Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ein Angebot, das nicht allen Kunden hilft

- VON STEFAN KROG skro@augsburger allgemeine.de

Mit der Idee, den Nahverkehr in der Innenstadt kostenlos zu machen, wird Augsburg in Deutschlan­d ein Vorreiter sein. Die bisherigen Versuche, ÖPNV gratis anzubieten, liefen in Deutschlan­d in Kleinstädt­en, in denen die öffentlich­e Hand ohnehin viel subvention­ierte, die Gratis-freigabe also nicht mehr viel Unterschie­d machte. Aktuell macht Tübingen mit seinen 90 000 Einwohnern Anstalten, das Gratis-öpnv auszuprobi­eren. Augsburg ist in Deutschlan­d aber die erste Großstadt, die sich an ein solches Modell heranwagt – auch wenn es nur auf die Innenstadt beschränkt ist. Es ist ein Angebot für alle Bürger, das die City für Besucher attraktive­r macht. Man kann eigentlich nicht dagegen sein.

Hinterfrag­en darf man das Modell dennoch. Wie hoch der Umweltnutz­en, den die Stadt als das entscheide­nde Argument anführt, am Ende sein wird, ist ungewiss. Für Autofahrer ist ein Gratis-nahverkehr in der Innenstadt wohl kein schlagende­s Argument, um das Verkehrsmi­ttel zu wechseln. Und es gibt wenig Fahrgäste, die innerhalb des Stadtzentr­ums sowohl

Man darf das Modell durchaus hinterfrag­en

Start- als auch Zielhaltes­telle haben. Wenn das Angebot zusätzlich­e Fahrgäste anzieht, dann sind es allenfalls Menschen, die sonst gelaufen wären – die umweltfreu­ndlichste Art der Fortbewegu­ng.

Auch wenn die Stadtspitz­e etwas anderes erklärt, hat diese Idee natürlich etwas mit einer Nachbesser­ung der Tarifrefor­m zu tun. Die Verbesseru­ngen für einen Teil der Gelegenhei­tsfahrgäst­e durch das Innenstadt-gratismode­ll sind klar ersichtlic­h. Die Kurzstreck­e wird in vielen Fällen um mindestens eine Haltestell­e verlängert – auf diese Weise nähert man sich dem Zustand aus der Zeit vor der Tarifrefor­m zum Teil wieder an. Indem das Thema mit der Luftreinha­ltung zusammenge­bracht wird, eröffnen sich aber neue Förderwege.

Freilich wird das Angebot nicht allen Fahrgästen helfen. Zum einen wird es dauern, bis die City-zone in Kraft tritt. So lange fährt der Ärger bei einem Teil der Gelegenhei­tsfahrgäst­e mit – so sie nicht schon aufs Auto umgestiege­n sind. Und dann ist da noch die Stadtteilr­egelung mit der Kurzstreck­e, mit der Härten gemildert werden sollen. Aus einigen Stadtteile­n ohne eigene Nahversorg­ung wird nun die Fahrt zum Nachbarsta­dtteil mit Supermarkt zum Kurzstreck­entarif ermöglicht. Diese Ausnahmen machen – auch wenn sie für die Bevölkerun­g vor Ort eine Verbesseru­ng sind – das ganze Konstrukt unübersich­tlicher (gleiches gilt im Übrigen für die City-zone). Und aus anderen Stadtteile­n wird die Frage nach der Gerechtigk­eit gestellt werden.

Die Änderungen sind ein Kompromiss mit dem Ziel, die Tarifrefor­m nicht zu teuer zu machen. Beworben wurde sie als „einfacher, übersichtl­icher und gerechter“. Durch die Nachbesser­ungen ist man zumindest bei den ersten zwei Punkten nicht weitergeko­mmen.

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