Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Kleine Verlage, große Sorgen
Bücher Zwei Augsburger Unternehmer sind auf regionale Themen spezialisiert. Doch die finden immer weniger Leser
Augsburg Wer einmal einen Reiseführer aus dem Augsburger Context Verlag in der Hand hatte, dem hat sich das Buch sicher eingeprägt: Das längliche Format, die übersichtliche Gliederung in Kapitel sowie der leicht verständliche, aber faktenreiche Text fallen auf und prägen jeden Titel. Diese Machart kommt auch außerhalb Augsburgs an. Mit seinem Konzept ist der Verlag nach Auskunft von Verleger Martin Kluger „sehr erfolgreich“.
Kluger zählt seine Firma zu den zehn Prozent umsatzstärksten Verlagen in Deutschland. Das habe unter anderem auch mit der Branchenstruktur zu tun: Es gibt wenige Verlagsriesen, einen nicht allzu großen Mittelbau und sehr viele Kleinverlage, die mit ihren Büchern oft kaum die Gewinnschwelle erreichen.
Dazu gekommen ist der Donauwörther Kluger, als er für eine Artikelserie in der
recherchierte, die auf die Landesgartenschau 1985 zurückblickte. Ein Sachbuch, das die Informationen übersichtlich und journalistisch aufbereitete, wurde ihm zum Vorbild für eigene Publikationen. 2002 verfasste er für die Stadt eine Bewerbungsschrift um den bayerischen Innovationspreis: „Die reichen Fugger im goldenen Augsburg der Renaissance“. Das Buch zu dem bis dahin unterschätzten Thema verkaufte sich in eineinhalb Jahren 10 000 Mal. Ab 2006 erschienen Klugers Bücher im eigenen Verlag.
Auf eine ähnliche Weise hat sich der Wißner-verlag am Markt etabliert – auch Klugers Bücher zu regional-geschichtlichen Themen sind anfangs häufig hier erschienen. Wißner hat sich unter Gründer Bernd Wißner schon seit 1987 auf Regionalica zu Augsburg und Bayerisch-schwaben spezialisiert. Zudem hat der Verlag in Haunstetten eine Spezialsparte, mit der er zu den führenden Anbietern im Bereich Musikpädagogik zählt. In den 30 Jahren seines Bestehens sind 1200 Titel im Verlag erschienen. In Zusammenarbeit von Kluger und Wißner entstand 2005 ein Kulturreiseführer über Augsburg, der sich bundesweit 40 000 Mal verkaufte.
Dass es auf die richtigen Themen und das richtige Marketing ankommt, weiß Lektorin Gabriele Wißner. Der Verlag biete ein breites Portfolio, um mögliche Misserfolge einer Sparte durch Erfolge einer anderen ausgleichen zu können. Kluger sucht dagegen nach Themen, mit denen überregional Aufmerksamkeit erregt oder Trends gesetzt werden können. Als die Unesco 2006 die Altstadt Regensburgs zum Weltkulturerbe erklärte und Papst Benedikt XVI. die Stadt besuchte, war das für Kluger die Gelegenheit, einen neuen Regensburg-führer auf den Markt zu bringen. Die örtlichen Verlage hatten nicht reagiert.
Solche Coups gelingen immer seltener. Zudem profitiert er nach eigener Einschätzung inzwischen von dem großen Wissen und einer Datenbank zum Thema Fugger (23 000 Bilder und viele Texte, an denen er die Rechte hält). Auf dieses Material greifen andere Verlage und sogar wissenschaftliche Einrichtungen zurück. Die Einnahmen kann Kluger in neue Bücher stecken. Doch allmählich bekommt der Context Verlag zu spüren, dass Reisende sich zunehmend auf schnelle Infos aus dem Internet beschränken. In Augsburg gebe es nur noch einige hundert Interessenten für die Stadtgeschichte, die er in Büchern aufbereitet.
Auch bei Wißner merkt man, dass die traditionelle Leserschaft auf dem Rückzug ist. „Wir versuchen, uns daher verstärkt auf die Bereiche Kinderbücher und Comics zu konzentrieren, um hier ein neues Publikum zu erschließen“, sagt Wißner. Weil das Interesse an regionaler Geschichte abnimmt, versuche man, neue regionale Bezüge herzustellen. Beispielsweise mit einem Kochbuch, das sich zum Beispiel der Ammerseerenke widmet.