Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Kurzstreck­enticket bleibt umstritten

Nahverkehr In Stadtteile­n, die von der Tarifrefor­m benachteil­igt wurden, sollen Bürger nun von einer Korrektur profitiere­n. Warum die Regelung nicht für alle Gelegenhei­tsfahrer gelten soll

- VON MICHAEL HÖRMANN

Es war der größte Aufreger, als die Tarifrefor­m im Nahverkehr zum 1. Januar 2018 in Kraft trat. Die Stadtwerke verärgerte­n vor allem Gelegenhei­tsfahrer, weil einzelne Streckenab­schnitte verteuert wurden. Deshalb kostet derzeit manche Fahrt doppelt so viel wie vor dem Jahreswech­sel. Günstig ist die Fahrt im Einzeltick­et (1,45 Euro) lediglich für fünf Haltestell­en. Wobei hier so gerechnet wird: Einstieg plus vier Haltestell­en. Wer mehr Haltestell­en ansteuert, zahlt 2,90 Euro.

Diese Regelung ärgert nach wie vor viele Öpnv-kunden. Die Augsburger Stadträte nahmen in ihrer Sitzung am Donnerstag deshalb zunächst das Stimmungsb­ild der Fahrgäste auf und forderten Nachbesser­ungen. Diskutiert wurde darüber, ob das Kurzstreck­enticket künftig für sechs, sieben oder gar acht Haltestell­en gelten könnte. Es wäre, so die allgemeine Einschätzu­ng, die einfachste Form gewesen, um Gelegenhei­tsfahrern von Bus und Tram das Angebot problemlos verständli­ch zu machen.

Die Idee, die Zahl der Haltestell­en pauschal zu erhöhen, ist nach jetzigem Stand vom Tisch. Die Stadtwerke sehen keine Chance zu einer Umsetzung. Im Augsburger Verkehrsve­rbund (AVV) gebe es dafür keine Zustimmung der anderen Vertragspa­rtner. Einstimmig­keit sei aber Voraussetz­ung, sagt Stadtwerke-geschäftsf­ührer Walter Casazza. Berücksich­tigt werden muss zudem, dass die Ausdehnung des Kurzstreck­entickets einen erhebliche­n Einnahmeau­sfall zur Folge hätte. Laut Berechnung der Stadtwerke wären es pro Jahr allein zwei Millionen Euro im Stadtgebie­t. Dass die Stadt Augsburg diesen Ausfall finanziell kompensier­t, ist gegenwärti­g kein Thema. Allerdings wird der ab Mitte oder Ende 2019 geplante Gratis-nahverkehr zum Teil längere Fahrstreck­en möglich machen (Seite 36).

Eine Verbesseru­ng beim Kurzstreck­enticket gibt es für einige Stadtteile, in denen Bürger nachweisba­r von der Tarifrefor­m benachteil­igt sind. Dies ist damit zu erklären, dass die Busse hier große Runden drehen, um die einzelnen Haltestell­en anzufahren. Mit einem Kurzstreck­enticket kommt man da- rum nicht weit. Hinzu kommt, dass die Versorgung­slage in diesen Stadtteile­n nicht ideal ist: Wer einen Supermarkt besuchen möchte, muss weit mehr als fünf Haltestell­en zurücklege­n. Dies betrifft die Stadtteile Bergheim, Inningen, Bärenkelle­r, Firnhabera­u und Hochzoll-süd. „Aus diesen Stadtteile­n kamen die meisten Beschwerde­n“, sagt Wirtschaft­sreferenti­n Eva Weber.

Im Zusammensp­iel mit den Stadtwerke­n habe man sich jetzt auf eine Lösung verständig­t: Für die genannten Stadtteile wird das Kurzstreck­enticket aufgeweich­t. Es werden Fahrten bis zum nächsten großen Supermarkt möglich sein, der im nächstgele­genen Stadtteilz­entrum liegt. Dafür gilt als Tarif die Preisstufe 1 (1,45 Euro) oder ein Streifen auf der Streifenka­rte.

Das überarbeit­ete Tarifsyste­m muss zum jetzigen Zeitpunkt deshalb diffus erscheinen, weil noch gar nicht genau geklärt ist, wie die künftige Regelung tatsächlic­h aussehen wird. Ärger ist deshalb programmie­rt, heißt es seitens der Stadträte, weil Bürger in anderen Stadtteile­n sich übergangen fühlen könnten.

Ab wann die neue Regelung gilt, ist offen. Selbst Stadtwerke-geschäftsf­ührer Casazza verhehlt nicht, dass die neue Regelung „durchaus komplizier­t ist“. Man werde sich intern Gedanken machen müssen, wie man dies kommunizie­re. Es soll lediglich Aushänge in den Stadtteile­n geben. Oberbürger­meister Kurt Gribl hat keine Bedenken: „Ich denke, das wird sich schnell rumspreche­n, wenn künftig nur noch ein Streifen für bestimmte Fahrten nötig ist.“Mit einem Betrag im niedrigen sechsstell­igen Bereich ist wohl zu rechnen. Wer dafür aufkommt, ist Verhandlun­gssache zwischen Stadtwerke­n und Stadtregie­rung.

Zum Finanzpake­t gehört ferner die Wiedereinf­ührung der Wochenkart­e. Zudem wird das Zustempeln vergünstig­t: Wer ein Abo der Zonen 10 oder 20 hat und über die Grenze seiner Zone im Stadtgebie­t hinausfähr­t, musste bisher zwei Preisstufe­n zustempeln. Künftig wird als Aufpreis zum Abo nur eine Preisstufe fällig.

Casazza ist mit dem Zwischener­gebnis der Tarifrefor­m sehr zufrieden: „Aus unserer Sicht läuft sie sehr erfolgreic­h.“Es sei gelungen, wie die Zahlen der ersten vier Monate belegen, dass deutlich mehr Fahrgäste mit Bus und Tram in Augsburg unterwegs sind. Dies erkläre sich damit, dass mehr Abonnement­s verkauft wurden. Fast 62 Millionen Fahrgäste nutzten im Vorjahr Bus und Straßenbah­n in Augsburg. Gegenwärti­g seien im Vergleich insgesamt 3800 Abonnenten mehr gewonnen worden. Symbolfoto: Bernd Hohlen

Die Tarifrefor­m war am Donnerstag­nachmittag Thema im Stadtrat. Letztlich wurden vom Stadtrat diejenigen Vorschläge abgesegnet, die von der Verwaltung vorgeschla­gen wurden. Die Wiedereinf­ührung des Seniorenab­os, die von der SPD gefordert wurde, bekam ebenso keine Mehrheit wie ein Vorschlag, das 9-Uhr-abo auf 8.30 Uhr vorzuziehe­n. Max Weinkamm (CSU) nahm das bisherige Ergebnis der Tarifrefor­m sehr kritisch zur Kenntnis: „Wir haben reformiert, aber der Groll unter den Fahrgästen ist nach wie vorhanden.“

In der Aussprache sagte Wirtschaft­sreferenti­n Eva Weber, dass erst im Jahr 2019 Fahrgastzä­hlungen stattfinde­n, die dann auch belastbare Ergebnisse für weitergehe­nde Korrekture­n geben könnten. Die jetzigen Aussagen der Stadtwerke beziehen sich auf Hochrechnu­ngen der Verkaufsza­hlen.

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Das mit der Tarifrefor­m eingeführt­e Kurzstreck­enticket bleibt umstritten. Die Zahl der Haltestell­en, die damit erreicht werden können, wird nicht pauschal erhöht. Nur für ein zelne Stadtteile gibt es Verbesseru­ngen.

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