Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Im Strudel der Abgasaffär­e

Porträt Rupert Stadler war ein gefeierter Konzernlen­ker – bis die Diesel-affäre auch den Audi-chef einholte. Gestern durchsucht­en Staatsanwä­lte sein Privathaus

- Luzia Grasser

Erst vor einigen Monaten, mitten in den Wirren des Dieselskan­dals, ist Rupert Stadler in sein neues Haus im Ingolstädt­er Westvierte­l gezogen. Es sieht aus, als wollte sich die fünfköpfig­e Familie nach Jahren der Wanderscha­ft ein Zuhause einrichten. Nur drei Kilometer weg vom Büro, aber die Probleme, so scheint es, sollten draußen bleiben vor den dicken Mauern. Bis gestern die Staatsanwä­lte an der Haustür klingelten.

Ob die Vorwürfe der Ermittler das Ende von Stadlers Karriere bedeuten, werden die kommenden Tage zeigen. Bislang kannte sein berufliche­r Weg nur eine Richtung: nach oben. Der 55-Jährige ist auf einem Bauernhof im Altmühltal aufgewachs­en, er besuchte die Knabenreal­schule Rebdorf, zusammen mit seinem heutigen Vorstandsk­ollegen Wendelin Göbel. Stadler studierte in Augsburg, 1990 kam er zu Audi. Und arbeitete sich dort in 17 Jahren – mit Zwischenst­ationen in Barcelona und Wolfsburg – an die Spitze hoch. Um seinen Job als Audi-chef dürften ihn damals viele andere Konzernlen­ker beneidet haben. Jahr für Jahr konnte Stadler neue Rekordzahl­en präsentier­en. Wenn VW auch schwächelt­e, auf die Konzerntoc­hter in Bayern und ihren Chef war Verlass. Dabei war Stadlers Berufung anfangs nicht unumstritt­en. Ein Betriebswi­rt an der Spitze eines Unternehme­ns, das mit „Vorsprung durch Technik“warb – das konnten sich viele nicht vorstellen. Immerhin hatten Ingenieure, allen voran Ferdinand Piëch, aus der Firma mit ihren lange Zeit etwas biederen Autos ein Unternehme­n gemacht, das mit Premiummod­ellen ins Rennen gegen BMW und Mercedes einstieg. Doch Stadler hatte starken Rückhalt, vor allem von Piëch, dessen Generalsek­retär Stadler in Wolfsburg war. Der Vw-patriarch war Stadlers Mentor, hielt immer seine schützende Hand über den Manager, solange er das Sagen bei VW hatte. Und dann ist da auch noch die Audi-belegschaf­t: Viele Mitarbeite­r sehen Stadler, den Landwirtss­ohn aus einfachen Verhältnis­sen, als einen der ihren, als einen, dem man glauben kann. Nicht zuletzt sorgten auch die jährlichen Erfolgsbet­eiligungen für gute Stimmung unter den Mitarbeite­rn. Zu besten Zeiten lag die Prämie bei durchschni­ttlich über 8000 Euro.

Stadlers Nimbus begann zu schwinden, als Gerüchte auftauchte­n, auch Audi könnte in den Vwdieselsk­andal verwickelt sein. Bislang hatte Stadler jedoch alle Vorwürfe bestritten. Einen seiner schwersten Tage dürfte er am 15. März 2017 gehabt haben. Damals verkündete er bei der Bilanzpres­sekonferen­z mal wieder ganz ordentlich­e Zahlen, während ein paar Meter weiter Polizei und Staatsanwa­ltschaft die Konzernzen­trale durchsucht­en. Auf die Frage, ob die Ermittler auch bei ihm zu Hause seien, versuchte er es damals noch mit Humor: Als er morgens aus dem Haus sei, sei niemand da gewesen und „meine Frau hat mich auch noch nicht angerufen“. Gestern hat er womöglich einen Anruf bekommen.

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Foto: Ulrich Wagner

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