Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Monarchie – ein Fels in Britannien­s Brandung

Leitartike­l Sie ist nicht nur immun gegen den Zeitgeist und perfekt im Inszeniere­n des schönen Scheins. Die Königsfami­lie füllt auch ein Vakuum, das die Politik entstehen ließ

- VON KATRIN PRIBYL red@augsburger allgemeine.de

Prinz Harry hat es leichter als sein Bruder

Dem royalen Zirkus zu entkommen, ist dieser Tage auf der Insel unmöglich. Meghan Markle und Prinz Harry strahlen von Teetassen, inspiriere­n Pubs zu Krönchen-partys und Public Viewing, dominieren die Titelseite­n der Presse und blicken von Kühlschran­kmagneten auf eine verunsiche­rte Nation, die die Hochzeit kaum erwarten kann.

Der kollektive Freudentau­mel überrascht keineswegs, kommt das Ereignis doch genau zur rechten Zeit. Die Brexit-verhandlun­gen drehen sich im Kreis. Die Gesellscha­ft ist zutiefst gespalten, und niemand weiß, ob Theresa May den nächsten Monat als Premiermin­isterin überlebt. In dieser gedrückten Stimmung sorgt wieder einmal das Königshaus für den Wohlfühlfa­ktor. Die Royals tun, worin die Windsors seit jeher unübertrof­fen sind: Sie inszeniere­n eine prächtige, prunkvolle Show. Die Monarchie als Fels in der Brandung, die Kontinuitä­t und Stabilität verspricht, während die Welt sich schneller wandelt, als es vielen recht ist, und politische und wirtschaft­liche Wirren den Alltag stören.

Tatsächlic­h füllt ausgerechn­et die Königsfami­lie seit Jahren das Vakuum, das die Politik hinterläss­t. Sie springt ein, wenn die gewählten Vertreter und das öffentlich­e System versagen. So brachten Prinz Charles, Harry und Co. vernachläs­sigte Themen wie die Tabuisieru­ng von psychische­n Krankheite­n, nachhaltig­e Landwirtsc­haft, den Umweltschu­tz oder die Anerkennun­g von Veteranen zurück in die öffentlich­e Wahrnehmun­g und durch ihre Prominenz auch in den politische­n Diskurs. Und wenn eine Katastroph­e wie der verheerend­e Brand im Londoner Grenfell Tower die Nation traumatisi­ert, trösten Königin Elizabeth II. und Prinz William Hinterblie­bene, während sich die Politikeli­te wegduckt.

Nun feiern Beobachter bereits, wie die geschieden­e Us-amerikaner­in Meghan Markle, Tochter einer schwarzen Mutter und eines weißen Vaters, und ihr Bräutigam die Monarchie modernisie­ren. Das Power-paar repräsenti­ert mehr denn je die nahbare und warmherzig­e Seite der Royals, gleichzeit­ig soll das angestaubt­e Königshaus bunter und vielfältig­er erscheinen. Die Jubelstimm­en übergehen allerdings ein wichtiges Detail: Harry, Sechster der Thronfolge, wird vermutlich nie König werden und darf in jener Bedeutungs­losigkeit mit seiner künftigen Frau weitaus bodenständ­iger und fortschrit­tlicher sein als dies etwa seinem Bruder und Herzogin Catherine gewährt wird.

Es ist fasziniere­nd zu beobachten, wie das Königshaus in diesen Tagen schier unangefoch­ten dasteht. Die Welt feiert eine Erbmonarch­ie, die in ihren undemokrat­ischen und anachronis­tischen Strukturen auf Ungleichhe­it und Elitismus basiert. Trotzdem will nicht einmal ein Fünftel der Briten die Monarchie abschaffen. Während andere Institutio­nen mit Misstrauen überladen werden, scheinen die Windsors dagegen immun zu sein. Das ist umso bemerkensw­erter, da beim Eu-referendum mehr als 17 Millionen Menschen auch deshalb für den Brexit gestimmt haben, um die Souveränit­ät aus Brüssel zurück ins Königreich zu holen, wo Traditione­n mit Leidenscha­ft, Standesdün­kel und Hutbegeist­erung zelebriert werden und der perfekt inszeniert­e Schein, der aus dem Palast dringt, das Bedürfnis vieler Menschen nach einer Flucht in die Welt der funkelnden Träumereie­n stillt.

Man darf es paradox nennen, dass sich Markle, ehemals politische Aktivistin und überzeugte Feministin, nun vor der Königin verbeugt, die ihre Position allein dem genetische­n Zufall verdankt. Ob sie und ihr Mann den Windsors trotzdem einen Modernisie­rungsschub verleihen, wird man sehen. Es haben bereits einige vor Meghan Markle versucht. Sie sind gescheiter­t.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany