Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wer sind die neuen Augsburger?
Demografie Die Zeit der großen Bevölkerungszunahme scheint vorbei – zuletzt wuchs die Stadt nur noch moderat. Die meisten Zuwächse gibt es bei den Ausländern. Diese haben mit unterschiedlichen Problemen zu kämpfen
Das Bevölkerungswachstum in Augsburg scheint nach einigen Boom-jahren inzwischen fast vollständig zum Erliegen zu kommen. Zum 31. März gab es in Augsburg 296 087 Bürger – das waren nur rund 200 mehr als zum Jahreswechsel. Das Wachstum der Vergangenheit um teils 5000 Neubürger pro Jahr ist damit für dieses Jahr in weiter Ferne. Und es gibt einen weiteren Trend: Die absolute Zahl der deutschen Staatsbürger in der Augsburger Bevölkerung ist im vergangenen Jahr trotz des leichten Wachstums erstmals seit Jahren gesunken (siehe Grafik). Das Wachstum der jüngsten Zeit speist sich ausschließlich aus ausländischen Neubürgern.
Die Flüchtlingsthematik spielt bei dieser Entwicklung nur eine geringe Rolle. Denn die meisten Neuaugsburger kommen aus der EU. „Die Eu-binnenwanderung ist spürbar und in den Größenordnungen wesentlich erheblicher als die Flüchtlingszahlen der Jahre 2015 und 2016. In Übergangsklassen stellen Flüchtlingskinder nur etwa 20 Prozent der Kinder“, so Sozialbürgermeister Stefan Kiefer (SPD). Die anderen 80 Prozent kämen zum großen Teil aus Eu-ländern oder hätten russischen oder türkischen Hintergrund.
Die Tendenz, dass verstärkt Eubürger nach Deutschland und Augsburg zuwandern, ist seit etwa zehn Jahren zu beobachten, als die Arbeitsmärkte in der EU geöffnet wurden. Von 2009 auf 2017 hat sich die Zahl der Eu-ausländer in Augsburg auf aktuell rund 30000 mehr als verdoppelt. Die Rumänen machen mit 7242 Bürgern die größte aus. Im vergangenen Jahr stellten sie mit etwa 670 Personen mehr als ein Viertel der zusätzlich hinzugekommenen Bürger. Auch Ungarn, Kroaten, Griechen und Italiener verzeichneten in den vergangenen Jahren Zuwächse, wenn auch auf deutlich niedrigerem Niveau.
Beate Weinrich ist in Augsburg bei der Caritas in der Migrationsberatung für Rumänen tätig. Auch sie registriert den steigenden Zuzug. Die Qualifikation sei gemischt: „Es gibt Akademiker wie Ingenieure oder Ärzte, aber auch Zuwanderer ohne Berufsausbildung“, sagt Weinrich. Sie kämen dann als Paketzusteller, Lagerarbeiter, Lkwfahrer oder in der Gastronomie unter. Bei den höher qualifizierten Berufen müssten erst Sprachbarrieren überwunden werden, bevor die Anerkennung von Berufsabschlüssen ein Thema wird. Fest stehe: Fast alle Rumänen seien gekommen, um zu bleiben. „Und vielen gelingt es, sich über die Jahre hochzuarbeiten.“Anders gelagert seit der Fall bei Saisonarbeitern, die immer nur für den Sommer als Bauarbeiter oder Erntehelfer nach Deutschland kommen und deren Familien in Rumänien bleiben.
Spricht man mit rumänischen Neu-augsburgern, gibt es unterschiedliche Geschichten. Zum Beispiel von der 37-Jährigen, die 2014 mit Mann und Sohn herkam. Ihr Mann arbeitet als Lkw-fahrer, die gelernte Krankenschwester ist als Pflegehelferin tätig und hofft, wieder als Krankenschwester arbeiten zu können. „Wir wollten eine bessere Zukunft für unser Kind“, sagt sie in fließendem Deutsch. Oder Ioana Tanase, 32, die Psychologie studierte, in Rumänien als Sonderpädagogin arbeitete und seit acht Monaten mit ihrem Mann, der bei einem Sicherheitsdienst arbeitet, in Augsburg lebt. Sie belegt zurzeit einen Deutschkurs. „In der Stadtbücherei sitze ich momentan in der Kinderabteilung und schaue mir die dortigen Bücher an“, scherzt sie. Wenn das Deutsch besser sitzt, will sie eine Ausbildung machen. „Wieder etwas im sozialen Bereich, vielleicht mit Kindern.“Allen Geschichten gegruppe meinsam ist: In Rumänien sei das Geld zum Leben knapp. Die Preise seien teils wie in Deutschland, die Gehälter aber viel niedriger.
Die Statistiken von Arbeitsagentur, Jobcenter und städtischem Sozialamt besagen, dass von Zuwanderern aus der EU eher wenig Sozialleistungen bezogen werden. Seit 2017 ist es ohnehin so, dass Euausländer, die nicht bereits in Deutschland gearbeitet haben, nur einen sehr beschränkten Anspruch auf Leistungen haben. Allerdings waren die Zahlen vorher auch nicht hoch. Der Anteil der Rumänen und Bulgaren unter den beim Jobcenter gemeldeten Personen mit Anspruch auf Leistungen liegt bei 2,4 Prozent – die entspricht dem Anteil dieser Gruppe an der Gesamtbevölkerung.
Zu den größten Gruppen an ausländischen Leistungsbeziehern beim Jobcenter gehören Syrer und Iraker. Deren Zahl nahm in den vergangenen Jahren – zusammen mit Flüchtlingen aus Afghanistan – zu. Aus Syrien und Irak leben aktuell jeweils rund 2300 Menschen in Augsburg, aus Afghanistan rund 1200. Dieser Zuwachs ist nur ein Bruchteil der Eu-zuwanderung.
Allerdings ist es nicht so, dass nur noch Neubürger aus dem Ausland kommen. Pro Jahr wechselt die Stadt zwischen drei und sechs Prozent ihrer Bevölkerung aus. In den vergangenen Jahren zogen jeweils zwischen 10000 und 20000 Menschen aus Augsburg fort, zwischen 11000 und 25000 zogen her, deutsche Staatsbürger im Verhältnis allerdings mit sinkender Tendenz. Im Saldo ergibt sich darum der Zuwachs bei der ausländischen Bevölkerung.
Eine aktuelle Bürgerumfrage der Stadt Augsburg ergab, dass die neu zuziehenden Bürger im Vergleich zur Bestandsbevölkerung relativ jung und überdurchschnittlich gut gebildet sind. Zu etwa 20 Prozent handelt es sich laut Auskunft der Stadt um Studenten, die Augsburg nach dem Studium zumindest zum Teil auch wieder verlassen. Personen mit Migrationshintergrund sind in der Befragung allerdings unterrepräsentiert. »Kommentar