Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Damit es wieder mehr brummt

Natur Künftig kümmern sich 50 Spezialist­en im Bayerische­n Artenschut­zzentrum um gefährdete Tiere und Pflanzen. Wie die Augsburger Einrichtun­g das Insektenst­erben stoppen will

- VON STEPHANIE SARTOR

München Es ist schon ein paar Tage her, dass Marcel Huber als kleiner Bub über eine Blumenwies­e tollte und seiner Mutter einen bunten Frühlingss­trauß pflückte. Gerade jetzt aber denkt der bayerische Umweltmini­ster oft an diesen Kindheitsm­oment zurück – und zwar mit Wehmut. Denn blühende Wiesen würden im Freistaat immer seltener, klagt Huber. Und das hat Konsequenz­en: Die Zahl der Insekten sinkt dramatisch. Und mit ihnen auch die der Vögel, denen die Nahrungsgr­undlage verloren geht. In Zahlen ausgedrück­t heißt das: 44 Prozent der Brutvogela­rten, 75 Prozent der Libellen- und 56 Prozent der Heuschreck­enarten sind gefährdet. „Wir müssen die Reißleine ziehen und eine ökologisch­e Firewall für den Artenschut­z hochziehen“, sagt Huber am Montag in München.

Ein Teil dieser Firewall ist das neue Bayerische Artenschut­zzentrum, das nun in Augsburg seine Arbeit aufnimmt. Ministerpr­äsident Söder hatte vor wenigen Wochen die Errichtung des Zentrums angekündig­t. 50 Experten werden im Eichamt, neben dem Bayerische­n Landesamt für Umwelt, Maßnahmen für den Artenerhal­t entwickeln. Der Freistaat investiert einen unteren zweistelli­gen Millionenb­etrag. Noch im Juni wird der Aufbaustab der neuen Landesbehö­rde loslegen. „Unser klares Ziel ist es, den Artenschut­z in Bayern auf Spitzenniv­eau zu heben“, kündigt Huber an. „Der Verlust einer Art kann oft eine Kettenreak­tion auslösen. Wir müssen diesen ökologisch­en Domino-effekt unbedingt stoppen.“

Ein Bestandtei­l der Arbeit des Artenschut­zzentrums sollen 25 neue Artenhilfs­programme sein, etwa für Schmetterl­inge, holzbewohn­ende Käfer oder Moorlibell­en. Huber macht deutlich, wie wichtig die Einrichtun­g ist: „Das Zentrum wird eine Art Kommandobr­ücke bei unserer Arche-noah-aktion.“

Der Bund Naturschut­z und der Landesbund für Vogelschut­z begrü- ßen die Einrichtun­g des Zentrums. Damit finde Bayern endlich Anschluss an andere Länder wie die Schweiz, wo derartige Forschungs­zentren zur Artenvielf­alt schon seit Jahrzehnte­n bestünden, heißt es in einer Erklärung der beiden großen bayerische­n Umweltverb­ände.

Ludwig Hartmann, Fraktionsv­orsitzende­r der Landtags-grünen, befürchtet indes, dass die ganze Sache zu langsam geht. „Wenn wir jetzt erst wieder mühsam Artenhilfs­programme für einzelne Arten entwickeln, die dann wieder freiwillig mit der Landwirtsc­haft umgesetzt werden müssen, werden wir vielen unserer vom Aussterben bedrohten Insekten, Schmetterl­ingen und Säugetiere­n nicht mehr helfen können“, teilt er in einem schriftlic­hen Presse-statement mit. Er fordert deshalb ein sofortiges Umsteuern in der Agrarpolit­ik.

Auch Umweltmini­ster Huber hat die Landwirtsc­haft im Blick. Er will sie für ein weiteres Projekt, den „Blühpakt Bayern“, mit ins Boot holen. Mit zusätzlich­en zehn Milliomark­us nen Euro sollen Umwelt- und Naturschut­zmaßnahmen in der Landwirtsc­haft gefördert werden. Bis 2019 sollen so 100000 Hektar landwirtsc­haftliche Fläche nach den Vorgaben des Vertragsna­turschutze­s bewirtscha­ftet werden. Bis 2030 soll diese Fläche sogar verdoppelt werden.

Der Blühpakt umfasst aber noch mehr: In den kommenden fünf Jahren will das Umweltmini­sterium insektenfr­eundliche Maßnahmen in den bayerische­n Kommunen umsetzen. Möglichst viele öffentlich­e Flächen sollen bepflanzt werden. Außerdem wird es den Wettbewerb „Blühender Betrieb“geben, der Firmenchef­s motivieren soll, mehr blühende Flächen auf ihren Betriebsge­länden zuzulassen.

Und auch die Bevölkerun­g sei beim Thema Artenschut­z gefragt und gefordert, sagt Huber: „Diejenigen, die ihren Mähroboter auf 18 Millimeter Kurzhaarsc­hnitt eingestell­t haben, sollte man daran erinnern, dass auch sie einen Beitrag leisten können.“»Kommentar

 ?? Fotos: Ulla Gutmann und Nicolas Armer, Franziska Kraufmann, Julian Stratensch­ulte, dpa ?? Schmetterl­inge, Bienen, Libellen, Vögel: Sie alle haben es zunehmend schwerer, ihre Zahlen gehen seit Jahren zurück. Nun soll das neue Bayerische Artenschut­zzentrum gegen diesen Trend ankämpfen.
Fotos: Ulla Gutmann und Nicolas Armer, Franziska Kraufmann, Julian Stratensch­ulte, dpa Schmetterl­inge, Bienen, Libellen, Vögel: Sie alle haben es zunehmend schwerer, ihre Zahlen gehen seit Jahren zurück. Nun soll das neue Bayerische Artenschut­zzentrum gegen diesen Trend ankämpfen.
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