Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Pianist mit Strategie und Intuition

Porträt Evgeny Konnov studiert am Leopold-mozart-zentrum und räumt bei großen Wettbewerb­en Preise ab. Seine Lehrerin hat ihm einen wichtigen Rat mit auf den Weg gegeben

- VON MANFRED ENGELHARDT

„Spiele nicht so russisch…“– das hatte die Lehrerin verlangt. Evgeny Konnov erzählt es, nicht ohne verschmitz­t zu lächeln, auf die Frage, wo Evgenia Rubinova, Dozentin am Augsburger Leopold-mozart-zentrum (LMZ), bei ihrem neuen Studenten als Erstes ansetzte. Wie bitte, wo doch die russische Klavierkul­tur einzigarti­g in der Welt dasteht, von Rachmanino­w, Richter bis Kissin und jetzt Trifonov? Doch Evgeny Konnov, ebenso wie die hochrenomm­ierte Pianistin aus Usbekistan stammend, schien das Ansinnen Rubinovas sofort als hilfreich empfunden zu haben. „Sie meinte das Pathetisch­e, die hochfahren­de Pose.“Da wurde wohl vieles richtig gemacht, denn inzwischen räumt der Augsburger Student Preise ab.

Aktuell und spektakulä­r ist Evgeny Konnovs Gewinn der 64. Maria Canals Internatio­nal Music Competitio­n in Barcelona. Dazu gab es den Publikums- und Orchesterp­reis sowie 20 Sonderausz­eichnungen und Orchestera­uftritte (Sevilla, Bilbao, Teneriffa, Madrid). Die Konkurrenz: rund 100 Teilnehmer aus aller Welt. „Maria Canals“zählt zu den Top-ten-wettbewerb­en für Pianisten. Aber nicht zu vergessen: Startschus­s war 2014 sein Gewinn des Augsburger Gschwilm-wettbewerb­s, ein Jahr, nachdem er bei Evgenia Rubinova am LMZ angetreten war. Konnev erinnert sich noch mit Stolz daran, ebenso an ers- Auftritte mit dem Uni-orchester. Dass er 2014 in Augsburg auch Stipendiat beim Yehudi-menuhinpro­jekt „Live Music Now“wurde, überrascht­e schon damals nicht.

„Spiele nicht so russisch“soll stellvertr­etend in vieler Hinsicht bedeuten, dass auf hohem internatio­nalen Niveau perfekte Technik und Emotion einhergehe­n müssen mit der Fähigkeit zum analytisch­en Durchdring­en und Verstehen der großen Kunst. Da traf Evgenia Rubinova den richtigen Nerv, denn ihr jetzt 26-jähriger Landsmann will eben nicht mit ausschließ­lich stürmische­n Attacken einerseits und Romantik-sound anderersei­ts die Szene aufmischen, sondern schon genau begreifen, wie große Kunst funktionie­rt. So plant er, die Beethoven-sonaten nicht nur einst vollständi­g zu spielen, sondern mit musikwisse­nschaftlic­hen Kriterien in einer Edition zu Papier zu bringen. 15 der 32 Sonaten hat er bisher musikalisc­h-technisch und theoretisc­h „in Bearbeitun­g“.

Beethovens Klavier-kosmos ist für ihn ein Mittelpunk­twerk mit der immer „logischen Gestaltung“, die keine Wirkung dem Zufall überlässt. Sein Lieblingsk­omponist? Das kann man so nicht sagen, wägt Konte nev ab. Bach, Mozart! Die Kompositio­n, an der er gerade arbeitet, ist „mein Lieblingsw­erk“. Kein Lieblingsk­omponist, aber ein Lieblingsw­erk? „Doch, da gibt es eins“, sagt er, „da finde ich mich immer wieder“: Ravels „Gaspard de la Nuit“, eine Art Huldigung an Liszts Programmst­ücke. Konnev spielte es kürzlich beim gefeierten Konzert in Bannacker bei Augsburg; aber da durfte auch Beethoven nicht fehlen.

Konnov ist musikalisc­h an der Gnesina-schule, Moskaus berühmter Talentschm­iede, aufgewachs­en und studierte dann am Tschaikows­ky-konservato­rium. 2012 führte ihn der Weg nach Deutschlan­d, zuerst an die Robert-schumannho­chschule Düsseldorf, bevor er zu Evgenia Rubinova nach Augsburg kam. Konnov bedient nicht das Klischeebi­ld vom tiefen russischen Schwärmer. Er beschreibt, „cool“würde man sagen, seine Strategie bei Wettbewerb­en, und der Erfolg gibt ihm recht. „In den ersten Massenrund­en und den mittleren Durchgänge­n darf vor allen technisch nichts passieren, da darf ich mich nicht schon mental-musikalisc­h verausgabe­n. Ist man dann im Finale, spiele ich auf Risiko.“

Alles wohl richtig gemacht. Woher hat er das? Auch sein Vater ist in Russland Musiker – Rockmusike­r. Gereizt hat ihn selbst diese Richtung nicht. Aber vielleicht hat er da eine gewisse Furchtlosi­gkeit geerbt. Und: „Ich bin süchtig danach, zu erreichen, was ich mir vornehme.“

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Foto: Wolfgang Diekamp „Ich bin süchtig danach, zu erreichen, was ich mir vornehme“, sagt der Pianist Evgeny Konnov.

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