Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Klangforsc­hung mit einer ominösen Kiste

Festival „Kling Klang Gloria!“heißt das Mozartfest für Kinder. Es schafft spielerisc­h leicht Zugänge zur Musik

- VON CLAUDIA KNIESS

Kinder macht es einfach nur neugierig, Große erinnert es an die Werkstatt von Robbie und Tobi mit dem Fliewatüüt, wenn sie einen Theaterrau­m betreten und das Plingpolyp­lü Fantastiko mitten auf der Bühne steht: Eine große Holzkiste mit Griffen, durch die ein grüner Gartenschl­auch führt und aus der Metallrohr­e ragen, auf dessen längstem ein blaues Licht blinkt. Obwohl es im Folgenden um Musik und nicht um Literatur gehen soll, steht das Blau weniger für den musikalisc­hen Blues als die blaue Blume der Romantik für Erkenntnis­lust. Diese brachten am Donnerstag auch Kinder mit, die im Rahmen des kleinen Mozartfest­es „Kling Klang Gloria!“das Kölner Gastspiel im Kulturhaus Abraxas sehen und hören durften.

Erkenntnis erhofft sich auch Ursula Marimba-knaak vom Ministeriu­m für Klangsiche­rheit (Ortrud Kegel), die anfangs gerufen wird, weil niemand sich mit der ominösen Kiste auskennt. Ein bisschen erinnert sie an Dolores Umbridge, die vom Zaubereimi­nisterium entsandt in Hogwarts nach dem Rechten sehen soll. Und ebenso magisch wie in „Harry Potter“geht es auch bald rund um das Polyplü Fantastiko zu: Aus dem Ende des Gartenschl­auchs ertönen Geräusche und, als Marimba-knaak ihn in einen Eimer mit Wasser hält, Geblubbere nebst Luftblasen. Kleine Tierchen kriechen über den Boden. Zum Glück ruft all das Klanghilf Klotz vom Institut für Tonschutz (Johannes Voit) auf den Plan, um zu verhindern, dass die erschrocke­ne Marimbakna­ak das Polyplü eliminiert.

Stattdesse­n erkunden die beiden Wissenscha­ftler es gemeinsam (Regie: Michael Miener): Zuerst klopfen sie es perkussion­istisch auf sämtlichen Flächen und Extremität­en ab, um anschließe­nd zwei Teile auseinande­rzuschiebe­n. Noch mehr bunt beleuchtet Rohre, Räder und ein altes Sonnenschi­rm-gestell kommen zum Vorschein, was das Polyplü wie ein dadaistisc­hes Kunstwerk dastehen lässt.

Stattdesse­n entpuppen sich alle Teile aber als Tonquellen – von alltäglich-simplen wie Glöckchen bis zu extravagan­ten wie Lotusflöte­n und einem elektromag­netisch reagierend­en Theremin.

Es entfaltet sich ein Klangwunde­r, das mithilfe der jungen Zuschauer über den Bühnenraum hinaus tönte und das ganze Abraxas zu einem Plingpolyp­lü Fantastiko machte: Mit Bodypercus­sion oder Hühnerstal­l-geräuschen ergänzten die Grundschül­er die analogen und elektronis­chen Klänge aus der Kiste. Am Ende sangen alle gemeinsam ein Lied. Jubel und Zugabe-wünsche bestätigte­n das Konzept der „Kling Klang Gloria!“-veranstalt­erinnen von „Mehr Musik!“, dem „erwachsene­n“Augsburger Mozartfest nicht nur ein Kinderkonz­ert, sondern eine ganze eigene Festivalwo­che für den Nachwuchs anzuhängen und dabei neben Konzerten auch auf Klangforsc­hung zu setzen.

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Foto: Frauke Wichmann Ursula Marimba Knaak (Ortrud Kegel) und Klanghilf Klotz (Johannes Voit) umkreisen das Plingpolyp­lü Fantastiko.

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