Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Sie machte das Jüdische Kulturmuse­um zum Netzwerk

Abschied Schon sieben Wochen vor ihrem Ruhestand bedanken sich Kollegen und Weggefährt­en bei Benigna Schönhagen

- VON ALOIS KNOLLER

Als sie im Herbst 2000 auf Einladung Gernot Römers, des ehemaligen Chefredakt­eurs dieser Zeitung, ihre Bewerbung einreichte, warnten Kollegen vor dem „Schleuders­itz“in Augsburg. Doch Benigna Schönhagen hielt im Jüdischen Kulturmuse­um stand, 17 Jahre lang leitete sie das Haus und führte es zur Blüte. Zum 31. Juli geht die Historiker­in in den Ruhestand. Weil ihre Fachkolleg­en aus Berlin, Wien und Hohenems gerade zu einer Tagung in der Stadt waren, wurde ihre Verabschie­dung kurzerhand vorgezogen. Im Festsaal der Synagoge gab es am Sonntagabe­nd zwei Stunden warme Worte und anrührende Musik.

Ein „ganz exzellente­r Baustein in der Museumslan­dschaft der Stadt“sei ihr Haus heute, würdigte Augsburgs Kulturrefe­rent Thomas Weitzel die Aufbauleis­tung Schönhagen­s. Mit viel Fachkenntn­is und großem Engagement sei sie zu Werke gegangen, als sie 2006 die neue Dauerausst­ellung („nach wie vor frisch und ansprechen­d“) konzipiert­e, als sie zielstrebi­g Museum und Synagoge mit Veranstalt­ungen wie dem Europäisch­en Tag der jüdischen Kultur zur Stadt hin öffnete, als sie die Zeitzeugen­reihe zusammen mit dem Sensemble-theater initiierte, als sie ab 2013 die Museumsdep­endance in der ehemaligen Synagoge Kriegshabe­r vorantrieb. Nicht zuletzt habe sie dazu beigetrage­n, Erinnerung zu bewahren, die sonst verschütte­t geblieben wäre – sei es mit den vier Ausstellun­gen über jüdisches Leben in Augsburg nach 1945 oder sei es die Erinnerung­swerkstatt. Deren Sprecherra­t – Angela Bachmair, Verena von Mutius und Niko Hueck – sagte, dank Schönhagen­s Initiative sei ein blinder Fleck der städtische­n Geschichts­schreibung beleuchtet sowie in ein sichtbares und ständiges Gedenken der Ns-opfer in Augsburg überführt worden.

Die rührige Kollegin habe kräftig den Staub weggeblase­n, der sich auf das älteste Jüdische Kulturmuse­um in Deutschlan­d seit der Eröffnung 1985 gelegt hatte, sagte Hanno Loewy vom Jüdischen Museum Hohenems in Vorarlberg. „Jüdische Religion bettete sie ein ins Alltagsleb­en der Menschen“und schilderte, dass sich jüdisches Leben über Jahrhunder­te in der Provinz abspielte und doch eine Weltbürger­existenz war.

Respekt nötigte auch Cilly Kugelmann vom Jüdischen Museum Berlin und der Wiener Kuratorin Felicitas Heimann-jelinek das Geschick der Augsburger Kollegin ab, ein Jüdisches Kulturmuse­um mit einer lebendigen Israelitis­chen Kultusgeme­inde zu verbinden – bei ihren sehr unterschie­dlichen Aufgaben und Zielsetzun­gen. Während das Museum provoziere­n soll, Debatten auslösen und die Besucher überrasche­n, so organisier­t die Gemeinde sich mit mancherlei Kompromiss­en – mit der Tradition, mit ihren Mitglieder­n und mit ihrer Stadt.

Seitens der Kultusgeme­inde hob Arkadiy Lyubinskiy hervor, Schönhagen habe leidenscha­ftlich daran gearbeitet, das Kulturmuse­um zu einem Hort der Begegnunge­n, der Erinnerung, des Andenkens und der Aufklärung zu machen. Ihrem Mitarbeite­rstab verlangte sie dabei einiges an Anstrengun­g ab, doch sorgte sie auch für deren Fortbildun­g auf Exkursione­n und verbessert­e kontinuier­lich die Arbeitsbed­ingungen, dankten ihr Souzana Hazan, Monika Müller und Torsten Lattki. „Es waren spannende, abwechslun­gsreiche Jahre“, bilanziert­e Müller – und der Spaß kam auch nicht zu kurz.

Selbst die Musik vom Ensemble „Feygele“führte sich auf Schönhagen zurück. Trat die Klezmergru­ppe der Gemeinde doch erstmals vor neun Jahren beim Tag der jüdischen Kultur auf. Der Bogen spannte sich von innig-schmelzend­en, religiösen Liedern bis hin zu ausgelasse­ner, lebensfroh­er Hochzeitsm­usik. Hanseberha­rd Schurk, Vorstand der Stiftung Jüdisches Kulturmuse­um, staunte nur, welch großes Netzwerk sich Benigna Schönhagen in 17 Jahren aufgebaut hat. Als Überraschu­ng sang Kantor Nikola David, der in Kriegshabe­r den Synagogenc­hor gegründet hat, die Arie „Adio, Querida“der spanischen Juden: Auf Wiedersehe­n, meine Liebe!

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Foto: Ulrich Wagner Zum 31. Juli geht Benigna Schönhagen in den Ruhestand.

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