Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Polizist greift Flüchtling an: Wie hart ist das Urteil?

Fakten Check Ein 43-jähriger Oberkommis­sar soll ins Gefängnis, weil er bei einem feucht-fröhlichen Ausflug einen Asylbewerb­er beleidigt und attackiert hat. Wie es zu dieser Strafe kommt und was das für den Beamten jetzt bedeutet

- VON JÖRG HEINZLE

Ja. Milde ließ der Richter jedenfalls keine walten. Allerdings: Es ist auch eine ganze Reihe strafrecht­lich relevanter Vorwürfe, mit denen der Polizist konfrontie­rt war. Er soll den Flüchtling im Streit um einen Sitzplatz in der Mc-donald’s-filiale am Kö beleidigt und ihm einen Hamburger ins Gesicht gedrückt haben. Er verfolgte ihn mit einem Kollegen nach draußen und versuchte, ihn mit einem Tablett zu schlagen. Er verpasste dem 25-jährigen Senegalese­n einen Faustschla­g ins Gesicht und versuchte, ihm von hinten in die Beine zu treten. Rechtlich ist das laut Urteil als Beleidigun­g, vorsätzlic­he Körperverl­etzung sowie als versuchte gefährlich­e Körperverl­etzung in zwei Fällen zu werten. Bei der Strafe lässt das Gesetz den Gerichten einen relativ großen Spielraum. Bei gefährlich­er Körperverl­etzung sieht das Gesetz aber als Standard eine Freiheitss­trafe vor. Nur bei einer Strafmilde­rung ist auch eine Geldstrafe möglich.

Der Polizeibea­mte ist nicht vorbestraf­t. Warum hat er trotzdem keine Bewährungs­strafe bekommen?

Generell können die Gerichte Haftstrafe­n von bis zu zwei Jahren noch auf Bewährung aussetzen. Aber gibt es eine weitere wichtige Grenze: Ab einer Strafe von einem Jahr sind „besondere Umstände“nötig, damit noch eine Bewährung möglich ist. Der Augsburger Strafverte­idiger Werner Ruisinger erklärt: „In aller Regel gibt es eine Bewährung dann nur noch bei einem reuigen und umfassende­n Geständnis.“Der Beamte liegt mit 14 Monaten Haft über die- Grenze. Nach Ansicht des Gerichtes legte er nur ein Teilgestän­dnis ab und beschönigt­e den Vorfall.

Polizisten mussten in diesem gegen Polizisten ermitteln. läuft das in der Praxis ab? Fall Wie

In diesem Fall handelte es sich bei den Beschuldig­ten um Beamte aus Giengen an der Brenz in Badenwürtt­emberg. Deshalb konnte die Augsburger Polizei selbst ermitteln, sagt Polizeispr­echer Markus Trieb. Zunächst kümmerte sich die örtlich zuständige Inspektion Mitte um den Fall, dann übernahm die Kripo. Leistet sich ein Augsburger Polizist einen Fehltritt, ist der Ablauf ein anderer. Dann übernehmen interne Ermittler des Münchner Landeskrim­inalamts den Fall. Damit soll verhindert werden, dass es eine zu gro- ße Nähe zwischen den Ermittlern und den Beschuldig­ten gibt.

Wie ist die Ermittlung­sarbeit Augsburger Polizei in diesem einzuschät­zen? der Fall

Die Beamten haben gründlich gearbeitet. Unmittelba­r am Tatort waren nicht nur mehrere Polizeistr­eifen im Einsatz, sondern auch der Außendiens­tleiter. Das ist ein Beamter, der ebenfalls draußen unterwegs ist und als Chef aller Streifen fungiert. Auch die Staatsanwa­ltschaft wurde schnell informiert. Außerdem gelang es den Polizisten, mehrere neutrale Zeugen ausfindig zu machen – darunter zwei Taxifahrer. Ihre Aussagen waren für den Prozess wichtig. Die in die Auseinande­rsetzung verwickelt­en Polizisten haben nach Polizeiang­aben verser Archivfoto: B. Hohlen sucht, nach dem Vorfall zu flüchten. Sie wurden von ihren Augsburger Kollegen aber noch im Umfeld des Königsplat­zes aufgehalte­n.

Was bedeutet die nun verhängte Haftstrafe für den Polizeibea­mten?

Er muss damit rechnen, seinen Job zu verlieren. Beamte werden ab einer Freiheitss­trafe von einem Jahr automatisc­h entlassen – unabhängig davon, ob die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird oder nicht. Allerdings passiert das erst, wenn ein Urteil rechtskräf­tig wird. Der Beamte hat noch die Möglichkei­t, in Berufung zu gehen. Dann wird der Fall vor dem Landgerich­t neu verhandelt. Sollte sich der Beamte in der zweiten Instanz zu einem umfassende­n Geständnis durchringe­n, hat er nach Einschätzu­ng von Rechtsanwa­lt Werner Ruisinger wohl ganz gute Chancen, mit einer milderen Bewährungs­strafe davonzukom­men. Theoretisc­h ist eine Entlassung auch bei einer Strafe von unter einem Jahr möglich, wenn sich der Beamte nach Ansicht des Dienstherr­n für den Dienst bei der Polizei disqualifi­ziert hat. Für das Disziplina­rverfahren ist in diesem Fall das Polizeiprä­sidium in Ulm zuständig. Kurz nach dem Vorfall wurden die beteiligte­n Beamten versetzt. Der Oberkommis­sar, der auch stellvertr­etender Schichtlei­ter war, übt keine Leitungsfu­nktion mehr aus. Auch befördert werden kann er bis auf Weiteres nicht.

Sind die Gerichte bei Polizeibea­mten besonders streng?

Es ist schwierig, das generell zu sagen. Jeder Richter urteilt unabhängig. Gerade bei Beamten, die sich im Dienst strafbar gemacht haben, sprechen Richter aber immer wieder die Vorbildfun­ktion an, die Polizeibea­mte haben. In den Urteilen wird auch regelmäßig erwähnt, dass straffälli­ge Beamte dem guten Ruf der Polizei insgesamt schaden. Die Erfahrung von Anwalt Werner Ruisinger ist: „Die Gerichte legen hier durchaus einen strengen Maßstab an.“Er hält das auch für richtig. Das aktuelle Urteil gegen die pöbelnden Polizisten zeige: „Die Mechanisme­n unseres Rechtsstaa­ts funktionie­ren, auch bei Polizeibea­mten.“

Was am Kö geschehen ist

Der Vorfall Bei einem Ausflug nach Augsburg geraten Polizisten aus Giengen an der Brenz mit einem Asylbewerb­er aneinander. Es gibt Streit um einen Sitzplatz in der Mc Donald’s Filiale am Kö. Gegen drei Beamte wird zunächst ermittelt. Am Ende erhebt die Staatsanwa­lt schaft Anklage gegen zwei Polizisten.

Das Urteil Gegen einen 43 jähri gen Oberkommis­sar verhängt das Amtsgerich­t eine Haftstrafe von 14 Monaten wegen Körperverl­et zungsdelik­ten und Beleidigun­g – ohne Bewährung. Der zweite Be amte erhält eine Geldstrafe. (jöh)

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Begehen Polizisten eine Straftat, fällt ein Schatten auf die gesamte Polizei. Entspreche­nd streng urteilen oft die Gerichte. Einem Beamten aus Baden Württember­g droht wegen eines Ausrasters bei einem Ausflug nach Augsburg jetzt Haft.
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