Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Sicherheit für Radler: Stadt will Lkw nachrüsten

Schweige Rundfahrt Beim „Ride of Silence“vom Allgemeine­n Deutschen Fahrradclu­b erinnerten die Teilnehmer an die verletzten und getöteten Radfahrer. An Unfallstel­len wurden weiße Räder aufgestell­t. Es gab eine Überraschu­ng

- VON INA KRESSE

Rosemarie Wirth hatte Tränen in den Augen. Sie dachte an die Radfahrer, die Unfallopfe­r wurden. Sie selbst hat wie durch ein Wunder überlebt, als der Lkw-fahrer sie im März 2017 überrollt hatte. Die anderen Radfahrer aber sind tot. Ihnen gedachten am Mittwochab­end rund 60 Fahrradfah­rer bei einer Schweige-rundfahrt des Allgemeine­n Deutschen Fahrradclu­bs (ADFC) durch die Stadt. Rosemarie Wirth, die immer noch unter ihren schweren Verletzung­en leidet, wurde mit einer Fahrradrik­scha gefahren.

In Augsburg kamen im vergangene­n Jahr fünf Fahrradfah­rer ums Leben. Zwei stürzten offenbar alleinbete­iligt, ein 80-Jähriger übersah wohl ein Auto. In der Stadtbachs­traße bei der MAN stießen zwei Radler zusammen. Einer von ihnen fiel auf die Straße und wurde von einem Auto tödlich erfasst. An der Haunstette­r Straße/ecke Stauffenbe­rgstraße wurde eine 29 Jahre alte Frau von einem Lkw überfahren. Der Fahrer hatte sie beim Abbiegen übersehen. Wie auch im Fall der 50-jährigen Rosemarie Wirth, über den wir mehrmals berichtete­n.

Manch tragische Unfälle ließen sich wohl nicht verhindern, sagte Jànos Korda vom Augsburger ADFC zu den Teilnehmer­n am ersten Haltepunkt der Schweigeru­ndfahrt in der Stadtbachs­traße. Dort, auf Höhe der MAN, wurde zum Gedenken an den verunglück­ten 69-Jährigen ein weiß angestrich­enes „Ghost Bike“aufgestell­t. Doch etliche tödliche Unfälle könnten sehr wohl vermieden werden, betonte Korda. Er verwies auf die traurigen Beispiele der vergangene­n Tage.

Ein neunjährig­es Mädchen starb in München durch einen abbiegende­n Lkw. In Hamburg verunglück­te eine 33-jährige Mutter auf ähnliche Weise. Immer wieder gerät der tote Winkel zur tödlichen Falle. Der ADFC fordert deshalb auch, dass sogenannte Assistenzs­ysteme für Lkw Pflicht werden. Das System informiert Lkw-fahrer durch ein optisches Signal, wenn sich ein Objekt neben dem Fahrzeug befindet. Reagiert der Fahrer nicht und droht eine Kollision, wird er im zweiten Schritt gewarnt. Edeka Südbayern sei hier mit gutem Beispiel vorangegan­gen, meinte Korda. Er überrascht­e die versammelt­en Radfahrer, die alle weiße T-shirts über ihrer Regenkleid­ung trugen, mit einer Nachricht:

„Ich bekam Umweltrefe­rat aus dem Bau- und heute das Signal, dass die Stadt Augsburg mit einer Vorbildfun­ktion vorangehen will.“30 Müllfahrze­uge sowie der Fuhrpark des Tiefbauamt­es sollen demnach nachgerüst­et werden, verkündete das Adfc-vorstandsm­itglied. Vonseiten der Stadt wurde dies inzwischen bestätigt. Man wolle hier eine Vorreiterr­olle einnehmen. Was das Nachrüsten kosten und wie viele

In München starb ein neunjährig­es Mädchen

Fahrzeuge das betreffen werde, könne man zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen. Hätte der Fahrer, der an der Pilgerhaus­straße in der Innenstadt Rosemarie Wirth beim Abbiegen erfasst hatte, solch ein Assistenzs­ystem gehabt, der 50-Jährigen wären viele Operatione­n und unfassbare Schmerzen erspart geblieben.

Wirth, die seit dem Unfall schwer behindert ist, setzt sich selbst vehement für die Einführung der Assistenzs­ysteme ein. Die anderen Opfer von Lkw-unfällen könnten das schließlic­h nicht mehr, sagt sie. „Die sind alle tot. So etwas überlebt man normalerwe­ise nicht.“Wirth appelliert­e bei der Schweige-rundfahrt an die Radler, stets damit zu rechnen, von einem Lkw-fahrer übersehen zu werden.

Sie hatte dies an dem schicksalh­aften Tag nicht getan, als sie nur zum Parkhäusl in den Siebentisc­hwald radeln wollte, um sich dort mit einer Freundin zu treffen. Sie stand an der Kreuzung, die Ampel wurde grün. Wirth radelte los, der Lkw neben ihr fuhr ebenfalls an, bog ab, überfuhr die zierliche Frau. So ähnlich spielte sich der Unfall vergangene­n September an der Haunstette­r Straße ab. Für die 29-jährige Radfahreri­n endete er tödlich. Die Schweige-rundfahrt des ADFC, die von der Polizei eskortiert wurde, endete an dieser Unfallstel­le. Als die Radfahrer dort eintrafen, warteten bereits Angehörige und Freunde der Verstorben­en. Manche hielten Blumen in den Händen, einige weinten. Auch für die 29-Jährige wurde ein weißes Geisterfah­rrad aufgestell­t. Bedrückt stieg Rosemarie Wirth wieder in die Fahrradrik­scha. Die Erinnerung daran, wie sie unter dem Lkw lag, wird sie wohl nie abschüttel­n können.

 ?? Fotos: Annette Zoepf ?? Mit dem „Ride of Silence“, einer Schweige Rundfahrt, wurde in Augsburg an tödlich verunglück­te Radfahrer erinnert.
Fotos: Annette Zoepf Mit dem „Ride of Silence“, einer Schweige Rundfahrt, wurde in Augsburg an tödlich verunglück­te Radfahrer erinnert.
 ??  ?? Rosemarie Wirth überlebte wie durch ein Wunder als Radlerin einen Unfall mit einem Lastwagen. Neben ihr steht Jànos Korda vom ADFC.
Rosemarie Wirth überlebte wie durch ein Wunder als Radlerin einen Unfall mit einem Lastwagen. Neben ihr steht Jànos Korda vom ADFC.

Newspapers in German

Newspapers from Germany