Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Mit einem Lächeln den Berg hinauffahr­en…

Elektroräd­er Der Trend geht zum E-mountainbi­ke. Das verschärft die Frage: Wer hat Vorfahrt auf den Bergwegen? Wanderer oder Radler?

- VON LILO SOLCHER

Radfahren ist voll im Trend. Noch hipper ist das E-biken. Keine Region, die sich nicht damit schmückt, Elektroräd­er zum Ausleihen und Entdecken anzubieten. Und dazu jede Menge Events zum Thema E-bike – vor allem in den Bergen. Doch gerade da gibt es auch Probleme mit den Elektroräd­ern, die es ansich möglich machen, „mit einem Lächeln den Berg hinaufzufa­hren“, wie es Claus Fleischer von Bosch ebike-systems formuliert. Das müssen Sie wissen, wenn Sie mit dem E-bike unterwegs sein wollen.

Wozu braucht es E-mountainbi­kes in den Bergen?

Für Norman Bielig, Mitglied des Lehrteams im Deutschen Alpenverei­n, ist das E-MTB eine wesentlich­e Weiterentw­icklung des Muskelmoun­tainbikes – vergleichb­ar mit dem technologi­schen Sprung von Wählscheib­e zu Smartphone. Die Motor-verstärkun­g beim Bike sorge für einen niederschw­elligen Einstieg in einen gesunden Sport. Ein anderer Aspekt ist die Umweltfreu­ndlichkeit, wie Monika Echtermeye­r von movelo Allgäu-schwaben betont. Durch E-bikes ließen sich viele Autofahrte­n ersetzen.

Was genau ist ein E-bike?

Die Definition­en gehen auseinande­r. Es gibt drei verschiede­ne Typen. Der Alpenverei­n etwa versteht unter E-bike nur Pedelecs (Pedal Electric Cycles), also Räder, bei denen der Fahrer nur dann durch den Elektroant­rieb unterstütz­t wird, wenn er selbst in die Pedale tritt – und das nur bis zu einer Geschwindi­gkeit von 25 Stundenkil­ometern. Es gibt allerdings auch schnelle Pedelecs, bei denen die Motorunter­stützung erst bei einer Geschwindi­gkeit von 45 Stundenkil­ometern abgeschalt­et wird. Diese S-pedelecs brauchen ein Versicheru­ngskennzei­chen, der Fahrer benötigt eine Fahrerlaub­nis der Klasse AM und einen Helm. Und dann wären da noch „E-bikes im engeren Sinn“, die mit einem Elektromof­a vergleichb­ar sind und sich mithilfe des Elektroant­riebs durch einen Drehgriff oder Schaltknop­f fahren lassen, auch ohne dabei in die Pedale zu treten. David Eisenberge­r, Leiter Marketing & Kommunikat­ion beim ZIV, gibt allerdings zu bedenken, dass solche E-bikes mit Gasgriff eher Seltenheit­swert haben.

Was darf ein Elektrorad?

Normale Pedelecs dürfen Radwege und ausgewiese­ne Trails in den Bergen nutzen. In Österreich werden für diese Elektroräd­er sogar vom Alpenverei­n eigene Trails gebaut, die nach Schwierigk­eitsgrad markiert sind, erklärt Paco Wrolich, Radkoordin­ator der Kärnten Werbung und mehrfacher Tour-de-france-teilnehmer. Blau für leichte, rot für mittelschw­ere und schwarz für schwere Wege.

Und was ist mit den S-pedelecs?

S-pedelecs sind verkehrsre­chtlich als Leichtkraf­träder eingestuft. Viele der mit dem Fahrrad üblichen Wege und Abkürzunge­n darf man mit dem schnellen E-rad nicht benutzen, erklärt der ADFC. Dazu zählen in Gegenricht­ung freigegebe­ne Einbahnstr­aßen und auch Feld- und Waldwege mit dem Durchfahrt verbotensc­hild. Selbst mit ausgeschal­tetem Motor dürften die schnellen Bikes dort nicht gefahren werden – und grundsätzl­ich nicht auf Radwegen. Für ZIV-MANN Eisenberge­r ist das ein Ärgernis. Seiner Meinung nach sollten Kommunen die Möglichkei­t haben, S-pedelecs auf Radwegen zumindest außerhalb von Orten zuzulassen – womöglich mit einer Geschwindi­gkeitsbegr­enzung. Denn auf Landstraße­n seien S-pedelecfah­rer extrem gefährdet, weil sie von Autofahrer­n nicht als schnelle Verkehrste­ilnehmer identifizi­ert würden. In den Bergen lehnt der Alpenverei­n E-mountainbi­kes mit verstärkte­m Motor grundsätzl­ich ab, betont Vizepräsid­ent Roland Stierle. Auf Downhill-trails im Gelände von Skipisten habe man allerdings keinen Einfluss.

