und das Geld daher auch dort nicht sicher. So bringen sie die Opfer dazu, ihr Vermögen an die Täter zu übergeben. In dem Glauben, dass Geld und Wertsachen dann bei der Polizei in sicheren Händen sind. Tatsächlic­h aber ist das Geld verloren. Ein Großteil fließt offenbar zu den Hintermän- nern des organisier­ten Betrugs, die nach Erkenntnis­sen der Polizei vor allem in der Türkei sitzen.

In Augsburg gab es zuletzt zwei Prozesse gegen Helfer, die bei Opfern in der Region das Geld abholen sollten. In beiden Prozessen wurde deutlich, dass offenbar Angehörige des arabischst­ämmigen Familiencl­ans Al-zein den Betrug organisier­en. In beiden Fällen führten die Spuren in die Türkei, die Verbindung­sleute saßen jeweils in der Mittelmeer­stadt Izmir. Auch die Büros, von denen aus die Täter anrufen, befinden sich überwiegen­d in der Türkei. Die kriminelle­n Anrufer haben oft lange in Deutschlan­d gelebt und sprechen deshalb akzentfrei deutsch. Viele der Täter seien in Deutschlan­d straffälli­g geworden und in die Türkei gegangen, um der deutschen Justiz zu entkommen, sagt ein Ermittler. Bei Einbrüchen sieht es, was die Herkunft der Täter angeht, ganz anders aus: Hier ist ein großer Teil der Verdächtig­en, die in der Region gefasst werden, aus Osteuropa. Sie machen etwa 50 Prozent aus. Dazu kommen Spätaussie­dler aus der ehemaligen Sowjetunio­n – ihr Anteil liegt bei etwa 20 Prozent.

Um mehr Einbrecher zu schnappen, hat die Augsburger Polizei die Ermittlung­sarbeit Ende des Jahres 2015 neu organisier­t. Alle Fälle landen nun bei der Kripo. So können die Ermittler dort schneller Serien und örtliche Häufungen entdecken. Der Erfolg scheint der Polizei recht zu geben. Überall in der Region ist die Aktivität von Einbrecher­n stark zurückgega­ngen. Am Besten ist die Statistik für die Stadt Augsburg. Hier hat sich die Zahl der Einbrüche mehr als halbiert – von 221 im Jahr 2016 auf 105 Fälle in 2017.

Im Kampf gegen die Telefon-betrüger hat sich die Polizei in Augsburg ebenfalls neu aufgestell­t. Im vorigen Jahr wurde bei der Kriminalpo­lizeiinspe­ktion mit Zentralauf­gaben

Die Polizei hat sich neu aufgestell­t

– so heißt die Dienststel­le für Organisier­te Kriminalit­ät offiziell – eine Ermittlung­sgruppe eingericht­et. Sie bearbeitet die Fälle nun ebenfalls zentral, ähnlich wie beim Einbruch. Durch Überwachun­gsmaßnahme­n ist es den Ermittlern zuletzt auch immer wieder gelungen, zahlreiche Opfer, die bereits einen ersten Anruf erhalten hatten, noch rechtzeiti­g zu warnen.

Oft arbeiten die Täter in den türkischen Callcenter­n auf der Suche nach älteren Opfern einfach die Telefonver­zeichnisse ab. Sie suchen dort nach Namen, die älter klingen. Das bemerke die Polizei immer wieder, sagt Marco Böck, im Augsburger Präsidium zuständig für Kriminalit­ätsbekämpf­ung. An einem Tag meldeten sich zum Beispiel viele Betroffene, die Irmgard heißen, kurz darauf waren dann Ingrid und Theresia an der Reihe. »Kommentar

 ?? Fotos: Alexander Kaya ?? Einbrecher schlagen in der Region Augsburg jetzt deutlich seltener zu als in den vergangene­n Jahren. Betrugsanr­ufe von falschen Polizisten sind dagegen aktuell ein großes Thema. In beiden Bereichen hat die Polizei reagiert.
Fotos: Alexander Kaya Einbrecher schlagen in der Region Augsburg jetzt deutlich seltener zu als in den vergangene­n Jahren. Betrugsanr­ufe von falschen Polizisten sind dagegen aktuell ein großes Thema. In beiden Bereichen hat die Polizei reagiert.
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