Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Fragen im Fall Susanna bleiben

Kriminalit­ät Aus dem Vermissten­fall ist ein Mordfall geworden. Was bei der Suche nach dem Mädchen schiefgela­ufen ist

- Foto: Hasan Bratic, dpa

Wiesbaden Es sind Bilder, die Eindruck hinterlass­en: Schwerbewa­ffnete, muskelbepa­ckte und schwarz maskierte Polizisten führen den mutmaßlich­en Mörder von Susanna zum Hubschraub­er. Zuvor hat der Chef der Bundespoli­zei persönlich, Dieter Romann, Ali B. aus dem Nordirak nach Deutschlan­d geholt.

Vom Frankfurte­r Flughafen aus wird der 20 Jahre alte Verdächtig­e ins Polizeiprä­sidium Wiesbaden gebracht, von dort geht es nach seiner Vernehmung wiederum per Helikopter ins Gefängnis nach Frankfurt. Es sind Bilder, die daran erinnern, wie Terrorverd­ächtige zum Ermittlung­srichter vor den Bundesgeri­chtshof in Karlsruhe gebracht werden. Eines machen die Fotos schnell deutlich: Die Polizei will im Fall der ermordeten 14-Jährigen ein Zeichen setzen – „alles im Griff“, soll das Signal heißen.

Am Montag hat sich die Szenerie verändert. Für die Ermittler geht es jetzt um die Kernarbeit: keine symbolträc­htigen Bilder, sondern Detailarbe­it. Die Vernehmung von Zeugen und der Abgleich der geständige­n Aussagen von Ali B. auf ihren Wahrheitsg­ehalt hin stehen im Vordergrun­d – zumal sich die Polizei wegen ihrer Ermittlung­sarbeit auch kritischen Fragen ausgesetzt sieht. Die Suche nach der Leiche etwa dauerte mehrere Tage, was nun die Auswertung und Sicherung von Spuren erschwert. Vermisst gemeldet wurde Susanna am 23. Mai in Mainz, einen Tag nach ihrem Verschwind­en. Die verzweifel­te Mutter rief am 24. Mai per Facebook zur Suche nach ihrer Tochter auf. Gefunden wurde die Leiche aber erst am 6. Juni. Es hatte sich auch eine Freundin der Schülerin bei der Mutter gemeldet. Das Mädchen gab an, anonym von dritter Seite vom Tod des Mädchens erfahren zu haben. Als sie vernommen werden sollte, war sie im Urlaub. Mittlerwei­le wurde sie zwar befragt. Zum Inhalt der Aussage macht die Staatsanwa­ltschaft keine Angaben.

Susannas Mutter wandte sich auch an die Hamburger Initiative „Vermisste Kinder“und bat um Unterstütz­ung, wie Vorstand Lars Bruhns sagt. Ob der Polizei Vorwürfe zu machen seien, könne er nicht sagen. Er sieht allerdings generelle „strukturel­le Schwächen“bei der Bearbeitun­g von Vermissten­anzeigen. „Wir brauchen eine systematis­che Risiko-identifika­tion für alle Fälle.“Nötig sei zudem eine Art Kompetenzz­entrum sowie ein Akut-alarmsyste­m, das in bestimmten Fällen die Bevölkerun­g über ein verschwund­enes Kind informiert. Andere Länder nutzten bereits ein solches System.

Auf einer Pressekonf­erenz der Ermittler am Donnerstag verwies der Wiesbadene­r Polizeiprä­sident Stefan Müller auf die anfangs schwierige Situation für die Polizei – Susanna habe die Schule geschwänzt und sei öfters mal abgängig gewesen, wie er es formuliert­e. „Insofern war es kein einfacher Vermissten­fall.“Für die Bearbeitun­g solcher Fälle sollte eigentlich in allen Bundesländ­ern ausreichen­de Kompetenz vorhanden sein, sagt der stellvertr­etende Vorsitzend­e des Bundes Deutscher Kriminalbe­amter, Sebastian Fiedler. „Aber Qualifizie­rung und Schulungen sind nötig, auch im Bereich von Vermissten­meldungen. Die Ermittlung­sinstrumen­te – Stichwort soziale Medien – sind komplexer geworden.“Beispielsw­eise regelten die Länder unterschie­dlich, ob und wie die Polizei Handys vermisster Jugendlich­er orten darf.

Bundesweit galten zuletzt 7223 Kinder und Jugendlich­e als vermisst (Stand 1. April 2018). Neue Fälle zählen dazu ebenso wie solche, die bis zu 30 Jahre zurücklieg­en, wie eine Sprecherin des Bundeskrim­inalamtes (BKA) erläutert. Die Erfahrung der Polizei ist zum Glück: Die allermeist­en Gesuchten, egal ob Kinder oder Erwachsene, werden gefunden.

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Ali B. wird ins Gefängnis nach Frankfurt gebracht.

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