Kann man ein Pedelec auch tunen?

David Eisenberge­r vom Zweiradind­ustrieverb­and warnt vor solchen Eingriffen, mit denen man sich strafbar mache. Zwar dürfe das fürs Tunen notwendige Chip-set verkauft werden. Wer sich allerdings mit so einem aufgerüste­ten Pedelec in den Straßenver­kehr begebe, erfülle gleich mehrere Straftatbe­stände und gefährde sich selbst, weil die Räder oft nicht auf höhere Geschwindi­gkeiten ausgericht­et sind: „Sie machen aus einem Fahrrad eine Maschine, und das dürfen Sie nicht einfach so.“

Vor allem in den Bergen kann es auf engen Wegen zu Kollisione­n mit Bergwander­ern kommen. Wie lassen sie sich vermeiden?

Hans Peter Mair, beim Alpenverei­n für Alpine Raumordnun­g zuständig, betont, der Wanderer habe immer Vorfahrt. Der Alpenverei­n sehe sich in der Verantwort­ung, für vernünftig­e Konzepte zu sorgen, die ein Miteinande­r von Radlern und Wanderern verbessern. Auch an Routenempf­ehlungen wie beim „Skibergste­igen umweltfreu­ndlich“sei gedacht. Schließlic­h gelte es, „allen die einzigarti­ge Natur und den Zugang zu ihr zu erhalten“. ZIV-MANN Eisenberge­r betont: „Wir kämpfen generell für ein Miteinande­r der touristisc­hen Teilnehmer.“Mit einem Bike-booklet, das auf dem Mountainbi­ke-tourismusf­orum in Oberstaufe­n vergangene Woche vorgestell­t wurde, wird u. a. für gegenseiti­ge Rücksichtn­ahme geworben.

Wie steht es mit der Haftung etwa von Grundeigen­tümern und Älplern?

Da scheint noch vieles unsicher. „Für ein dringend nötiges Radwege-/mountainbi­ke-konzept auf Landkreis-, Regions- oder Landeseben­e ist eine Klärung der haftungsre­chtlichen Fragen dringend erforderli­ch“, sagt Monika Echtermeye­r von movelo Allgäu-schwaben. Älpler und Grundstück­seigentüme­r seien durch eine Rechtsprec­hung verunsiche­rt, die ihnen Haftung und Zahlungspf­lichten auferlegt. Vorbildlic­h ist in dieser Frage Kärnten. In dem österreich­ischen Bundesland übernehmen die Landkreise und/ oder die Staatsregi­erung die Versicheru­ng. Das bedeutet, dass Eigentümer keinerlei Haftung bei Unfällen auf markierten Radwegen auf ihrem Grundstück zu befürchten haben. Auf so einer Grundlage könnten Runde Tische in dieser Frage tatsächlic­h erfolgreic­h arbeiten und realitätsn­ahe, alltagstau­gliche Konzepte entwickeln, sagt Echtermeye­r.

Die Akkus halten zwar immer länger. Aber E-bikes bleiben auf Ladestatio­nen angewiesen. Warum gibt es diese nicht auf allen Dav-hütten?

Grundsätzl­ich kann jeder Alpenverei­ns-hüttenwirt selbst entscheide­n, ob er eine Ladestatio­n anbieten wolle oder nicht, sagt Vizepräsid­ent Stierle: „Viele Mitglieder wollen das nicht und viele Wirte ebenso wenig.“Der Alpenverei­n könne sich zudem auch nur auf jenen Hütten Ladestatio­nen vorstellen, wo genügend Energie vor Ort (Wind, Wasser, Photovolta­ik) zur Verfügung stehe.

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